Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
Bedingung geknüpft wird, dem Erben Fünf Millionen
Thaler unsres Geldes zu zahlen; dennoch wäre es nicht
undenkbar, daß irgend ein Reicher diese ungeheure Summe
für die Freyheit des Sklaven aufopfern wollte (t).

Nur diejenige Unmöglichkeit aber kann als solche gel-
ten, welche eine bleibende Natur hat, also nicht von dem
Wechsel der Zeit und der Umstände abhängt. Ist daher
ein Ereigniß zur Zeit des Rechtsgeschäfts möglich, so wird
es bey später eintretender Unmöglichkeit keinesweges in
eine unmögliche Bedingung verwandelt (welche neben einer
testamentarischen Verfügung als nicht geschrieben gelten
würde), sondern vielmehr in eine vereitelte, so daß dadurch
die Erbeinsetzung oder das Legat selbst entkräftet werden (u).
Eben so wird auch im umgekehrten Fall die zur Zeit des

(t) L. 6 de cond. inst. (26. 7.),
L. 4 § 1 de statulib. (40. 7.).
"... aut si tam difficilem, im-
mo pene impossibilem
conditio-
nem adjecerit, ut aliunde ea
libertas obtingere non possit,
veluti si heredi millies dedis-
set"
.... Die Vulgata liest mille
(könnte heißen 50 Thaler, oder
auch 50000, je nachdem man kleine
oder große Sesterze hinzudenkt),
was in diesem Zusammenhang
keinen befriedigenden Sinn giebt.
Die Florentinische Leseart miles
führt auf die sehr nahe liegende
Emendation milies für millies.
Dieses aber heißt tausendmal
100,000 Sesterze, oder Fünf Mil-
lionen Thaler, welches offenbar
das Richtige ist. -- Übrigens ist
hier nur von der Gleichstellung
der unerschwinglich hohen Summe
mit der Unmöglichkeit die Rede;
die in dieser Stelle enthaltene Ent-
scheidung des Falles selbst wird wei-
ter unten erklärt werden (§ 124. h).
(u) L. 94 pr. de cond. (35.
1.), L. 19 L. 20 § 3 de statulib.
(40. 7.), L. 23 § 2 ad L. Aquil.

(9. 2). -- So z. B. wenn ein Le-
gat an die Bedingung geknüpft
wird, daß der Legatar dem Ti-
tius Hundert gebe; stirbt Titius
nach gemachtem Testament, so ist
die Bedingung vereitelt, und das
Legat ist ungültig. Anders bey
der Freylassung unter gleicher Be-
dingung, weil diese hierin eine
besondere Begünstigung genießt.
Vgl. § 119. m und Sell S. 55.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
Bedingung geknüpft wird, dem Erben Fünf Millionen
Thaler unſres Geldes zu zahlen; dennoch wäre es nicht
undenkbar, daß irgend ein Reicher dieſe ungeheure Summe
für die Freyheit des Sklaven aufopfern wollte (t).

Nur diejenige Unmoͤglichkeit aber kann als ſolche gel-
ten, welche eine bleibende Natur hat, alſo nicht von dem
Wechſel der Zeit und der Umſtände abhängt. Iſt daher
ein Ereigniß zur Zeit des Rechtsgeſchäfts möglich, ſo wird
es bey ſpäter eintretender Unmöglichkeit keinesweges in
eine unmögliche Bedingung verwandelt (welche neben einer
teſtamentariſchen Verfügung als nicht geſchrieben gelten
würde), ſondern vielmehr in eine vereitelte, ſo daß dadurch
die Erbeinſetzung oder das Legat ſelbſt entkräftet werden (u).
Eben ſo wird auch im umgekehrten Fall die zur Zeit des

