mern die gerichtliche Insinuation. Sie bestand darin, daß ein Rechtsgeschäft vor einer städtischen Curie, oder auch vor der Kanzley (officium) des Statthalters einer Provinz abgeschlossen, und in das Gerichtsprotokoll (Acta, Gesta) wörtlich eingetragen wurde, wovon man dann den Be- theiligten, so oft es nöthig war, beglaubigte Abschriften mittheilte. Es geschah oft ganz willkührlich, blos um einer Handlung mehr Feyerlichkeit oder sicherern Beweis zu ge- ben. Dann wurde es auch bey einigen Handlungen als besondere Form erfordert, namentlich bey Schenkungen, bey der Abfassung von Testamenten, so wie bey der Er- öffnung derselben (c).
Solche willkührlich eingeführte Formen gewähren gleich- falls die oben dargestellten praktischen Vortheile, nur mit dem Unterschied, daß die untergeordneten Folgen der sym- bolischen Handlungen (die Sicherung des Beweises und die Publicität) hier mehr in den Vordergrund treten, wäh- rend die inneren und wesentlichen Vortheile, die bey den symbolischen Handlungen mit ihrer lebendigen Anschaulich- keit zusammenhängen, hier weniger erreicht werden können, wo die Form nur als ein äußeres Gebot erscheint, dem man sich unvermeidlich fügen muß. In dieser Zusammen- stellung übrigens soll nur eine Anerkennung des eigenthüm- lichen Characters verschiedener Zeitalter liegen, der sich in dem Recht wie in anderen Seiten des Völkerlebens offen- bart. Das eine auf Kosten des andern erheben zu wollen,
(c)Savigny Geschichte des R. R. im Mittelalter B. 1 § 27--29.
III. 16
§. 130. Erklärung des Willens. Förmliche.
mern die gerichtliche Inſinuation. Sie beſtand darin, daß ein Rechtsgeſchäft vor einer ſtädtiſchen Curie, oder auch vor der Kanzley (officium) des Statthalters einer Provinz abgeſchloſſen, und in das Gerichtsprotokoll (Acta, Gesta) wörtlich eingetragen wurde, wovon man dann den Be- theiligten, ſo oft es nöthig war, beglaubigte Abſchriften mittheilte. Es geſchah oft ganz willkührlich, blos um einer Handlung mehr Feyerlichkeit oder ſicherern Beweis zu ge- ben. Dann wurde es auch bey einigen Handlungen als beſondere Form erfordert, namentlich bey Schenkungen, bey der Abfaſſung von Teſtamenten, ſo wie bey der Er- öffnung derſelben (c).
Solche willkührlich eingeführte Formen gewähren gleich- falls die oben dargeſtellten praktiſchen Vortheile, nur mit dem Unterſchied, daß die untergeordneten Folgen der ſym- boliſchen Handlungen (die Sicherung des Beweiſes und die Publicität) hier mehr in den Vordergrund treten, wäh- rend die inneren und weſentlichen Vortheile, die bey den ſymboliſchen Handlungen mit ihrer lebendigen Anſchaulich- keit zuſammenhängen, hier weniger erreicht werden können, wo die Form nur als ein äußeres Gebot erſcheint, dem man ſich unvermeidlich fügen muß. In dieſer Zuſammen- ſtellung übrigens ſoll nur eine Anerkennung des eigenthüm- lichen Characters verſchiedener Zeitalter liegen, der ſich in dem Recht wie in anderen Seiten des Völkerlebens offen- bart. Das eine auf Koſten des andern erheben zu wollen,
(c)Savigny Geſchichte des R. R. im Mittelalter B. 1 § 27—29.
