Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.§. 123. Bedingung. Unsittliche. (Fortsetzung.) dadurch würde die Erwartung des Testators getäuschtwerden. Diese mögliche Verleitung zur Unsittlichkeit, ver- bunden mit dem höchst unvollkommnen Schutz für den Wil- len des Verstorbenen, hat das Verbot veranlaßt (q). Die erste Maasregel des Prätors besteht nun darin, daß er die Bedingung misbilligt und als nicht geschrieben betrach- tet (remittit Praetor conditionem) (r). Bliebe er dabey stehen, so wäre der Wille des Verstorbenen, der ja doch nicht etwas an sich Schlechtes verlangte, eigenmächtig verändert. Man hätte nun die zu beschwörende Hand- lung selbst unmittelbar als Bedingung behandeln können (und das nehmen wirklich Manche an); damit aber wäre man über den Willen weit hinaus gegangen, denn die (q) Irrige Erklärungsgründe sind folgende. Nach Walch opusc. I. 191 die Lehre der Stoiker, daß der Eid zu heilig sey, um wegen irdischer Vortheile gebraucht zu werden. Allein wie paßt dazu das von den Römern so hoch gehal- tene und so häufig angewendete jusjurandum delatum, welches ja auch stets des Vermögens wegen gebraucht wird? -- Sell S. 235 meynt, es sey schimpflich für den Honorirten gewesen, daß man sich nicht mit seiner ohnehin vorhan- denen Obligation zu der Hand- lung begnügen wollte, sondern noch daneben, aus Mistrauen, einen Eid forderte. Allein eben jene andere Obligation ist gar nicht vorhanden (Note o), und wäre sie da, so würde eine Be- stärkung derselben durch Eid eben so wenig kränkend seyn, als eine Bestärkung durch Caution es ist, die doch gewiß der Testator nach Belieben auflegen kann. Sell ist getäuscht worden durch die Ausdrücke turpis und turpiter (L. 8 pr. de cond. inst., L. 20 de cond.); diese aber bedeuten nicht nothwendig eine Beschim- pfung, sondern auch Alles, wo- durch sittliche Interessen verletzt oder gefährdet werden. (r) L. 26 pr. L. 20 de cond.
(35. 1.), L. 8 pr. § 1--5 de cond. inst. (28. 7.), L. 29 § 2 de test. mil. (29. 1.), L. 14 § 1 de leg. 3 (31. un.). -- Mit Unrecht wird wohl darauf bezogen L. 112 § 4 de leg. 1 (30. un.), welche Stelle eher auf einen von dem Testator selbst niedergeschriebenen Eid zu deuten ist. §. 123. Bedingung. Unſittliche. (Fortſetzung.) dadurch würde die Erwartung des Teſtators getäuſchtwerden. Dieſe mögliche Verleitung zur Unſittlichkeit, ver- bunden mit dem höchſt unvollkommnen Schutz für den Wil- len des Verſtorbenen, hat das Verbot veranlaßt (q). Die erſte Maasregel des Prätors beſteht nun darin, daß er die Bedingung misbilligt und als nicht geſchrieben betrach- tet (remittit Praetor conditionem) (r). Bliebe er dabey ſtehen, ſo wäre der Wille des Verſtorbenen, der ja doch nicht etwas an ſich Schlechtes verlangte, eigenmächtig verändert. Man hätte nun die zu beſchwörende Hand- lung ſelbſt unmittelbar als Bedingung behandeln können (und das nehmen wirklich Manche an); damit aber wäre man über den Willen weit hinaus gegangen, denn die (q) Irrige Erklärungsgründe ſind folgende. Nach Walch opusc. I. 191 die Lehre der Stoiker, daß der Eid zu heilig ſey, um wegen irdiſcher Vortheile gebraucht zu werden. Allein wie paßt dazu das von den Römern ſo hoch gehal- tene und ſo häufig angewendete jusjurandum delatum, welches ja auch ſtets des Vermögens wegen gebraucht wird? — Sell S. 235 meynt, es ſey ſchimpflich für den Honorirten geweſen, daß man ſich nicht mit ſeiner ohnehin vorhan- denen Obligation zu der Hand- lung begnügen wollte, ſondern noch daneben, aus Mistrauen, einen Eid forderte. Allein eben jene andere Obligation iſt gar nicht vorhanden (Note o), und wäre ſie da, ſo würde eine Be- ſtärkung derſelben durch Eid eben ſo wenig kränkend ſeyn, als eine Beſtärkung durch Caution es iſt, die doch gewiß der Teſtator nach Belieben auflegen kann. Sell iſt getäuſcht worden durch die Ausdrücke turpis und turpiter (L. 8 pr. de cond. inst., L. 20 de cond.); dieſe aber bedeuten nicht nothwendig eine Beſchim- pfung, ſondern auch Alles, wo- durch ſittliche Intereſſen verletzt oder gefährdet werden. (r) L. 26 pr. L. 20 de cond.