(t) L. 6 de cond. inst. (26. 7.),
L. 4 § 1 de statulib. (40. 7.).
„… aut si tam difficilem, im-
mo pene impossibilem
conditio-
nem adjecerit, ut aliunde ea
libertas obtingere non possit,
veluti si heredi millies dedis-
set”
.... Die Vulgata lieſt mille
(könnte heißen 50 Thaler, oder
auch 50000, je nachdem man kleine
oder große Seſterze hinzudenkt),
was in dieſem Zuſammenhang
keinen befriedigenden Sinn giebt.
Die Florentiniſche Leſeart miles
führt auf die ſehr nahe liegende
Emendation milies für millies.
Dieſes aber heißt tauſendmal
100,000 Seſterze, oder Fünf Mil-
lionen Thaler, welches offenbar
das Richtige iſt. — Übrigens iſt
hier nur von der Gleichſtellung
der unerſchwinglich hohen Summe
mit der Unmöglichkeit die Rede;
die in dieſer Stelle enthaltene Ent-
ſcheidung des Falles ſelbſt wird wei-
ter unten erklärt werden (§ 124. h).
(u) L. 94 pr. de cond. (35.
1.), L. 19 L. 20 § 3 de statulib.
(40. 7.), L. 23 § 2 ad L. Aquil.

