Jetzt erst ist es möglich, die Stelle des Paulus voll- ständig zu erklären, die auf die Ansicht der Neueren von den drey Status so großen Einfluß gehabt hat (Num. X.).
L. 11 de cap. min. (4. 5.). Capitis deminutionis tria genera sunt: maxima, media, minima. Tria enim sunt quae habemus: libertatem, civitatem, familiam. Igitur, cum omnia haec amittimus, hoc est liberta- tem et civitatem et familiam, maximam esse capitis deminutionem: cum vero amittimus civitatem, liber- tatem retinemus, mediam esse capitis deminutionem: cum et libertas et civitas retinetur, familia tantum mutatur, minimam esse capitis deminutionem constat.
Er war auf dem oben angegebenen Wege dazu ge- kommen, die minima c. d. als familiae mutatio zu erklä- ren. Da nun von alter Zeit her drey Grade der c. d. angenommen waren, so suchte er deren dreygliedrige Ein- heit dadurch begreiflich zu machen, daß er das Positive zusammenstellte, was durch jedes dieser drey Ereignisse verloren werden sollte. Dieses mußte also seyn: Freyheit, Civität, Familie. Was haben nun diese sehr ungleichar- tige Verhältnisse mit einander gemein? Nichts, als daß wir sie haben (Tria sunt quae habemus). Dieses würde sich hören lassen, wenn es wirklich die einzigen Gegen- stände wären, die wir haben. Da wir aber bekanntlich auch noch einige andere Dinge haben, z. B. Ehe, väter- liche Gewalt, Eigenthum, Servituten, Forderungen u. s. w., deren Jedes wir gleichfalls verlieren können, so ist in der
Beylage VI.
Jetzt erſt iſt es moͤglich, die Stelle des Paulus voll- ſtändig zu erklären, die auf die Anſicht der Neueren von den drey Status ſo großen Einfluß gehabt hat (Num. X.).
L. 11 de cap. min. (4. 5.). Capitis deminutionis tria genera sunt: maxima, media, minima. Tria enim sunt quae habemus: libertatem, civitatem, familiam. Igitur, cum omnia haec amittimus, hoc est liberta- tem et civitatem et familiam, maximam esse capitis deminutionem: cum vero amittimus civitatem, liber- tatem retinemus, mediam esse capitis deminutionem: cum et libertas et civitas retinetur, familia tantum mutatur, minimam esse capitis deminutionem constat.
Er war auf dem oben angegebenen Wege dazu ge- kommen, die minima c. d. als familiae mutatio zu erklä- ren. Da nun von alter Zeit her drey Grade der c. d. angenommen waren, ſo ſuchte er deren dreygliedrige Ein- heit dadurch begreiflich zu machen, daß er das Poſitive zuſammenſtellte, was durch jedes dieſer drey Ereigniſſe verloren werden ſollte. Dieſes mußte alſo ſeyn: Freyheit, Civität, Familie. Was haben nun dieſe ſehr ungleichar- tige Verhältniſſe mit einander gemein? Nichts, als daß wir ſie haben (Tria sunt quae habemus). Dieſes würde ſich hoͤren laſſen, wenn es wirklich die einzigen Gegen- ſtände wären, die wir haben. Da wir aber bekanntlich auch noch einige andere Dinge haben, z. B. Ehe, väter- liche Gewalt, Eigenthum, Servituten, Forderungen u. ſ. w., deren Jedes wir gleichfalls verlieren können, ſo iſt in der
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Beylage VI.
Jetzt erſt iſt es moͤglich, die Stelle des Paulus voll-
ſtändig zu erklären, die auf die Anſicht der Neueren von
den drey Status ſo großen Einfluß gehabt hat (Num. X.).
L. 11 de cap. min. (4. 5.). Capitis deminutionis tria
genera sunt: maxima, media, minima. Tria enim
sunt quae habemus: libertatem, civitatem, familiam.
Igitur, cum omnia haec amittimus, hoc est liberta-
tem et civitatem et familiam, maximam esse capitis
deminutionem: cum vero amittimus civitatem, liber-
tatem retinemus, mediam esse capitis deminutionem:
cum et libertas et civitas retinetur, familia tantum
mutatur, minimam esse capitis deminutionem constat.
Er war auf dem oben angegebenen Wege dazu ge-
kommen, die minima c. d. als familiae mutatio zu erklä-
ren. Da nun von alter Zeit her drey Grade der c. d.
angenommen waren, ſo ſuchte er deren dreygliedrige Ein-
heit dadurch begreiflich zu machen, daß er das Poſitive
zuſammenſtellte, was durch jedes dieſer drey Ereigniſſe
verloren werden ſollte. Dieſes mußte alſo ſeyn: Freyheit,
Civität, Familie. Was haben nun dieſe ſehr ungleichar-
tige Verhältniſſe mit einander gemein? Nichts, als daß
wir ſie haben (Tria sunt quae habemus). Dieſes würde
ſich hoͤren laſſen, wenn es wirklich die einzigen Gegen-
ſtände wären, die wir haben. Da wir aber bekanntlich
auch noch einige andere Dinge haben, z. B. Ehe, väter-
liche Gewalt, Eigenthum, Servituten, Forderungen u. ſ. w.,
deren Jedes wir gleichfalls verlieren können, ſo iſt in der
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/524>, abgerufen am 22.11.2024.
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