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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
wart liegend ausgedrückt hat (§ 116). Zeigt sich eine
solche hinterher als vereitelt, wenngleich der Testator dar-
über wirklich in Ungewißheit war, so ist die daran ge-
knüpfte Verfügung entkräftet (p). Auf diesen Fall ist also
die Regel, nach welcher die unmögliche Bedingung als
nicht geschrieben gelten soll, gar nicht anzuwenden, und
der Grund der Unanwendbarkeit liegt darin, daß eine solche
Bestimmung überhaupt gar nicht Bedingung ist, sondern
nur den äußeren Schein einer Bedingung an sich trägt.

Ist die Bedingung theilweise möglich, theilweise un-
möglich, so gilt der unmögliche Theil als nicht geschrieben,
der mögliche besteht als gültige Bedingung (q).

Die aufgestellte Regel gilt ferner nicht nur bey solchen
Ereignissen, die nach Naturgesetzen an sich nicht vorkom-
men können (absolut unmögliche), sondern auch bey denen,
deren Erfüllung durch zufällige Umstände ausgeschlossen
wird, anstatt daß sie unter anderen Umständen möglich
seyn würden (relativ unmögliche). So z. B. Zahlung an
eine individuell bezeichnete Person, oder Freylassung be-
stimmter Sklaven, wenn diese entweder nie gelebt haben,
oder zur Zeit des Rechtsgeschäfts schon gestorben waren;
Tilgung einer Schuld, wenn diese gar nicht vorhanden
ist (r). -- Ja auch diejenigen Ereignisse sind als unmög-

(p) L. 16 de injusto (28. 3.),
deren größter Theil von diesem
Fall handelt, und worin nur am
Schluß auf die entgegengesetzte
Behandlung der wirklichen, aber
unmöglichen, Bedingungen über-
gegangen wird.
(q) L. 45 de her. inst. (28.
5.), L. 6 § 1 de cond.
(35. 1.).
(r) L. 72 § 7, L. 6 § 1 de
cond.
(35. 1.), L. 45 de her. inst.
(28. 5.), L. 26 § 1 de statulib.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
wart liegend ausgedrückt hat (§ 116). Zeigt ſich eine
ſolche hinterher als vereitelt, wenngleich der Teſtator dar-
über wirklich in Ungewißheit war, ſo iſt die daran ge-
knüpfte Verfügung entkräftet (p). Auf dieſen Fall iſt alſo
die Regel, nach welcher die unmögliche Bedingung als
nicht geſchrieben gelten ſoll, gar nicht anzuwenden, und
der Grund der Unanwendbarkeit liegt darin, daß eine ſolche
Beſtimmung überhaupt gar nicht Bedingung iſt, ſondern
nur den äußeren Schein einer Bedingung an ſich trägt.

Iſt die Bedingung theilweiſe möglich, theilweiſe un-
möglich, ſo gilt der unmögliche Theil als nicht geſchrieben,
der mögliche beſteht als gültige Bedingung (q).

Die aufgeſtellte Regel gilt ferner nicht nur bey ſolchen
Ereigniſſen, die nach Naturgeſetzen an ſich nicht vorkom-
men können (abſolut unmoͤgliche), ſondern auch bey denen,
deren Erfüllung durch zufällige Umſtände ausgeſchloſſen
wird, anſtatt daß ſie unter anderen Umſtänden möglich
ſeyn würden (relativ unmögliche). So z. B. Zahlung an
eine individuell bezeichnete Perſon, oder Freylaſſung be-
ſtimmter Sklaven, wenn dieſe entweder nie gelebt haben,
oder zur Zeit des Rechtsgeſchäfts ſchon geſtorben waren;
Tilgung einer Schuld, wenn dieſe gar nicht vorhanden
iſt (r). — Ja auch diejenigen Ereigniſſe ſind als unmög-

(p) L. 16 de injusto (28. 3.),
deren größter Theil von dieſem
Fall handelt, und worin nur am
Schluß auf die entgegengeſetzte
Behandlung der wirklichen, aber
unmöglichen, Bedingungen über-
gegangen wird.
(q) L. 45 de her. inst. (28.
5.), L. 6 § 1 de cond.
(35. 1.).
(r) L. 72 § 7, L. 6 § 1 de
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[164/0176] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. wart liegend ausgedrückt hat (§ 116). Zeigt ſich eine ſolche hinterher als vereitelt, wenngleich der Teſtator dar- über wirklich in Ungewißheit war, ſo iſt die daran ge- knüpfte Verfügung entkräftet (p). Auf dieſen Fall iſt alſo die Regel, nach welcher die unmögliche Bedingung als nicht geſchrieben gelten ſoll, gar nicht anzuwenden, und der Grund der Unanwendbarkeit liegt darin, daß eine ſolche Beſtimmung überhaupt gar nicht Bedingung iſt, ſondern nur den äußeren Schein einer Bedingung an ſich trägt. Iſt die Bedingung theilweiſe möglich, theilweiſe un- möglich, ſo gilt der unmögliche Theil als nicht geſchrieben, der mögliche beſteht als gültige Bedingung (q). Die aufgeſtellte Regel gilt ferner nicht nur bey ſolchen Ereigniſſen, die nach Naturgeſetzen an ſich nicht vorkom- men können (abſolut unmoͤgliche), ſondern auch bey denen, deren Erfüllung durch zufällige Umſtände ausgeſchloſſen wird, anſtatt daß ſie unter anderen Umſtänden möglich ſeyn würden (relativ unmögliche). So z. B. Zahlung an eine individuell bezeichnete Perſon, oder Freylaſſung be- ſtimmter Sklaven, wenn dieſe entweder nie gelebt haben, oder zur Zeit des Rechtsgeſchäfts ſchon geſtorben waren; Tilgung einer Schuld, wenn dieſe gar nicht vorhanden iſt (r). — Ja auch diejenigen Ereigniſſe ſind als unmög- (p) L. 16 de injusto (28. 3.), deren größter Theil von dieſem Fall handelt, und worin nur am Schluß auf die entgegengeſetzte Behandlung der wirklichen, aber unmöglichen, Bedingungen über- gegangen wird. (q) L. 45 de her. inst. (28. 5.), L. 6 § 1 de cond. (35. 1.). (r) L. 72 § 7, L. 6 § 1 de cond. (35. 1.), L. 45 de her. inst. (28. 5.), L. 26 § 1 de statulib.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/176>, abgerufen am 24.11.2024.