(35. 1.), L. 8 pr. § 1—5 de cond. inst. (28. 7.), L. 29 § 2 de test. mil. (29. 1.), L. 14 § 1 de leg. 3 (31. un.). — Mit Unrecht wird wohl darauf bezogen L. 112 § 4 de leg. 1 (30. un.), welche Stelle eher auf einen von dem Teſtator ſelbſt niedergeſchriebenen Eid zu deuten iſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0199" n="187"/><fw place="top" type="header">§. 123. Bedingung. Unſittliche. (Fortſetzung.)</fw><lb/> dadurch würde die Erwartung des Teſtators getäuſcht<lb/> werden. Dieſe mögliche Verleitung zur Unſittlichkeit, ver-<lb/> bunden mit dem höchſt unvollkommnen Schutz für den Wil-<lb/> len des Verſtorbenen, hat das Verbot veranlaßt <note place="foot" n="(q)">Irrige Erklärungsgründe<lb/> ſind folgende. Nach <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Walch</hi> opusc.<lb/> I.</hi> 191 die Lehre der Stoiker, daß<lb/> der Eid zu heilig ſey, um wegen<lb/> irdiſcher Vortheile gebraucht zu<lb/> werden. Allein wie paßt dazu das<lb/> von den Römern ſo hoch gehal-<lb/> tene und ſo häufig angewendete<lb/><hi rendition="#aq">jusjurandum delatum,</hi> welches ja<lb/> auch ſtets des Vermögens wegen<lb/> gebraucht wird? — <hi rendition="#g">Sell</hi> S. 235<lb/> meynt, es ſey ſchimpflich für den<lb/> Honorirten geweſen, daß man ſich<lb/> nicht mit ſeiner ohnehin vorhan-<lb/> denen Obligation zu der Hand-<lb/> lung begnügen wollte, ſondern<lb/> noch daneben, aus Mistrauen,<lb/> einen Eid forderte. Allein eben<lb/> jene andere Obligation iſt gar<lb/> nicht vorhanden (Note <hi rendition="#aq">o</hi>), und<lb/> wäre ſie da, ſo würde eine Be-<lb/> ſtärkung derſelben durch Eid eben<lb/> ſo wenig kränkend ſeyn, als eine<lb/> Beſtärkung durch Caution es iſt,<lb/> die doch gewiß der Teſtator nach<lb/> Belieben auflegen kann. <hi rendition="#g">Sell</hi><lb/> iſt getäuſcht worden durch die<lb/> Ausdrücke <hi rendition="#aq">turpis</hi> und <hi rendition="#aq">turpiter<lb/> (<hi rendition="#i">L.</hi> 8 <hi rendition="#i">pr. de cond. inst., L.</hi> 20<lb/><hi rendition="#i">de cond.</hi>);</hi> dieſe aber bedeuten<lb/> nicht nothwendig eine Beſchim-<lb/> pfung, ſondern auch Alles, wo-<lb/> durch ſittliche Intereſſen verletzt<lb/> oder gefährdet werden.</note>. Die<lb/> erſte Maasregel des Prätors beſteht nun darin, daß er<lb/> die Bedingung misbilligt und als nicht geſchrieben betrach-<lb/> tet (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">remittit</hi> Praetor conditionem</hi>) <note place="foot" n="(r)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 26 <hi rendition="#i">pr. L.</hi> 20 <hi rendition="#i">de cond.</hi><lb/> (35. 1.), <hi rendition="#i">L.</hi> 8 <hi rendition="#i">pr.</hi> § 1—5 <hi rendition="#i">de cond.<lb/> inst.</hi> (28. 7.), <hi rendition="#i">L.</hi> 29 § 2 <hi rendition="#i">de test.<lb/> mil.</hi> (29. 1.), <hi rendition="#i">L.</hi> 14 § 1 <hi rendition="#i">de leg.</hi> 3<lb/> (31. un.).