Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.§. 119. Bedingung. Fingirte Erfüllung. Auch diese Fiction wird als eine natürliche Regel be- Sie gilt nicht blos bey Bedingungen, die auf freyen Die Person, durch deren hindernde Einwirkung die hat, sondern nur in dem beson- deren Fall, da die Bedingung ge- rade in einer an ihn zu entrich- tenden Leistung besteht. -- Der- selbe Rechtssatz findet sich auch in dem Französischen Code civil art. 1178, und in dem Preußischen A. L. R. Th. 1 Tit. 4 § 104--107 (doch hier mit Beschränkungen). (h) Die hierauf gerichtete Ab- sicht also ist das Entscheidende. L. 38 de statulib. (40. 7.). "Non omne ab heredis persona in- terveniens impedimentum sta- tulibero pro expleta condi- tione cedit: sed id dumtaxat, quod impediendae libertatis (causa) factum est." Das Wort causa fehlt zwar in der Flor., steht aber in allen anderen Hand- schriften, und ist schon durch die Construction ganz unentbehrlich. -- In vielen Fällen wird von ei- nem solchen Dolus gar nicht die Rede seyn können, und dann wird auch nicht die Erfüllung fingirt. So z. B. wenn Einer unter ei- ner Conventionalstrafe eine Un- terlassung verspricht, und nun wirklich unterläßt, so ist blos sein freyer Wille Ursache der vereitel- ten Bedingung der Strafe; den- noch braucht er nicht die Strafe zu zahlen, weil sein Unterlassen gerade der Zweck des Vertrags war. (i) So z. B. wenn der Testa- tor einen Sklaven frey läßt, un- ter der Bedingung dem Erben 100 zu zahlen. Verweigert der Erbe die Annahme, weil er dem Sklaven die Summe erlassen will, so tritt die erste Fiction ein: ver- weigert er die Annahme, um die Freyheit zu hindern, die zweyte. (k) So z. B. wenn die Bedin-
§. 119. Bedingung. Fingirte Erfüllung. Auch dieſe Fiction wird als eine natürliche Regel be- Sie gilt nicht blos bey Bedingungen, die auf freyen Die Perſon, durch deren hindernde Einwirkung die hat, ſondern nur in dem beſon- deren Fall, da die Bedingung ge- rade in einer an ihn zu entrich- tenden Leiſtung beſteht. — Der- ſelbe Rechtsſatz findet ſich auch in dem Franzöſiſchen Code civil art. 1178, und in dem Preußiſchen A. L. R. Th. 1 Tit. 4 § 104—107 (doch hier mit Beſchränkungen). (h) Die hierauf gerichtete Ab- ſicht alſo iſt das Entſcheidende. L. 38 de statulib. (40. 7.). „Non omne ab heredis persona in- terveniens impedimentum sta- tulibero pro expleta condi- tione cedit: sed id dumtaxat, quod impediendae libertatis (causa) factum est.” Das Wort causa fehlt zwar in der Flor., ſteht aber in allen anderen Hand- ſchriften, und iſt ſchon durch die Conſtruction ganz unentbehrlich. — In vielen Fällen wird von ei- nem ſolchen Dolus gar nicht die Rede ſeyn können, und dann wird auch nicht die Erfüllung fingirt. So z. B. wenn Einer unter ei- ner Conventionalſtrafe eine Un- terlaſſung verſpricht, und nun wirklich unterläßt, ſo iſt blos ſein freyer Wille Urſache der vereitel- ten Bedingung der Strafe; den- noch braucht er nicht die Strafe zu zahlen, weil ſein Unterlaſſen gerade der Zweck des Vertrags war. (i) So z. B. wenn der Teſta- tor einen Sklaven frey läßt, un- ter der Bedingung dem Erben 100 zu zahlen. Verweigert der Erbe die Annahme, weil er dem Sklaven die Summe erlaſſen will, ſo tritt die erſte Fiction ein: ver- weigert er die Annahme, um die Freyheit zu hindern, die zweyte. (k) So z. B. wenn die Bedin-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0153" n="141"/> <fw place="top" type="header">§. 119. Bedingung. Fingirte Erfüllung.</fw><lb/> <p>Auch dieſe Fiction wird als eine natürliche Regel be-<lb/> trachtet. Der Grund derſelben liegt in dem Dolus Des-<lb/> jenigen, der aus Eigennutz den durch die Willenserklärung<lb/> in die Bedingung gelegten Charakter der Zufälligkeit und<lb/> Ungewißheit aufhebt; dieſer Dolus ſoll ihm keinen Vortheil<lb/> bringen <note place="foot" n="(h)">Die hierauf gerichtete Ab-<lb/> ſicht alſo iſt das Entſcheidende.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 38 <hi rendition="#i">de statulib.</hi> (40. 7.). „Non<lb/> omne ab heredis persona in-<lb/> terveniens impedimentum sta-<lb/> tulibero pro expleta condi-<lb/> tione cedit: sed id dumtaxat,<lb/><hi rendition="#i">quod impediendae libertatis</hi><lb/> (<hi rendition="#i">causa</hi>) <hi rendition="#i">factum est.