kommen, wenn es sich beweisen ließe, daß der flamen auch aus der Agnation getreten wäre: wahrscheinlich ist dieses allerdings, nicht blos nach der Analogie der von Gajus und Ulpian mit ihm zusammengestellten Vestalin, sondern auch weil es inconsequent gewesen wäre, die väterliche Gewalt aufzuheben, und doch die dadurch vermittelte Agna- tion fortdauern zu lassen; auch ist nicht einzusehen, in wel- chem Verhältniß nun der Sohn zum Vater gedacht wer- den sollte, denn daß er Diesem fremder gewesen wäre als den Agnaten, ist kaum anzunehmen.
Bey dieser Frage steht, eine Controverse der Alten vorausgesetzt, die Autorität des Labeo und des Capito höher als die des Paulus: nicht als ob sie überhaupt so viel größere Juristen gewesen wären, sondern weil hier von einem ganz alterthümlichen Rechtsinstitut die Rede ist, dessen ächtes und vollständiges Daseyn dem Zeitalter jener Juristen weit näher stand als dem des Paulus. Strenge genommen ist es aber nicht einmal eine Contro- verse im gewöhnlichen Sinn, wie es allerdings wäre, wenn z. B. das Daseyn der capitis deminutio bey der Vestalin und dem flamen von Labeo verneint, von Pau- lus bejaht würde. So war es aber nicht, vielmehr schei- nen in dieser Verneinung die Juristen aller Zeiten, ohne Spur eines Streites, überein zu stimmen. So Gajus in Beziehung auf den flamen (Note e); eben so aber auch Ulpian in folgender Stelle:
L. 3 § 4 de Sc. Maced. (14. 6.). Si a filiofamilias
Beylage VI.
kommen, wenn es ſich beweiſen ließe, daß der flamen auch aus der Agnation getreten wäre: wahrſcheinlich iſt dieſes allerdings, nicht blos nach der Analogie der von Gajus und Ulpian mit ihm zuſammengeſtellten Veſtalin, ſondern auch weil es inconſequent geweſen wäre, die väterliche Gewalt aufzuheben, und doch die dadurch vermittelte Agna- tion fortdauern zu laſſen; auch iſt nicht einzuſehen, in wel- chem Verhältniß nun der Sohn zum Vater gedacht wer- den ſollte, denn daß er Dieſem fremder geweſen wäre als den Agnaten, iſt kaum anzunehmen.
Bey dieſer Frage ſteht, eine Controverſe der Alten vorausgeſetzt, die Autorität des Labeo und des Capito höher als die des Paulus: nicht als ob ſie überhaupt ſo viel größere Juriſten geweſen wären, ſondern weil hier von einem ganz alterthümlichen Rechtsinſtitut die Rede iſt, deſſen ächtes und vollſtändiges Daſeyn dem Zeitalter jener Juriſten weit näher ſtand als dem des Paulus. Strenge genommen iſt es aber nicht einmal eine Contro- verſe im gewöhnlichen Sinn, wie es allerdings wäre, wenn z. B. das Daſeyn der capitis deminutio bey der Veſtalin und dem flamen von Labeo verneint, von Pau- lus bejaht würde. So war es aber nicht, vielmehr ſchei- nen in dieſer Verneinung die Juriſten aller Zeiten, ohne Spur eines Streites, überein zu ſtimmen. So Gajus in Beziehung auf den flamen (Note e); eben ſo aber auch Ulpian in folgender Stelle:
L. 3 § 4 de Sc. Maced. (14. 6.). Si a filiofamilias
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Beylage VI.
kommen, wenn es ſich beweiſen ließe, daß der flamen auch
aus der Agnation getreten wäre: wahrſcheinlich iſt dieſes
allerdings, nicht blos nach der Analogie der von Gajus
und Ulpian mit ihm zuſammengeſtellten Veſtalin, ſondern
auch weil es inconſequent geweſen wäre, die väterliche
Gewalt aufzuheben, und doch die dadurch vermittelte Agna-
tion fortdauern zu laſſen; auch iſt nicht einzuſehen, in wel-
chem Verhältniß nun der Sohn zum Vater gedacht wer-
den ſollte, denn daß er Dieſem fremder geweſen wäre als
den Agnaten, iſt kaum anzunehmen.
Bey dieſer Frage ſteht, eine Controverſe der Alten
vorausgeſetzt, die Autorität des Labeo und des Capito
höher als die des Paulus: nicht als ob ſie überhaupt ſo
viel größere Juriſten geweſen wären, ſondern weil hier
von einem ganz alterthümlichen Rechtsinſtitut die Rede
iſt, deſſen ächtes und vollſtändiges Daſeyn dem Zeitalter
jener Juriſten weit näher ſtand als dem des Paulus.
Strenge genommen iſt es aber nicht einmal eine Contro-
verſe im gewöhnlichen Sinn, wie es allerdings wäre,
wenn z. B. das Daſeyn der capitis deminutio bey der
Veſtalin und dem flamen von Labeo verneint, von Pau-
lus bejaht würde. So war es aber nicht, vielmehr ſchei-
nen in dieſer Verneinung die Juriſten aller Zeiten, ohne
Spur eines Streites, überein zu ſtimmen. So Gajus in
Beziehung auf den flamen (Note e); eben ſo aber auch
Ulpian in folgender Stelle:
L. 3 § 4 de Sc. Maced. (14. 6.). Si a filiofamilias
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/520>, abgerufen am 22.11.2024.
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