(9. 2). — So z. B. wenn ein Le-
gat an die Bedingung geknüpft
wird, daß der Legatar dem Ti-
tius Hundert gebe; ſtirbt Titius
nach gemachtem Teſtament, ſo iſt
die Bedingung vereitelt, und das
Legat iſt ungültig. Anders bey
der Freylaſſung unter gleicher Be-
dingung, weil dieſe hierin eine
beſondere Begünſtigung genießt.
Vgl. § 119. m und Sell S. 55.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0178" n="166"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Ent&#x017F;tehung und Untergang.</fw><lb/>
Bedingung geknüpft wird, dem Erben Fünf Millionen<lb/>
Thaler un&#x017F;res Geldes zu zahlen; dennoch wäre es nicht<lb/>
undenkbar, daß irgend ein Reicher die&#x017F;e ungeheure Summe<lb/>
für die Freyheit des Sklaven aufopfern wollte <note place="foot" n="(t)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 6 <hi rendition="#i">de cond. inst.</hi> (26. 7.),<lb/><hi rendition="#i">L.</hi> 4 § 1 <hi rendition="#i">de statulib.</hi> (40. 7.).<lb/>
&#x201E;&#x2026; aut si <hi rendition="#i">tam difficilem, im-<lb/>
mo pene impossibilem</hi> conditio-<lb/>
nem adjecerit, ut aliunde ea<lb/>
libertas obtingere non possit,<lb/>
veluti si heredi millies dedis-<lb/>
set&#x201D;</hi> .... Die Vulgata lie&#x017F;t <hi rendition="#aq">mille</hi><lb/>
(könnte heißen 50 Thaler, oder<lb/>
auch 50000, je nachdem man kleine<lb/>
oder große Se&#x017F;terze hinzudenkt),<lb/>
was in die&#x017F;em Zu&#x017F;ammenhang<lb/>
keinen befriedigenden Sinn giebt.<lb/>
Die Florentini&#x017F;che Le&#x017F;eart <hi rendition="#aq">miles</hi><lb/>
führt auf die &#x017F;ehr nahe liegende<lb/>
Emendation <hi rendition="#aq">milies</hi> für <hi rendition="#aq">millies.</hi><lb/>
Die&#x017F;es aber heißt tau&#x017F;endmal<lb/>
100,000 Se&#x017F;terze, oder Fünf Mil-<lb/>
lionen Thaler, welches offenbar<lb/>
das Richtige i&#x017F;t. &#x2014; Übrigens i&#x017F;t<lb/>
hier nur von der Gleich&#x017F;tellung<lb/>
der uner&#x017F;chwinglich hohen Summe<lb/>
mit der Unmöglichkeit die Rede;<lb/>
die in die&#x017F;er Stelle enthaltene Ent-<lb/>
&#x017F;cheidung des Falles &#x017F;elb&#x017F;t wird wei-<lb/>
ter unten erklärt werden (§ 124. <hi rendition="#aq">h</hi>).</note>.</p><lb/>
            <p>Nur diejenige Unmo&#x0364;glichkeit aber kann als &#x017F;olche gel-<lb/>
ten, welche eine bleibende Natur hat, al&#x017F;o nicht von dem<lb/>
Wech&#x017F;el der Zeit und der Um&#x017F;tände abhängt. I&#x017F;t daher<lb/>
ein Ereigniß zur Zeit des Rechtsge&#x017F;chäfts möglich, &#x017F;o wird<lb/>
es bey &#x017F;päter eintretender Unmöglichkeit keinesweges in<lb/>
eine unmögliche Bedingung verwandelt (welche neben einer<lb/>
te&#x017F;tamentari&#x017F;chen Verfügung als nicht ge&#x017F;chrieben gelten<lb/>
würde), &#x017F;ondern vielmehr in eine vereitelte, &#x017F;o daß dadurch<lb/>
die Erbein&#x017F;etzung oder das Legat &#x017F;elb&#x017F;t entkräftet werden <note place="foot" n="(u)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 94 <hi rendition="#i">pr. de cond.</hi> (35.<lb/>
1.), <hi rendition="#i">L.</hi> 19 <hi rendition="#i">L.</hi> 20 § 3 <hi rendition="#i">de statulib.</hi><lb/>
(40. 7.), <hi rendition="#i">L.</hi> 23 § 2 <hi rendition="#i">ad L. Aquil.</hi></hi><lb/>
(9. 2). &#x2014; So z. B. wenn ein Le-<lb/>
gat an die Bedingung geknüpft<lb/>
wird, daß der Legatar dem Ti-<lb/>
tius Hundert gebe; &#x017F;tirbt Titius<lb/>
nach gemachtem Te&#x017F;tament, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
die Bedingung vereitelt, und das<lb/>
Legat i&#x017F;t ungültig. Anders bey<lb/>
der Freyla&#x017F;&#x017F;ung unter gleicher Be-<lb/>
dingung, weil die&#x017F;e hierin eine<lb/>
be&#x017F;ondere Begün&#x017F;tigung genießt.<lb/>
Vgl. § 119. <hi rendition="#aq">m</hi> und <hi rendition="#g">Sell</hi> S. 55.</note>.<lb/>
Eben &#x017F;o wird auch im umgekehrten Fall die zur Zeit des<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0178] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. Bedingung geknüpft wird, dem Erben Fünf Millionen Thaler unſres Geldes zu zahlen; dennoch wäre es nicht undenkbar, daß irgend ein Reicher dieſe ungeheure Summe für die Freyheit des Sklaven aufopfern wollte (t). Nur diejenige Unmoͤglichkeit aber kann als ſolche gel- ten, welche eine bleibende Natur hat, alſo nicht von dem Wechſel der Zeit und der Umſtände abhängt. Iſt daher ein Ereigniß zur Zeit des Rechtsgeſchäfts möglich, ſo wird es bey ſpäter eintretender Unmöglichkeit keinesweges in eine unmögliche Bedingung verwandelt (welche neben einer teſtamentariſchen Verfügung als nicht geſchrieben gelten würde), ſondern vielmehr in eine vereitelte, ſo daß dadurch die Erbeinſetzung oder das Legat ſelbſt entkräftet werden (u). Eben ſo wird auch im umgekehrten Fall die zur Zeit des (t) L. 6 de cond. inst. (26. 7.), L. 4 § 1 de statulib. (40. 7.). „… aut si tam difficilem, im- mo pene impossibilem conditio- nem adjecerit, ut aliunde ea libertas obtingere non possit, veluti si heredi millies dedis- set” .... Die Vulgata lieſt mille (könnte heißen 50 Thaler, oder auch 50000, je nachdem man kleine oder große Seſterze hinzudenkt), was in dieſem Zuſammenhang keinen befriedigenden Sinn giebt. Die Florentiniſche Leſeart miles führt auf die ſehr nahe liegende Emendation milies für millies. Dieſes aber heißt tauſendmal 100,000 Seſterze, oder Fünf Mil- lionen Thaler, welches offenbar das Richtige iſt. — Übrigens iſt hier nur von der Gleichſtellung der unerſchwinglich hohen Summe mit der Unmöglichkeit die Rede; die in dieſer Stelle enthaltene Ent- ſcheidung des Falles ſelbſt wird wei- ter unten erklärt werden (§ 124. h). (u) L. 94 pr. de cond. (35. 1.), L. 19 L. 20 § 3 de statulib. (40. 7.), L. 23 § 2 ad L. Aquil. (9. 2). — So z. B. wenn ein Le- gat an die Bedingung geknüpft wird, daß der Legatar dem Ti- tius Hundert gebe; ſtirbt Titius nach gemachtem Teſtament, ſo iſt die Bedingung vereitelt, und das Legat iſt ungültig. Anders bey der Freylaſſung unter gleicher Be- dingung, weil dieſe hierin eine beſondere Begünſtigung genießt. Vgl. § 119. m und Sell S. 55.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/178
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/178>, abgerufen am 24.11.2024.