</hi> — Mit Unrecht wird<lb/> wohl darauf bezogen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 112 § 4<lb/><hi rendition="#i">de leg.</hi> 1 (30. un.),</hi> welche Stelle<lb/> eher auf einen von dem Teſtator<lb/> ſelbſt niedergeſchriebenen Eid zu<lb/> deuten iſt.</note>. Bliebe er dabey<lb/> ſtehen, ſo wäre der Wille des Verſtorbenen, der ja doch<lb/> nicht etwas an ſich Schlechtes verlangte, eigenmächtig<lb/> verändert. Man hätte nun die zu beſchwörende Hand-<lb/> lung ſelbſt unmittelbar als Bedingung behandeln können<lb/> (und das nehmen wirklich Manche an); damit aber wäre<lb/> man über den Willen weit hinaus gegangen, denn die<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [187/0199]
§. 123. Bedingung. Unſittliche. (Fortſetzung.)
dadurch würde die Erwartung des Teſtators getäuſcht
werden. Dieſe mögliche Verleitung zur Unſittlichkeit, ver-
bunden mit dem höchſt unvollkommnen Schutz für den Wil-
len des Verſtorbenen, hat das Verbot veranlaßt (q). Die
erſte Maasregel des Prätors beſteht nun darin, daß er
die Bedingung misbilligt und als nicht geſchrieben betrach-
tet (remittit Praetor conditionem) (r). Bliebe er dabey
ſtehen, ſo wäre der Wille des Verſtorbenen, der ja doch
nicht etwas an ſich Schlechtes verlangte, eigenmächtig
verändert. Man hätte nun die zu beſchwörende Hand-
lung ſelbſt unmittelbar als Bedingung behandeln können
(und das nehmen wirklich Manche an); damit aber wäre
man über den Willen weit hinaus gegangen, denn die
(q) Irrige Erklärungsgründe
ſind folgende. Nach Walch opusc.
I. 191 die Lehre der Stoiker, daß
der Eid zu heilig ſey, um wegen
irdiſcher Vortheile gebraucht zu
werden. Allein wie paßt dazu das
von den Römern ſo hoch gehal-
tene und ſo häufig angewendete
jusjurandum delatum, welches ja
auch ſtets des Vermögens wegen
gebraucht wird? — Sell S. 235
meynt, es ſey ſchimpflich für den
Honorirten geweſen, daß man ſich
nicht mit ſeiner ohnehin vorhan-
denen Obligation zu der Hand-
lung begnügen wollte, ſondern
noch daneben, aus Mistrauen,
einen Eid forderte. Allein eben
jene andere Obligation iſt gar
nicht vorhanden (Note o), und
wäre ſie da, ſo würde eine Be-
ſtärkung derſelben durch Eid eben
ſo wenig kränkend ſeyn, als eine
Beſtärkung durch Caution es iſt,
die doch gewiß der Teſtator nach
Belieben auflegen kann. Sell
iſt getäuſcht worden durch die
Ausdrücke turpis und turpiter
(L. 8 pr. de cond. inst., L. 20
de cond.); dieſe aber bedeuten
nicht nothwendig eine Beſchim-
pfung, ſondern auch Alles, wo-
durch ſittliche Intereſſen verletzt
oder gefährdet werden.
(r) L. 26 pr. L. 20 de cond.
(35. 1.), L. 8 pr. § 1—5 de cond.
inst. (28. 7.), L. 29 § 2 de test.
mil. (29. 1.), L. 14 § 1 de leg. 3
(31. un.). — Mit Unrecht wird
wohl darauf bezogen L. 112 § 4
de leg. 1 (30. un.), welche Stelle
eher auf einen von dem Teſtator
ſelbſt niedergeſchriebenen Eid zu
deuten iſt.
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