medicinische Facultät zum Gutachen eingeschickt würde, nach mehreren Monaten gienge dieses Gutachten ein, wel- ches dem Kinde die Vitalität und Rechtsfähigkeit ab- spräche, durch außerordentliche künstliche Pflege aber wäre in der That das Kind erhalten worden, das dann selbst ein höheres Alter erreichte, so würde doch wohl Niemand die Vertheidigung jener Lehre so weit treiben wollen, ei- nen Menschen für rechtlos wegen mangelnder Lebensfähig- keit zu erklären, der diese Fähigkeit durch die That be- wiesen hätte (n).
Außerdem machen sich viele Vertheidiger der Lehre von der Vitalität noch folgender auffallenden Inconsequenz schuldig. Gesetzt, es wird ein völlig reifes, ausgetrage- nes Kind geboren, dieses giebt auch die deutlichsten Le- benszeichen, stirbt aber gleich nachher. Bey der Öffnung der Leiche findet sich ein solcher organischer Fehler, der die längere Fortsetzung des Lebens völlig unmöglich machte. Hier wird vielleicht der Mangel der Vitalität weit gewis- ser seyn, als bey bloßer Unreife, und doch wird für je- nen Fall die Rechtsfähigkeit von den Meisten nicht be- stritten. Wollte man nun der Consequenz wegen auch hier jene Lehre durchführen, so würde dadurch freylich die Gefahr der Willkühr, also die Rechtsunsicherheit, noch um Vieles vermehrt werden.
Zu dieser Inconsequenz gesellt sich endlich noch eine zweyte, nicht minder augenscheinliche, welche sich auf das
(n) Vgl. die oben in Note i erwähnten Fälle.
Beylage III.
mediciniſche Facultät zum Gutachen eingeſchickt würde, nach mehreren Monaten gienge dieſes Gutachten ein, wel- ches dem Kinde die Vitalität und Rechtsfähigkeit ab- ſpräche, durch außerordentliche künſtliche Pflege aber wäre in der That das Kind erhalten worden, das dann ſelbſt ein höheres Alter erreichte, ſo würde doch wohl Niemand die Vertheidigung jener Lehre ſo weit treiben wollen, ei- nen Menſchen für rechtlos wegen mangelnder Lebensfähig- keit zu erklären, der dieſe Fähigkeit durch die That be- wieſen hätte (n).
Außerdem machen ſich viele Vertheidiger der Lehre von der Vitalität noch folgender auffallenden Inconſequenz ſchuldig. Geſetzt, es wird ein völlig reifes, ausgetrage- nes Kind geboren, dieſes giebt auch die deutlichſten Le- benszeichen, ſtirbt aber gleich nachher. Bey der Öffnung der Leiche findet ſich ein ſolcher organiſcher Fehler, der die längere Fortſetzung des Lebens völlig unmöglich machte. Hier wird vielleicht der Mangel der Vitalität weit gewiſ- ſer ſeyn, als bey bloßer Unreife, und doch wird für je- nen Fall die Rechtsfähigkeit von den Meiſten nicht be- ſtritten. Wollte man nun der Conſequenz wegen auch hier jene Lehre durchführen, ſo würde dadurch freylich die Gefahr der Willkühr, alſo die Rechtsunſicherheit, noch um Vieles vermehrt werden.
Zu dieſer Inconſequenz geſellt ſich endlich noch eine zweyte, nicht minder augenſcheinliche, welche ſich auf das
(n) Vgl. die oben in Note i erwähnten Fälle.
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Beylage III.
mediciniſche Facultät zum Gutachen eingeſchickt würde,
nach mehreren Monaten gienge dieſes Gutachten ein, wel-
ches dem Kinde die Vitalität und Rechtsfähigkeit ab-
ſpräche, durch außerordentliche künſtliche Pflege aber wäre
in der That das Kind erhalten worden, das dann ſelbſt
ein höheres Alter erreichte, ſo würde doch wohl Niemand
die Vertheidigung jener Lehre ſo weit treiben wollen, ei-
nen Menſchen für rechtlos wegen mangelnder Lebensfähig-
keit zu erklären, der dieſe Fähigkeit durch die That be-
wieſen hätte (n).
Außerdem machen ſich viele Vertheidiger der Lehre von
der Vitalität noch folgender auffallenden Inconſequenz
ſchuldig. Geſetzt, es wird ein völlig reifes, ausgetrage-
nes Kind geboren, dieſes giebt auch die deutlichſten Le-
benszeichen, ſtirbt aber gleich nachher. Bey der Öffnung
der Leiche findet ſich ein ſolcher organiſcher Fehler, der
die längere Fortſetzung des Lebens völlig unmöglich machte.
Hier wird vielleicht der Mangel der Vitalität weit gewiſ-
ſer ſeyn, als bey bloßer Unreife, und doch wird für je-
nen Fall die Rechtsfähigkeit von den Meiſten nicht be-
ſtritten. Wollte man nun der Conſequenz wegen auch
hier jene Lehre durchführen, ſo würde dadurch freylich
die Gefahr der Willkühr, alſo die Rechtsunſicherheit, noch
um Vieles vermehrt werden.
Zu dieſer Inconſequenz geſellt ſich endlich noch eine
zweyte, nicht minder augenſcheinliche, welche ſich auf das
(n) Vgl. die oben in Note i erwähnten Fälle.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/410>, abgerufen am 22.11.2024.
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