Endlich aber erlaubte er dem senatorischen Stande jede Ehe ohne Ausnahme, unter der einzigen Bedingung, daß dabey die Form schriftlicher Eheverträge beobachtet wer- den sollte (d).
Damit war denn jede Spur der durch die Lex Julia eingeführten Eheverbote vertilgt, zugleich aber auch jede praktische Bedeutung der Infamie in Anwendung auf das weibliche Geschlecht.
VI.
Wenn eine Wittwe innerhalb des Trauerjahrs (frü- herhin 10 Monate) zur zweyten Ehe schreitet, so soll nach der in den Digesten enthaltenen Edictstelle die Infamie ih- ren Vater treffen, wenn sie in dessen Gewalt steht, ferner ihren Mann, oder wenn derselbe noch in väterlicher Ge- walt steht, dessen Vater (§ 77). Von ihr selbst ist im Edict nicht die Rede, aber mehrere Stellen von Juristen und Kaisern schreiben auch ihr die Infamie zu (§ 77. y). Ist nun schon diese Verschiedenheit der Angaben einer Er- klärung bedürftig, so drängen sich bey genauerer Betrach- tung noch folgende Fragen auf: wenn wirklich die ver- letzte Trauerpflicht Grund dieser Infamie ist, sollte nicht die verletzte Trauer um manche andere Personen als den Mann, namentlich um Eltern und Kinder, eine gleiche
(d)Nov. 117 C. 6. Die Ehe- verträge waren nichts Besonde- res für diesen Zweck, sondern durch Cap. 4 derselben Novelle als allgemeine Form für die Ehen der Illustres vorgeschrieben.
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Infamie.
Endlich aber erlaubte er dem ſenatoriſchen Stande jede Ehe ohne Ausnahme, unter der einzigen Bedingung, daß dabey die Form ſchriftlicher Eheverträge beobachtet wer- den ſollte (d).
Damit war denn jede Spur der durch die Lex Julia eingeführten Eheverbote vertilgt, zugleich aber auch jede praktiſche Bedeutung der Infamie in Anwendung auf das weibliche Geſchlecht.
VI.
Wenn eine Wittwe innerhalb des Trauerjahrs (frü- herhin 10 Monate) zur zweyten Ehe ſchreitet, ſo ſoll nach der in den Digeſten enthaltenen Edictſtelle die Infamie ih- ren Vater treffen, wenn ſie in deſſen Gewalt ſteht, ferner ihren Mann, oder wenn derſelbe noch in väterlicher Ge- walt ſteht, deſſen Vater (§ 77). Von ihr ſelbſt iſt im Edict nicht die Rede, aber mehrere Stellen von Juriſten und Kaiſern ſchreiben auch ihr die Infamie zu (§ 77. y). Iſt nun ſchon dieſe Verſchiedenheit der Angaben einer Er- klärung bedürftig, ſo drängen ſich bey genauerer Betrach- tung noch folgende Fragen auf: wenn wirklich die ver- letzte Trauerpflicht Grund dieſer Infamie iſt, ſollte nicht die verletzte Trauer um manche andere Perſonen als den Mann, namentlich um Eltern und Kinder, eine gleiche
(d)Nov. 117 C. 6. Die Ehe- verträge waren nichts Beſonde- res für dieſen Zweck, ſondern durch Cap. 4 derſelben Novelle als allgemeine Form für die Ehen der Illustres vorgeſchrieben.
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Infamie.
Endlich aber erlaubte er dem ſenatoriſchen Stande jede
Ehe ohne Ausnahme, unter der einzigen Bedingung, daß
dabey die Form ſchriftlicher Eheverträge beobachtet wer-
den ſollte (d).
Damit war denn jede Spur der durch die Lex Julia
eingeführten Eheverbote vertilgt, zugleich aber auch jede
praktiſche Bedeutung der Infamie in Anwendung auf das
weibliche Geſchlecht.
VI.
Wenn eine Wittwe innerhalb des Trauerjahrs (frü-
herhin 10 Monate) zur zweyten Ehe ſchreitet, ſo ſoll nach
der in den Digeſten enthaltenen Edictſtelle die Infamie ih-
ren Vater treffen, wenn ſie in deſſen Gewalt ſteht, ferner
ihren Mann, oder wenn derſelbe noch in väterlicher Ge-
walt ſteht, deſſen Vater (§ 77). Von ihr ſelbſt iſt im
Edict nicht die Rede, aber mehrere Stellen von Juriſten
und Kaiſern ſchreiben auch ihr die Infamie zu (§ 77. y).
Iſt nun ſchon dieſe Verſchiedenheit der Angaben einer Er-
klärung bedürftig, ſo drängen ſich bey genauerer Betrach-
tung noch folgende Fragen auf: wenn wirklich die ver-
letzte Trauerpflicht Grund dieſer Infamie iſt, ſollte nicht
die verletzte Trauer um manche andere Perſonen als den
Mann, namentlich um Eltern und Kinder, eine gleiche
(d) Nov. 117 C. 6. Die Ehe-
verträge waren nichts Beſonde-
res für dieſen Zweck, ſondern
durch Cap. 4 derſelben Novelle
als allgemeine Form für die Ehen
der Illustres vorgeſchrieben.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/545>, abgerufen am 22.11.2024.
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