Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
wichtig, als dessen Behandlung unzweifelhaft ist. Er ist
unwichtig, weil er nur höchst selten vorkommen kann.
Denn wo die Angst diesen höchsten Grad erreicht, in wel-
chem sie den Menschen wahrhaft bewußtlos macht, da
wird meist auch nicht die Möglichkeit einer scheinbaren
Thätigkeit zurück bleiben; es wird vielmehr eine Ohn-
macht erfolgen, oder wenigstens die gänzliche Unfähigkeit
zu jeder Aeßerung, die als eine Willenserklärung fälsch-
lich ausgelegt werden könnte.

Die ganze Frage übrigens, die hier für das Privat-
recht aufgeworfen und beantwortet worden ist, kommt
auch im Criminalrecht vor, und hat auch hier ähnliche
Schicksale gehabt, wie im Privatrecht. Das Princip ist
auch hier dasselbe. Wer durch Drohungen bestimmt wird,
ein Verbrechen zu begehen, handelt frey, und ist zurech-
nungsfähig, mit Ausnahme der seltenen Fälle, worin die
Angst zur wahren Bewußtlosigkeit wird. Allein die prak-
tische Behandlung wird hier eine ganz andere. Von einer
indirecten Ungültigkeit (per exceptionem) kann im Crimi-
nalrecht natürlich nicht die Rede seyn; dagegen wird hier
die Drohung zuweilen Grund einer Milderung oder selbst
der Straflosigkeit seyn. Die genauere Ausführung dieser
Frage kann hier nicht unternommen werden.


Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
wichtig, als deſſen Behandlung unzweifelhaft iſt. Er iſt
unwichtig, weil er nur höchſt ſelten vorkommen kann.
Denn wo die Angſt dieſen höchſten Grad erreicht, in wel-
chem ſie den Menſchen wahrhaft bewußtlos macht, da
wird meiſt auch nicht die Möglichkeit einer ſcheinbaren
Thätigkeit zurück bleiben; es wird vielmehr eine Ohn-
macht erfolgen, oder wenigſtens die gänzliche Unfähigkeit
zu jeder Aeßerung, die als eine Willenserklärung fälſch-
lich ausgelegt werden könnte.

Die ganze Frage übrigens, die hier für das Privat-
recht aufgeworfen und beantwortet worden iſt, kommt
auch im Criminalrecht vor, und hat auch hier ähnliche
Schickſale gehabt, wie im Privatrecht. Das Princip iſt
auch hier daſſelbe. Wer durch Drohungen beſtimmt wird,
ein Verbrechen zu begehen, handelt frey, und iſt zurech-
nungsfähig, mit Ausnahme der ſeltenen Fälle, worin die
Angſt zur wahren Bewußtloſigkeit wird. Allein die prak-
tiſche Behandlung wird hier eine ganz andere. Von einer
indirecten Ungültigkeit (per exceptionem) kann im Crimi-
nalrecht natürlich nicht die Rede ſeyn; dagegen wird hier
die Drohung zuweilen Grund einer Milderung oder ſelbſt
der Strafloſigkeit ſeyn. Die genauere Ausführung dieſer
Frage kann hier nicht unternommen werden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0122" n="110"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Ent&#x017F;tehung und Untergang.</fw><lb/>
wichtig, als de&#x017F;&#x017F;en Behandlung unzweifelhaft i&#x017F;t. Er i&#x017F;t<lb/>
unwichtig, weil er nur höch&#x017F;t &#x017F;elten vorkommen kann.<lb/>
Denn wo die Ang&#x017F;t die&#x017F;en höch&#x017F;ten Grad erreicht, in wel-<lb/>
chem &#x017F;ie den Men&#x017F;chen wahrhaft bewußtlos macht, da<lb/>
wird mei&#x017F;t auch nicht die Möglichkeit einer &#x017F;cheinbaren<lb/>
Thätigkeit zurück bleiben; es wird vielmehr eine Ohn-<lb/>
macht erfolgen, oder wenig&#x017F;tens die gänzliche Unfähigkeit<lb/>
zu jeder Aeßerung, die als eine Willenserklärung fäl&#x017F;ch-<lb/>
lich ausgelegt werden könnte.</p><lb/>
            <p>Die ganze Frage übrigens, die hier für das Privat-<lb/>
recht aufgeworfen und beantwortet worden i&#x017F;t, kommt<lb/>
auch im Criminalrecht vor, und hat auch hier ähnliche<lb/>
Schick&#x017F;ale gehabt, wie im Privatrecht. Das Princip i&#x017F;t<lb/>
auch hier da&#x017F;&#x017F;elbe. Wer durch Drohungen be&#x017F;timmt wird,<lb/>
ein Verbrechen zu begehen, handelt frey, und i&#x017F;t zurech-<lb/>
nungsfähig, mit Ausnahme der &#x017F;eltenen Fälle, worin die<lb/>
Ang&#x017F;t zur wahren Bewußtlo&#x017F;igkeit wird. Allein die prak-<lb/>
ti&#x017F;che Behandlung wird hier eine ganz andere. Von einer<lb/>
indirecten Ungültigkeit <hi rendition="#aq">(per exceptionem)</hi> kann im Crimi-<lb/>
nalrecht natürlich nicht die Rede &#x017F;eyn; dagegen wird hier<lb/>
die Drohung zuweilen Grund einer Milderung oder &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
der Straflo&#x017F;igkeit &#x017F;eyn. Die genauere Ausführung die&#x017F;er<lb/>
Frage kann hier nicht unternommen werden.</p>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0122] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. wichtig, als deſſen Behandlung unzweifelhaft iſt. Er iſt unwichtig, weil er nur höchſt ſelten vorkommen kann. Denn wo die Angſt dieſen höchſten Grad erreicht, in wel- chem ſie den Menſchen wahrhaft bewußtlos macht, da wird meiſt auch nicht die Möglichkeit einer ſcheinbaren Thätigkeit zurück bleiben; es wird vielmehr eine Ohn- macht erfolgen, oder wenigſtens die gänzliche Unfähigkeit zu jeder Aeßerung, die als eine Willenserklärung fälſch- lich ausgelegt werden könnte. Die ganze Frage übrigens, die hier für das Privat- recht aufgeworfen und beantwortet worden iſt, kommt auch im Criminalrecht vor, und hat auch hier ähnliche Schickſale gehabt, wie im Privatrecht. Das Princip iſt auch hier daſſelbe. Wer durch Drohungen beſtimmt wird, ein Verbrechen zu begehen, handelt frey, und iſt zurech- nungsfähig, mit Ausnahme der ſeltenen Fälle, worin die Angſt zur wahren Bewußtloſigkeit wird. Allein die prak- tiſche Behandlung wird hier eine ganz andere. Von einer indirecten Ungültigkeit (per exceptionem) kann im Crimi- nalrecht natürlich nicht die Rede ſeyn; dagegen wird hier die Drohung zuweilen Grund einer Milderung oder ſelbſt der Strafloſigkeit ſeyn. Die genauere Ausführung dieſer Frage kann hier nicht unternommen werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/122
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/122>, abgerufen am 25.11.2024.