Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 65. Einschränkung der Rechtsfähigkeit. I. Unfreyheit.
versagt werden würde, so daß dieser Ausdruck als die be-
sondere Bezeichnung des rechtsfähigen Menschen anzu-
sehen wäre. Allein die Römer gebrauchen gewöhnlich den
erwähnten Ausdruck für jeden einzelnen Menschen ohne
Unterschied, namentlich auch für die Sklaven (e).

Es sind nun noch die wenigen Ausnahmen anzugeben,
wodurch die Rechtlosigkeit der Sklaven beschränkt war (f).
-- Die wichtigste derselben bestand in einem theils straf-
rechtlichen, theils polizeylichen Schutz der Sklaven gegen
unmenschliche Behandlung. Ein solcher Schutz war dem
älteren Rechte völlig fremd. Als aber durch die großen
Eroberungskriege die Zahl der Sklaven über alles Maaß
hinaus stieg, wurde man durch blutige Erfahrung inne,
wie gefährlich eine ganz schonungslose Behandlung dieser
durch ihre Menge mächtigen Menschenklasse sey. So kam
man allmälig dazu, als feste Regel aufzustellen, daß ein

(e) L. 215 de V. S. (50. 16.)
".. in persona servi domini-
um." -- L. 22 pr. de R. J. (50.
17.). "In personam servilem
nulla cadit obligatio." -- L. 6
§ 2 de usufr. (7. 1.). -- Gajus I.

§ 120. 121. 123. 139. -- Erst in
späterer Zeit wird diese Bezeich-
nung den Sklaven ausdrücklich ab-
gesprochen. So z. B. Nov. Theod.
Tit. 17. "Servos .. quasi nec
personam habentes."
Vergl.
Schilling Institutionen B. 2
§ 24 Note g.
(f) Unter diese Ausnahmen ge-
hört nicht die Fähigkeit der Skla-
ven, eine Mancipation zu em-
pfangen, zu stipuliren, in einem
Testament zu Erben oder Lega-
taren ernannt zu werden; denn
sie waren hierin nur Instrumente
für den Erwerb ihres Herrn, so
daß diese Fähigkeit die Recht-
losigkeit der Sklaven um gar
Nichts vermindert. -- Anders ver-
hält es sich mit der den Staats-
sklaven ertheilten Vergünstigung,
über die Hälfte ihres Peculiums
zu testiren (Ulpian. XX. § 16);
das war eine wirkliche Anomalie,
wodurch diese Klasse der Sklaven
dem Zustand der Freyen naher
gebracht werden sollte.
II. 3

§. 65. Einſchränkung der Rechtsfähigkeit. I. Unfreyheit.
verſagt werden würde, ſo daß dieſer Ausdruck als die be-
ſondere Bezeichnung des rechtsfähigen Menſchen anzu-
ſehen wäre. Allein die Römer gebrauchen gewöhnlich den
erwähnten Ausdruck für jeden einzelnen Menſchen ohne
Unterſchied, namentlich auch für die Sklaven (e).

Es ſind nun noch die wenigen Ausnahmen anzugeben,
wodurch die Rechtloſigkeit der Sklaven beſchränkt war (f).
— Die wichtigſte derſelben beſtand in einem theils ſtraf-
rechtlichen, theils polizeylichen Schutz der Sklaven gegen
unmenſchliche Behandlung. Ein ſolcher Schutz war dem
älteren Rechte voͤllig fremd. Als aber durch die großen
Eroberungskriege die Zahl der Sklaven über alles Maaß
hinaus ſtieg, wurde man durch blutige Erfahrung inne,
wie gefährlich eine ganz ſchonungsloſe Behandlung dieſer
durch ihre Menge mächtigen Menſchenklaſſe ſey. So kam
man allmälig dazu, als feſte Regel aufzuſtellen, daß ein

(e) L. 215 de V. S. (50. 16.)
„.. in persona servi domini-
um.” — L. 22 pr. de R. J. (50.
17.). „In personam servilem
nulla cadit obligatio.” — L. 6
§ 2 de usufr. (7. 1.). — Gajus I.