III. 16
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0253"n="241"/><fwplace="top"type="header">§. 130. Erklärung des Willens. Förmliche.</fw><lb/>
mern die gerichtliche Inſinuation. Sie beſtand darin, daß<lb/>
ein Rechtsgeſchäft vor einer ſtädtiſchen Curie, oder auch<lb/>
vor der Kanzley (<hirendition="#aq">officium</hi>) des Statthalters einer Provinz<lb/>
abgeſchloſſen, und in das Gerichtsprotokoll (<hirendition="#aq">Acta, Gesta</hi>)<lb/>
wörtlich eingetragen wurde, wovon man dann den Be-<lb/>
theiligten, ſo oft es nöthig war, beglaubigte Abſchriften<lb/>
mittheilte. Es geſchah oft ganz willkührlich, blos um einer<lb/>
Handlung mehr Feyerlichkeit oder ſicherern Beweis zu ge-<lb/>
ben. Dann wurde es auch bey einigen Handlungen als<lb/>
beſondere Form erfordert, namentlich bey Schenkungen,<lb/>
bey der Abfaſſung von Teſtamenten, ſo wie bey der Er-<lb/>
öffnung derſelben <noteplace="foot"n="(c)"><hirendition="#g">Savigny</hi> Geſchichte des R. R. im Mittelalter B. 1 § 27—29.</note>.</p><lb/><p>Solche willkührlich eingeführte Formen gewähren gleich-<lb/>
falls die oben dargeſtellten praktiſchen Vortheile, nur mit<lb/>
dem Unterſchied, daß die untergeordneten Folgen der ſym-<lb/>
boliſchen Handlungen (die Sicherung des Beweiſes und<lb/>
die Publicität) hier mehr in den Vordergrund treten, wäh-<lb/>
rend die inneren und weſentlichen Vortheile, die bey den<lb/>ſymboliſchen Handlungen mit ihrer lebendigen Anſchaulich-<lb/>
keit zuſammenhängen, hier weniger erreicht werden können,<lb/>
wo die Form nur als ein äußeres Gebot erſcheint, dem<lb/>
man ſich unvermeidlich fügen muß. In dieſer Zuſammen-<lb/>ſtellung übrigens ſoll nur eine Anerkennung des eigenthüm-<lb/>
lichen Characters verſchiedener Zeitalter liegen, der ſich in<lb/>
dem Recht wie in anderen Seiten des Völkerlebens offen-<lb/>
bart. Das eine auf Koſten des andern erheben zu wollen,<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">III.</hi> 16</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[241/0253]
§. 130. Erklärung des Willens. Förmliche.
mern die gerichtliche Inſinuation. Sie beſtand darin, daß
ein Rechtsgeſchäft vor einer ſtädtiſchen Curie, oder auch
vor der Kanzley (officium) des Statthalters einer Provinz
abgeſchloſſen, und in das Gerichtsprotokoll (Acta, Gesta)
wörtlich eingetragen wurde, wovon man dann den Be-
theiligten, ſo oft es nöthig war, beglaubigte Abſchriften
mittheilte. Es geſchah oft ganz willkührlich, blos um einer
Handlung mehr Feyerlichkeit oder ſicherern Beweis zu ge-
ben. Dann wurde es auch bey einigen Handlungen als
beſondere Form erfordert, namentlich bey Schenkungen,
bey der Abfaſſung von Teſtamenten, ſo wie bey der Er-
öffnung derſelben (c).
Solche willkührlich eingeführte Formen gewähren gleich-
falls die oben dargeſtellten praktiſchen Vortheile, nur mit
dem Unterſchied, daß die untergeordneten Folgen der ſym-
boliſchen Handlungen (die Sicherung des Beweiſes und
die Publicität) hier mehr in den Vordergrund treten, wäh-
rend die inneren und weſentlichen Vortheile, die bey den
ſymboliſchen Handlungen mit ihrer lebendigen Anſchaulich-
keit zuſammenhängen, hier weniger erreicht werden können,
wo die Form nur als ein äußeres Gebot erſcheint, dem
man ſich unvermeidlich fügen muß. In dieſer Zuſammen-
ſtellung übrigens ſoll nur eine Anerkennung des eigenthüm-
lichen Characters verſchiedener Zeitalter liegen, der ſich in
dem Recht wie in anderen Seiten des Völkerlebens offen-
bart. Das eine auf Koſten des andern erheben zu wollen,
(c) Savigny Geſchichte des R. R. im Mittelalter B. 1 § 27—29.
III. 16
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/253>, abgerufen am 24.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.