2) Die Schlußworte der L. 141 § 2 de V. O. (Note c) erklären die filiafamilias impubes für gleich unfähig zur Verschuldung mit dem pupillus in parentis potestate. Diese Gleichstellung entscheidet über unsre, die mündigen Frauen betreffende, Frage unmittelbar nicht, obgleich sie die ohne- hin vorhandene Wahrscheinlichkeit verstärkt, daß zwischen beiden Geschlechtern, da wo keine Geschlechtstutel eintre- ten konnte, überhaupt kein Unterschied statt fand. Neuer- lich ist nun aber die Behauptung aufgestellt worden, die letzten Worte jener Stelle seyen interpolirt, und Gajus (der Verfasser der Stelle) habe geschrieben: idem et in filiafamilias pubere dicendum est(l). In dieser Gestalt würde die Stelle allerdings geradezu für die hier be- kämpfte Meynung beweisen, und hätten wir andere Zeug- nisse dafür, so würde jene Annahme mit vieler Wahr- scheinlichkeit dazu benutzt werden können, die hier ange- führte Stelle mit jenen anderen Zeugnissen in unmittelba- ren Zusammenhang zu bringen. So lange aber solche Zeugnisse fehlen, und vielmehr die oben aufgestellten Gründe dagegen streiten, kann es doch nicht zulässig seyn, zuerst in jene Stelle ohne Noth die Annahme einer Interpola- tion hinein zu tragen, und dann mit dem so umgearbeite- ten Text einen historischen Beweis zu führen.
(l)Rudorff Vormundschafts- recht B. 1 S. 171. Er beruft sich besonders darauf, daß außerdem die Schlußworte von der filiafa- milias impubes gar zu trivial seyn würden. Allein mit diesem Argument ließe sich in unzähli- gen Stellen der Pandekten die Ächtheit anfechten, und gewiß ohne Grund. Gleich die oben im Text abgedruckte L. 9 § 2 de Sc. Mac. würde dahin gehören.
Schuldenfähigkeit einer filiafamilias.
2) Die Schlußworte der L. 141 § 2 de V. O. (Note c) erklären die filiafamilias impubes für gleich unfähig zur Verſchuldung mit dem pupillus in parentis potestate. Dieſe Gleichſtellung entſcheidet über unſre, die mündigen Frauen betreffende, Frage unmittelbar nicht, obgleich ſie die ohne- hin vorhandene Wahrſcheinlichkeit verſtärkt, daß zwiſchen beiden Geſchlechtern, da wo keine Geſchlechtstutel eintre- ten konnte, überhaupt kein Unterſchied ſtatt fand. Neuer- lich iſt nun aber die Behauptung aufgeſtellt worden, die letzten Worte jener Stelle ſeyen interpolirt, und Gajus (der Verfaſſer der Stelle) habe geſchrieben: idem et in filiafamilias pubere dicendum est(l). In dieſer Geſtalt würde die Stelle allerdings geradezu für die hier be- kämpfte Meynung beweiſen, und hätten wir andere Zeug- niſſe dafür, ſo würde jene Annahme mit vieler Wahr- ſcheinlichkeit dazu benutzt werden können, die hier ange- führte Stelle mit jenen anderen Zeugniſſen in unmittelba- ren Zuſammenhang zu bringen. So lange aber ſolche Zeugniſſe fehlen, und vielmehr die oben aufgeſtellten Gründe dagegen ſtreiten, kann es doch nicht zuläſſig ſeyn, zuerſt in jene Stelle ohne Noth die Annahme einer Interpola- tion hinein zu tragen, und dann mit dem ſo umgearbeite- ten Text einen hiſtoriſchen Beweis zu führen.
(l)Rudorff Vormundſchafts- recht B. 1 S. 171. Er beruft ſich beſonders darauf, daß außerdem die Schlußworte von der filiafa- milias impubes gar zu trivial ſeyn würden. Allein mit dieſem Argument ließe ſich in unzähli- gen Stellen der Pandekten die Ächtheit anfechten, und gewiß ohne Grund. Gleich die oben im Text abgedruckte L. 9 § 2 de Sc. Mac. würde dahin gehören.
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Schuldenfähigkeit einer filiafamilias.
2) Die Schlußworte der L. 141 § 2 de V. O. (Note c)
erklären die filiafamilias impubes für gleich unfähig zur
Verſchuldung mit dem pupillus in parentis potestate. Dieſe
Gleichſtellung entſcheidet über unſre, die mündigen Frauen
betreffende, Frage unmittelbar nicht, obgleich ſie die ohne-
hin vorhandene Wahrſcheinlichkeit verſtärkt, daß zwiſchen
beiden Geſchlechtern, da wo keine Geſchlechtstutel eintre-
ten konnte, überhaupt kein Unterſchied ſtatt fand. Neuer-
lich iſt nun aber die Behauptung aufgeſtellt worden, die
letzten Worte jener Stelle ſeyen interpolirt, und Gajus
(der Verfaſſer der Stelle) habe geſchrieben: idem et in
filiafamilias pubere dicendum est (l). In dieſer Geſtalt
würde die Stelle allerdings geradezu für die hier be-
kämpfte Meynung beweiſen, und hätten wir andere Zeug-
niſſe dafür, ſo würde jene Annahme mit vieler Wahr-
ſcheinlichkeit dazu benutzt werden können, die hier ange-
führte Stelle mit jenen anderen Zeugniſſen in unmittelba-
ren Zuſammenhang zu bringen. So lange aber ſolche
Zeugniſſe fehlen, und vielmehr die oben aufgeſtellten Gründe
dagegen ſtreiten, kann es doch nicht zuläſſig ſeyn, zuerſt
in jene Stelle ohne Noth die Annahme einer Interpola-
tion hinein zu tragen, und dann mit dem ſo umgearbeite-
ten Text einen hiſtoriſchen Beweis zu führen.
(l) Rudorff Vormundſchafts-
recht B. 1 S. 171. Er beruft ſich
beſonders darauf, daß außerdem
die Schlußworte von der filiafa-
milias impubes gar zu trivial
ſeyn würden. Allein mit dieſem
Argument ließe ſich in unzähli-
gen Stellen der Pandekten die
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/451>, abgerufen am 22.11.2024.
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