§ 120. 121. 123. 139. — Erſt in
ſpäterer Zeit wird dieſe Bezeich-
nung den Sklaven ausdrücklich ab-
geſprochen. So z. B. Nov. Theod.
Tit. 17. „Servos .. quasi nec
personam habentes.”
Vergl.
Schilling Inſtitutionen B. 2
§ 24 Note g.
(f) Unter dieſe Ausnahmen ge-
hört nicht die Fähigkeit der Skla-
ven, eine Mancipation zu em-
pfangen, zu ſtipuliren, in einem
Teſtament zu Erben oder Lega-
taren ernannt zu werden; denn
ſie waren hierin nur Inſtrumente
für den Erwerb ihres Herrn, ſo
daß dieſe Fähigkeit die Recht-
loſigkeit der Sklaven um gar
Nichts vermindert. — Anders ver-
hält es ſich mit der den Staats-
ſklaven ertheilten Vergünſtigung,
über die Hälfte ihres Peculiums
zu teſtiren (Ulpian. XX. § 16);
das war eine wirkliche Anomalie,
wodurch dieſe Klaſſe der Sklaven
dem Zuſtand der Freyen naher
gebracht werden ſollte.
II. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0047" n="33"/><fw place="top" type="header">§. 65. Ein&#x017F;chränkung der Rechtsfähigkeit. <hi rendition="#aq">I.</hi> Unfreyheit.</fw><lb/>
ver&#x017F;agt werden würde, &#x017F;o daß die&#x017F;er Ausdruck als die be-<lb/>
&#x017F;ondere Bezeichnung des <hi rendition="#g">rechtsfähigen</hi> Men&#x017F;chen anzu-<lb/>
&#x017F;ehen wäre. Allein die Römer gebrauchen gewöhnlich den<lb/>
erwähnten Ausdruck für jeden einzelnen Men&#x017F;chen ohne<lb/>
Unter&#x017F;chied, namentlich auch für die Sklaven <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 215 <hi rendition="#i">de V. S.</hi> (50. 16.)<lb/>
&#x201E;.. in persona servi domini-<lb/>
um.&#x201D; &#x2014; <hi rendition="#i">L.</hi> 22 <hi rendition="#i">pr. de R. J.</hi> (50.<lb/>
17.). &#x201E;In personam servilem<lb/>
nulla cadit obligatio.&#x201D; &#x2014; <hi rendition="#i">L.</hi> 6<lb/>
§ 2 <hi rendition="#i">de usufr.</hi> (7. 1.). &#x2014; <hi rendition="#k">Gajus</hi> I.</hi><lb/>
§ 120. 121. 123. 139. &#x2014; Er&#x017F;t in<lb/>
&#x017F;päterer Zeit wird die&#x017F;e Bezeich-<lb/>
nung den Sklaven ausdrücklich ab-<lb/>
ge&#x017F;prochen. So z. B. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Nov. Theod</hi>.<lb/>
Tit. 17. &#x201E;Servos .. quasi nec<lb/>
personam habentes.&#x201D;</hi> Vergl.<lb/><hi rendition="#g">Schilling</hi> In&#x017F;titutionen B. 2<lb/>
§ 24 Note <hi rendition="#aq">g.</hi></note>.</p><lb/>
          <p>Es &#x017F;ind nun noch die wenigen Ausnahmen anzugeben,<lb/>
wodurch die Rechtlo&#x017F;igkeit der Sklaven be&#x017F;chränkt war <note place="foot" n="(f)">Unter die&#x017F;e Ausnahmen ge-<lb/>
hört nicht die Fähigkeit der Skla-<lb/>
ven, eine Mancipation zu em-<lb/>
pfangen, zu &#x017F;tipuliren, in einem<lb/>
Te&#x017F;tament zu Erben oder Lega-<lb/>
taren ernannt zu werden; denn<lb/>
&#x017F;ie waren hierin nur In&#x017F;trumente<lb/>
für den Erwerb ihres Herrn, &#x017F;o<lb/>
daß die&#x017F;e Fähigkeit die Recht-<lb/>
lo&#x017F;igkeit der Sklaven um gar<lb/>
Nichts vermindert. &#x2014; Anders ver-<lb/>
hält es &#x017F;ich mit der den Staats-<lb/>
&#x017F;klaven ertheilten Vergün&#x017F;tigung,<lb/>
über die Hälfte ihres Peculiums<lb/>
zu te&#x017F;tiren (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Ulpian</hi>. XX.</hi> § 16);<lb/>
