Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.§. 131. Erklärung des Willens. Ausdrückliche, stillschweigende. Das Mittel der ausdrücklichen Erklärung kann bestehen stillschweigend zu einer Ver- wechslung dieses Falles mit dem des bloßen Schweigens (§ 132) verleiten kann; die Bezeichnung wäre aber wörtlich unbehülflicher, und jene Verwechslung wird durch das Herkömmliche des hier bey- behaltenen Sprachgebrauchs ab- gewendet. -- Für ungenau halte ich es, den Unterschied beider Arten davon abhängig zu machen, ob der Wille aus einer äußeren Thatsache mit oder ohne Schluß- folgerungen erkannt werden könne (Göschen Vorlesungen I. S. 274). Wenn eine undeutlich ge- faßte Vertragsurkunde nur durch künstliche Auslegung, wozu gewiß auch Schlüsse nöthig sind, ver- standen werden kann, so ist sie darum nicht weniger eine aus- drückliche Willenserklärung. Auch darin kann, streng genommen, der Unterschied nicht gesetzt wer- den, daß bey der einen Art durch Worte, bey der anderen ohne Worte, der Wille erklärt werde; denn es kann auch eine stillschwei- gende Erklärung in bloßen Wor- ten enthalten seyn, wenn diese Worte zunächst einen andern Zweck haben, als zum Ausdruck gerade dieses Willens zu dienen; davon werden sogleich Beyspiele unter den stillschweigenden Erklärungen vorkommen. Vgl. die Stellen in den Noten q. r. t. (b) Beide stehen einander ganz gleich, natürlich mit Ausnahme der förmlichen Rechtsgeschäfte. L. 38 de O. et A. (44. 7.) ".. placuit non minus valere, quod scriptura, quam quod vocibus lingua figuratis significaretur." (c) L. 21 pr. de leg. 3 (32. un.), L. 1 § 3 de adsign. lib. (38. 4.), L. 52 § 10 de O. et A. (44. 7.), L. 17 de nov. (46. 2.). (d) L. 6 de reb. cred. (12. 1.), L. 58 pr. de her. inst. (28. 5.). (e) Vgl. die Stellen in Note d. 16*
§. 131. Erklärung des Willens. Ausdrückliche, ſtillſchweigende. Das Mittel der ausdrücklichen Erklärung kann beſtehen ſtillſchweigend zu einer Ver- wechslung dieſes Falles mit dem des bloßen Schweigens (§ 132) verleiten kann; die Bezeichnung wäre aber wörtlich unbehülflicher, und jene Verwechslung wird durch das Herkömmliche des hier bey- behaltenen Sprachgebrauchs ab- gewendet. — Für ungenau halte ich es, den Unterſchied beider Arten davon abhängig zu machen, ob der Wille aus einer äußeren Thatſache mit oder ohne Schluß- folgerungen erkannt werden könne (Göſchen Vorleſungen I. S. 274). Wenn eine undeutlich ge- faßte Vertragsurkunde nur durch künſtliche Auslegung, wozu gewiß auch Schlüſſe nöthig ſind, ver- ſtanden werden kann, ſo iſt ſie darum nicht weniger eine aus- drückliche Willenserklärung. Auch darin kann, ſtreng genommen, der Unterſchied nicht geſetzt wer- den, daß bey der einen Art durch Worte, bey der anderen ohne Worte, der Wille erklärt werde; denn es kann auch eine ſtillſchwei- gende Erklärung in bloßen Wor- ten enthalten ſeyn, wenn dieſe Worte zunächſt einen andern Zweck haben, als zum Ausdruck gerade dieſes Willens zu dienen; davon werden ſogleich Beyſpiele unter den ſtillſchweigenden Erklärungen vorkommen. Vgl. die Stellen in den Noten q. r. t. (b) Beide ſtehen einander ganz gleich, natürlich mit Ausnahme der förmlichen Rechtsgeſchäfte. L. 38 de O. et A. (44. 7.) „.. placuit non minus valere, quod scriptura, quam quod vocibus lingua figuratis significaretur.” (c) L. 21 pr. de leg. 3 (32. un.), L. 1 § 3 de adsign. lib. (38. 4.), L. 52 § 10 de O. et A. (44. 7.), L. 17 de nov. (46. 2.). (d) L. 6 de reb. cred. (12. 1.), L. 58 pr. de her. inst. (28. 5.). (e) Vgl. die Stellen in Note d. 16*
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§. 131. Erklärung des Willens. Ausdrückliche, ſtillſchweigende.
Das Mittel der ausdrücklichen Erklärung kann beſtehen
in mündlicher Rede, in ſchriftlicher Rede (b), oder auch
in bloßen Geberden; ſo z. B. wenn derjenige, welchem ein
beſtimmter Vertrag angeboten wird, durch bloßes Zunicken
ſeine Einwilligung ausdrückt (c): oder wenn der Gegen-
ſtand des Vertrags durch Hindeuten mit der Hand be-
zeichnet wird (d). Nur wird nicht leicht ein ganzes Rechts-
geſchäft durch bloße Geberden zu Stande kommen, viel-
mehr wird dann die Erklärung meiſt aus Worten und
Geberden gemiſcht ſeyn (e). — Die ſchriftliche Willenser-
(a)
(b) Beide ſtehen einander ganz
gleich, natürlich mit Ausnahme
der förmlichen Rechtsgeſchäfte.
L. 38 de O. et A. (44. 7.) „..
placuit non minus valere, quod
scriptura, quam quod vocibus
lingua figuratis significaretur.”
(c) L. 21 pr. de leg. 3 (32.
un.), L. 1 § 3 de adsign. lib.
(38. 4.), L. 52 § 10 de O. et A.
(44. 7.), L. 17 de nov. (46. 2.).
(d) L. 6 de reb. cred. (12. 1.),
L. 58 pr. de her. inst. (28. 5.).
(e) Vgl. die Stellen in Note d.
(a) ſtillſchweigend zu einer Ver-
wechslung dieſes Falles mit dem
des bloßen Schweigens (§ 132)
verleiten kann; die Bezeichnung
wäre aber wörtlich unbehülflicher,
und jene Verwechslung wird durch
das Herkömmliche des hier bey-
behaltenen Sprachgebrauchs ab-
gewendet. — Für ungenau halte
ich es, den Unterſchied beider
Arten davon abhängig zu machen,
ob der Wille aus einer äußeren
Thatſache mit oder ohne Schluß-
folgerungen erkannt werden könne
(Göſchen Vorleſungen I. S.
274). Wenn eine undeutlich ge-
faßte Vertragsurkunde nur durch
künſtliche Auslegung, wozu gewiß
auch Schlüſſe nöthig ſind, ver-
ſtanden werden kann, ſo iſt ſie
darum nicht weniger eine aus-
drückliche Willenserklärung. Auch
darin kann, ſtreng genommen,
der Unterſchied nicht geſetzt wer-
den, daß bey der einen Art durch
Worte, bey der anderen ohne
Worte, der Wille erklärt werde;
denn es kann auch eine ſtillſchwei-
gende Erklärung in bloßen Wor-
ten enthalten ſeyn, wenn dieſe
Worte zunächſt einen andern Zweck
haben, als zum Ausdruck gerade
dieſes Willens zu dienen; davon
werden ſogleich Beyſpiele unter
den ſtillſchweigenden Erklärungen
vorkommen. Vgl. die Stellen in
den Noten q. r. t.
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