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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
samen Willenserklärung fähig, als der Unmündige oder
Vernunftlose.

Die genauere Ergründung beider Fälle wird die in
diesen Behauptungen enthaltene Täuschung darlegen. Je-
doch muß schon jetzt auf das wahre Element hingewiesen
werden, welches bey dieser Täuschung im Hintergrund
steht. Es findet sich nämlich hier die wichtige Einwirkung
sittlicher, dem Rechtszustand wesentlich verwandter, Mo-
mente. Der Zwang an sich hebt das Daseyn und die
Wirksamkeit des Willens nicht auf; aber die in demselben
enthaltene, in das Rechtsgebiet störend eingreifende, Un-
sittlichkeit macht eine positive Gegenwirkung nothwendig.
-- Eben so hebt der Irrthum an sich das Bewußtseyn,
und mit diesem den Willen, nicht auf; aber es kann da-
bey eine ähnliche, das Rechtsgebiet störende, Unsittlichkeit
vorkommen, und dann ist die gleiche Nothwendigkeit posi-
tiver Gegenwirkung vorhanden. -- Nunmehr sind diese bei-
den Fälle abgesondert darzustellen.

Zwang oder Gewalt (vis) bezeichnet zwey ganz ver-
schiedene Arten der Einwirkung eines Menschen auf einen
andern.

1) Überwältigung durch körperliche Übermacht, so daß
sich der Gezwungene blos leidend verhält. Von dieser kann
hier, bey Willenserklärungen, die in geistiger Thätigkeit
bestehen, gar nicht die Rede seyn. Denn wenn z. B. Ei-
ner dem Andern mit Gewalt die Hand zur Unterschrift
einer Urkunde führt, so liegt darin, eben so wie bey der

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
ſamen Willenserklärung fähig, als der Unmündige oder
Vernunftloſe.

Die genauere Ergründung beider Fälle wird die in
dieſen Behauptungen enthaltene Täuſchung darlegen. Je-
doch muß ſchon jetzt auf das wahre Element hingewieſen
werden, welches bey dieſer Täuſchung im Hintergrund
ſteht. Es findet ſich nämlich hier die wichtige Einwirkung
ſittlicher, dem Rechtszuſtand weſentlich verwandter, Mo-
mente. Der Zwang an ſich hebt das Daſeyn und die
Wirkſamkeit des Willens nicht auf; aber die in demſelben
enthaltene, in das Rechtsgebiet ſtörend eingreifende, Un-
ſittlichkeit macht eine poſitive Gegenwirkung nothwendig.
— Eben ſo hebt der Irrthum an ſich das Bewußtſeyn,
und mit dieſem den Willen, nicht auf; aber es kann da-
bey eine ähnliche, das Rechtsgebiet ſtörende, Unſittlichkeit
vorkommen, und dann iſt die gleiche Nothwendigkeit poſi-
tiver Gegenwirkung vorhanden. — Nunmehr ſind dieſe bei-
den Fälle abgeſondert darzuſtellen.

Zwang oder Gewalt (vis) bezeichnet zwey ganz ver-
ſchiedene Arten der Einwirkung eines Menſchen auf einen
andern.

1) Überwältigung durch körperliche Übermacht, ſo daß
ſich der Gezwungene blos leidend verhält. Von dieſer kann
hier, bey Willenserklärungen, die in geiſtiger Thätigkeit
beſtehen, gar nicht die Rede ſeyn. Denn wenn z. B. Ei-
ner dem Andern mit Gewalt die Hand zur Unterſchrift
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[100/0112] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. ſamen Willenserklärung fähig, als der Unmündige oder Vernunftloſe. Die genauere Ergründung beider Fälle wird die in dieſen Behauptungen enthaltene Täuſchung darlegen. Je- doch muß ſchon jetzt auf das wahre Element hingewieſen werden, welches bey dieſer Täuſchung im Hintergrund ſteht. Es findet ſich nämlich hier die wichtige Einwirkung ſittlicher, dem Rechtszuſtand weſentlich verwandter, Mo- mente. Der Zwang an ſich hebt das Daſeyn und die Wirkſamkeit des Willens nicht auf; aber die in demſelben enthaltene, in das Rechtsgebiet ſtörend eingreifende, Un- ſittlichkeit macht eine poſitive Gegenwirkung nothwendig. — Eben ſo hebt der Irrthum an ſich das Bewußtſeyn, und mit dieſem den Willen, nicht auf; aber es kann da- bey eine ähnliche, das Rechtsgebiet ſtörende, Unſittlichkeit vorkommen, und dann iſt die gleiche Nothwendigkeit poſi- tiver Gegenwirkung vorhanden. — Nunmehr ſind dieſe bei- den Fälle abgeſondert darzuſtellen. Zwang oder Gewalt (vis) bezeichnet zwey ganz ver- ſchiedene Arten der Einwirkung eines Menſchen auf einen andern. 1) Überwältigung durch körperliche Übermacht, ſo daß ſich der Gezwungene blos leidend verhält. Von dieſer kann hier, bey Willenserklärungen, die in geiſtiger Thätigkeit beſtehen, gar nicht die Rede ſeyn. Denn wenn z. B. Ei- ner dem Andern mit Gewalt die Hand zur Unterſchrift einer Urkunde führt, ſo liegt darin, eben ſo wie bey der

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/112>, abgerufen am 24.11.2024.