</hi>”</hi> Das Wort<lb/><hi rendition="#aq">causa</hi> fehlt zwar in der <hi rendition="#aq">Flor.,</hi><lb/> ſteht aber in allen anderen Hand-<lb/> ſchriften, und iſt ſchon durch die<lb/> Conſtruction ganz unentbehrlich.<lb/> — In vielen Fällen wird von ei-<lb/> nem ſolchen Dolus gar nicht die<lb/> Rede ſeyn können, und dann wird<lb/> auch nicht die Erfüllung fingirt.<lb/> So z. B. wenn Einer unter ei-<lb/> ner Conventionalſtrafe eine Un-<lb/> terlaſſung verſpricht, und nun<lb/> wirklich unterläßt, ſo iſt blos ſein<lb/> freyer Wille Urſache der vereitel-<lb/> ten Bedingung der Strafe; den-<lb/> noch braucht er nicht die Strafe<lb/> zu zahlen, weil ſein Unterlaſſen<lb/> gerade der Zweck des Vertrags<lb/> war.</note>.</p><lb/> <p>Sie gilt nicht blos bey Bedingungen, die auf freyen<lb/> Handlungen beruhen, ſondern auch bey der <hi rendition="#aq">casualis con-<lb/> ditio,</hi> da bey dieſer ein poſitives Entgegenwirken durch<lb/> menſchliche Willkühr wohl denkbar iſt.</p><lb/> <p>Die Perſon, durch deren hindernde Einwirkung die<lb/> Fiction begründet wird, iſt oft dieſelbe, welche in der er-<lb/> ſten Fiction erwähnt war <note place="foot" n="(i)">So z. B. wenn der Teſta-<lb/> tor einen Sklaven frey läßt, un-<lb/> ter der Bedingung dem Erben<lb/> 100 zu zahlen. Verweigert der<lb/> Erbe die Annahme, weil er dem<lb/> Sklaven die Summe erlaſſen will,<lb/> ſo tritt die erſte Fiction ein: ver-<lb/> weigert er die Annahme, um die<lb/> Freyheit zu hindern, die zweyte.</note>, oft auch eine andere <note xml:id="seg2pn_26_1" next="#seg2pn_26_2" place="foot" n="(k)">So z. B. wenn die Bedin-</note>.</p><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_25_2" prev="#seg2pn_25_1" place="foot" n="(g)">hat, ſondern nur in dem beſon-<lb/> deren Fall, da die Bedingung ge-<lb/> rade in einer an ihn zu entrich-<lb/> tenden Leiſtung beſteht. — Der-<lb/> ſelbe Rechtsſatz findet ſich auch in<lb/> dem Franzöſiſchen <hi rendition="#aq">Code civil art.</hi><lb/> 1178, und in dem Preußiſchen<lb/> A. L. R. Th. 1 Tit. 4 § 104—107<lb/> (doch hier mit Beſchränkungen).</note> </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [141/0153]
§. 119. Bedingung. Fingirte Erfüllung.
Auch dieſe Fiction wird als eine natürliche Regel be-
trachtet. Der Grund derſelben liegt in dem Dolus Des-
jenigen, der aus Eigennutz den durch die Willenserklärung
in die Bedingung gelegten Charakter der Zufälligkeit und
Ungewißheit aufhebt; dieſer Dolus ſoll ihm keinen Vortheil
bringen (h).
Sie gilt nicht blos bey Bedingungen, die auf freyen
Handlungen beruhen, ſondern auch bey der casualis con-
ditio, da bey dieſer ein poſitives Entgegenwirken durch
menſchliche Willkühr wohl denkbar iſt.
Die Perſon, durch deren hindernde Einwirkung die
Fiction begründet wird, iſt oft dieſelbe, welche in der er-
ſten Fiction erwähnt war (i), oft auch eine andere (k).
(g)
(h) Die hierauf gerichtete Ab-
ſicht alſo iſt das Entſcheidende.
L. 38 de statulib. (40. 7.). „Non
omne ab heredis persona in-
terveniens impedimentum sta-
tulibero pro expleta condi-
tione cedit: sed id dumtaxat,
quod impediendae libertatis
(causa) factum est.” Das Wort
causa fehlt zwar in der Flor.,
ſteht aber in allen anderen Hand-
ſchriften, und iſt ſchon durch die
Conſtruction ganz unentbehrlich.
— In vielen Fällen wird von ei-
nem ſolchen Dolus gar nicht die
Rede ſeyn können, und dann wird
auch nicht die Erfüllung fingirt.
So z. B. wenn Einer unter ei-
ner Conventionalſtrafe eine Un-
terlaſſung verſpricht, und nun
wirklich unterläßt, ſo iſt blos ſein
freyer Wille Urſache der vereitel-
ten Bedingung der Strafe; den-
noch braucht er nicht die Strafe
zu zahlen, weil ſein Unterlaſſen
gerade der Zweck des Vertrags
war.
(i) So z. B. wenn der Teſta-
tor einen Sklaven frey läßt, un-
ter der Bedingung dem Erben
100 zu zahlen. Verweigert der
Erbe die Annahme, weil er dem
Sklaven die Summe erlaſſen will,
ſo tritt die erſte Fiction ein: ver-
weigert er die Annahme, um die
Freyheit zu hindern, die zweyte.
(k) So z. B. wenn die Bedin-
(g) hat, ſondern nur in dem beſon-
deren Fall, da die Bedingung ge-
rade in einer an ihn zu entrich-
tenden Leiſtung beſteht. — Der-
ſelbe Rechtsſatz findet ſich auch in
dem Franzöſiſchen Code civil art.
1178, und in dem Preußiſchen
A. L. R. Th. 1 Tit. 4 § 104—107
(doch hier mit Beſchränkungen).
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/153 |
Zitationshilfe: | Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/153>, abgerufen am 24.07.2024. |