das war eine wirkliche Anomalie,<lb/>
wodurch die&#x017F;e Kla&#x017F;&#x017F;e der Sklaven<lb/>
dem Zu&#x017F;tand der Freyen naher<lb/>
gebracht werden &#x017F;ollte.</note>.<lb/>
&#x2014; Die wichtig&#x017F;te der&#x017F;elben be&#x017F;tand in einem theils &#x017F;traf-<lb/>
rechtlichen, theils polizeylichen Schutz der Sklaven gegen<lb/>
unmen&#x017F;chliche Behandlung. Ein &#x017F;olcher Schutz war dem<lb/>
älteren Rechte vo&#x0364;llig fremd. Als aber durch die großen<lb/>
Eroberungskriege die Zahl der Sklaven über alles Maaß<lb/>
hinaus &#x017F;tieg, wurde man durch blutige Erfahrung inne,<lb/>
wie gefährlich eine ganz &#x017F;chonungslo&#x017F;e Behandlung die&#x017F;er<lb/>
durch ihre Menge mächtigen Men&#x017F;chenkla&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ey. So kam<lb/>
man allmälig dazu, als fe&#x017F;te Regel aufzu&#x017F;tellen, daß ein<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II.</hi> 3</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0047] §. 65. Einſchränkung der Rechtsfähigkeit. I. Unfreyheit. verſagt werden würde, ſo daß dieſer Ausdruck als die be- ſondere Bezeichnung des rechtsfähigen Menſchen anzu- ſehen wäre. Allein die Römer gebrauchen gewöhnlich den erwähnten Ausdruck für jeden einzelnen Menſchen ohne Unterſchied, namentlich auch für die Sklaven (e). Es ſind nun noch die wenigen Ausnahmen anzugeben, wodurch die Rechtloſigkeit der Sklaven beſchränkt war (f). — Die wichtigſte derſelben beſtand in einem theils ſtraf- rechtlichen, theils polizeylichen Schutz der Sklaven gegen unmenſchliche Behandlung. Ein ſolcher Schutz war dem älteren Rechte voͤllig fremd. Als aber durch die großen Eroberungskriege die Zahl der Sklaven über alles Maaß hinaus ſtieg, wurde man durch blutige Erfahrung inne, wie gefährlich eine ganz ſchonungsloſe Behandlung dieſer durch ihre Menge mächtigen Menſchenklaſſe ſey. So kam man allmälig dazu, als feſte Regel aufzuſtellen, daß ein (e) L. 215 de V. S. (50. 16.) „.. in persona servi domini- um.” — L. 22 pr. de R. J. (50. 17.). „In personam servilem nulla cadit obligatio.” — L. 6 § 2 de usufr. (7. 1.). — Gajus I. § 120. 121. 123. 139. — Erſt in ſpäterer Zeit wird dieſe Bezeich- nung den Sklaven ausdrücklich ab- geſprochen. So z. B. Nov. Theod. Tit. 17. „Servos .. quasi nec personam habentes.” Vergl. Schilling Inſtitutionen B. 2 § 24 Note g. (f) Unter dieſe Ausnahmen ge- hört nicht die Fähigkeit der Skla- ven, eine Mancipation zu em- pfangen, zu ſtipuliren, in einem Teſtament zu Erben oder Lega- taren ernannt zu werden; denn ſie waren hierin nur Inſtrumente für den Erwerb ihres Herrn, ſo daß dieſe Fähigkeit die Recht- loſigkeit der Sklaven um gar Nichts vermindert. — Anders ver- hält es ſich mit der den Staats- ſklaven ertheilten Vergünſtigung, über die Hälfte ihres Peculiums zu teſtiren (Ulpian. XX. § 16); das war eine wirkliche Anomalie, wodurch dieſe Klaſſe der Sklaven dem Zuſtand der Freyen naher gebracht werden ſollte. II. 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/47
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/47>, abgerufen am 18.12.2024.