dieses Rechtsschutzes nicht in die mangelnde Willensfrey- heit des Fürchtenden, sondern in die rechtswidrige Unsitt- lichkeit des Drohenden, gesetzt werden.
Um die hier bekämpfte Meynung, nach welcher der Zwang das Daseyn des freyen Wollens ausschließen soll, völlig zu beseitigen, ist es nöthig, zum Schluß noch eine mögliche Gestalt derselben zu erwähnen, welche mehreren ihrer Vertheidiger, wenn auch nicht ganz deutlich gedacht, vorgeschwebt zu haben scheint. Man kann sich nämlich den durch die Drohung erzeugten Seelenzustand in Gedan- ken so steigern, daß er dem Wahnsinn oder der äußersten Trunkenheit gleichartig wird, in welchem Fall der so Ge- ängstete in der That nicht mehr weiß was er thut oder redet, also wirklich bewußtlos ist. In diesem Fall ist nun in Wahrheit gar kein Wille vorhanden (§ 112), und kein Richter wird darüber im Zweifel seyn. Dabey ist es auch ganz gleichgültig, ob diese Art der Bewußtlosigkeit durch menschlichen bösen Willen, oder durch Naturereignisse, viel- leicht blos durch die Einbildungskraft eines höchst furcht- samen Menschen, hervorgebracht worden ist. Das Rö- mische Recht denkt entschieden gar nicht an diesen Fall, theils weil in demselben gewiß Alles ipso jure nichtig seyn würde, theils weil die Drohung als Grund der Furcht dabey gleichgültig ist, die doch das Römische Recht als unerläßliche Bedingung seiner indirecten Schutzanstalten fordert. Dieser Fall ist aber auch praktisch eben so un-
§. 114. Zwang und Irrthum.
dieſes Rechtsſchutzes nicht in die mangelnde Willensfrey- heit des Fürchtenden, ſondern in die rechtswidrige Unſitt- lichkeit des Drohenden, geſetzt werden.
Um die hier bekämpfte Meynung, nach welcher der Zwang das Daſeyn des freyen Wollens ausſchließen ſoll, völlig zu beſeitigen, iſt es nöthig, zum Schluß noch eine mögliche Geſtalt derſelben zu erwähnen, welche mehreren ihrer Vertheidiger, wenn auch nicht ganz deutlich gedacht, vorgeſchwebt zu haben ſcheint. Man kann ſich nämlich den durch die Drohung erzeugten Seelenzuſtand in Gedan- ken ſo ſteigern, daß er dem Wahnſinn oder der äußerſten Trunkenheit gleichartig wird, in welchem Fall der ſo Ge- ängſtete in der That nicht mehr weiß was er thut oder redet, alſo wirklich bewußtlos iſt. In dieſem Fall iſt nun in Wahrheit gar kein Wille vorhanden (§ 112), und kein Richter wird darüber im Zweifel ſeyn. Dabey iſt es auch ganz gleichgültig, ob dieſe Art der Bewußtloſigkeit durch menſchlichen böſen Willen, oder durch Naturereigniſſe, viel- leicht blos durch die Einbildungskraft eines höchſt furcht- ſamen Menſchen, hervorgebracht worden iſt. Das Roͤ- miſche Recht denkt entſchieden gar nicht an dieſen Fall, theils weil in demſelben gewiß Alles ipso jure nichtig ſeyn würde, theils weil die Drohung als Grund der Furcht dabey gleichgültig iſt, die doch das Roͤmiſche Recht als unerläßliche Bedingung ſeiner indirecten Schutzanſtalten fordert. Dieſer Fall iſt aber auch praktiſch eben ſo un-
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§. 114. Zwang und Irrthum.
dieſes Rechtsſchutzes nicht in die mangelnde Willensfrey-
heit des Fürchtenden, ſondern in die rechtswidrige Unſitt-
lichkeit des Drohenden, geſetzt werden.
Um die hier bekämpfte Meynung, nach welcher der
Zwang das Daſeyn des freyen Wollens ausſchließen ſoll,
völlig zu beſeitigen, iſt es nöthig, zum Schluß noch eine
mögliche Geſtalt derſelben zu erwähnen, welche mehreren
ihrer Vertheidiger, wenn auch nicht ganz deutlich gedacht,
vorgeſchwebt zu haben ſcheint. Man kann ſich nämlich
den durch die Drohung erzeugten Seelenzuſtand in Gedan-
ken ſo ſteigern, daß er dem Wahnſinn oder der äußerſten
Trunkenheit gleichartig wird, in welchem Fall der ſo Ge-
ängſtete in der That nicht mehr weiß was er thut oder
redet, alſo wirklich bewußtlos iſt. In dieſem Fall iſt nun
in Wahrheit gar kein Wille vorhanden (§ 112), und kein
Richter wird darüber im Zweifel ſeyn. Dabey iſt es auch
ganz gleichgültig, ob dieſe Art der Bewußtloſigkeit durch
menſchlichen böſen Willen, oder durch Naturereigniſſe, viel-
leicht blos durch die Einbildungskraft eines höchſt furcht-
ſamen Menſchen, hervorgebracht worden iſt. Das Roͤ-
miſche Recht denkt entſchieden gar nicht an dieſen Fall,
theils weil in demſelben gewiß Alles ipso jure nichtig ſeyn
würde, theils weil die Drohung als Grund der Furcht
dabey gleichgültig iſt, die doch das Roͤmiſche Recht als
unerläßliche Bedingung ſeiner indirecten Schutzanſtalten
fordert. Dieſer Fall iſt aber auch praktiſch eben ſo un-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/121>, abgerufen am 25.11.2024.
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