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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 102. Juristische Personen. Erbschaften.
Ausnahmen (r); dadurch aber wird es um so einleuchten-
der, daß der allgemeine Ausdruck der oben angeführten
Stellen (Note p) nicht zu buchstäblich genommen wer-
den darf.

Allerdings findet sich noch ein merkwürdiger, praktisch
wichtiger Rechtssatz außer dem Sklavenrecht, auf welchen
jene Fiction im älteren Recht einigen Einfluß hätte ha-
ben können. Wenn ein Erblasser eine angefangene, un-
vollendete Usucapion hinterläßt, so müßte der Strenge
nach die Usucapion unterbrochen seyn, da die Erbschaft
keines Besitzes fähig ist. Da dieses aber zu empfindliche
Folgen gehabt hätte, so nahm man als jus singulare an,
die Usucapion gehe nicht nur ununterbrochen fort, sondern
sie könne selbst vor dem Antritt der Erbschaft vollendet
werden (s). Diesen praktisch wichtigen Satz konnte man
versuchen durch unsre Fiction zu begründen, und dieses
konnte vor Justinian in dem oben angeführten Beyspiel
eines Soldatentestaments wichtig werden; denn wurde die

(r) Wenn der Erbschaftssklave
stipulirt, so gilt die Stipulation
nur als eine bedingte, und wird
erst dann erworben, wenn irgend
Jemand die Erbschaft antritt.
L. 73 § 1 de V. O. (45. 1.). --
Wenn dem Erbschaftssklaven et-
was legirt wird, so wird zwar in
der Regel dieses Legat sogleich der
Erbschaft erworben; ist aber ein
Ususfructus legirt, so tritt der Er-
werb erst zu der Zeit ein, wo der
Sklave, in Folge des Antritts
der Erbschaft, einen bestimmten
Herrn erhält: es sey nun dieser
Herr der antretende Erbe selbst,
oder aber Derjenige, dem der
Sklave legirt ist, da denn der
Erwerb niemals an die Erbschaft
kommt. L. 1 § 2 quando dies
ususfr
. (7. 3.). L. 16 § 1 quan-
do dies leg
.
(36. 2.).
(s) L. 31 § 5 L. 40 L. 44 § 3
de usurp. (41. 3.), L. 30 pr. ex
quib. causis maj
.
(4. 5.).
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§. 102. Juriſtiſche Perſonen. Erbſchaften.
Ausnahmen (r); dadurch aber wird es um ſo einleuchten-
der, daß der allgemeine Ausdruck der oben angeführten
Stellen (Note p) nicht zu buchſtäblich genommen wer-
den darf.

Allerdings findet ſich noch ein merkwürdiger, praktiſch
wichtiger Rechtsſatz außer dem Sklavenrecht, auf welchen
jene Fiction im älteren Recht einigen Einfluß hätte ha-
ben können. Wenn ein Erblaſſer eine angefangene, un-
vollendete Uſucapion hinterläßt, ſo müßte der Strenge
nach die Uſucapion unterbrochen ſeyn, da die Erbſchaft
keines Beſitzes fähig iſt. Da dieſes aber zu empfindliche
Folgen gehabt hätte, ſo nahm man als jus singulare an,
die Uſucapion gehe nicht nur ununterbrochen fort, ſondern
ſie könne ſelbſt vor dem Antritt der Erbſchaft vollendet
werden (s). Dieſen praktiſch wichtigen Satz konnte man
verſuchen durch unſre Fiction zu begründen, und dieſes
konnte vor Juſtinian in dem oben angeführten Beyſpiel
eines Soldatenteſtaments wichtig werden; denn wurde die

(r) Wenn der Erbſchaftsſklave
ſtipulirt, ſo gilt die Stipulation
nur als eine bedingte, und wird
erſt dann erworben, wenn irgend
Jemand die Erbſchaft antritt.
L. 73 § 1 de V. O. (45. 1.). —
Wenn dem Erbſchaftsſklaven et-
was legirt wird, ſo wird zwar in
der Regel dieſes Legat ſogleich der
Erbſchaft erworben; iſt aber ein
Uſusfructus legirt, ſo tritt der Er-
werb erſt zu der Zeit ein, wo der
Sklave, in Folge des Antritts
der Erbſchaft, einen beſtimmten
Herrn erhält: es ſey nun dieſer
Herr der antretende Erbe ſelbſt,
oder aber Derjenige, dem der
Sklave legirt iſt, da denn der
Erwerb niemals an die Erbſchaft
kommt. L. 1 § 2 quando dies
ususfr
. (7. 3.). L. 16 § 1 quan-
do dies leg
.
(36. 2.).
(s) L. 31 § 5 L. 40 L. 44 § 3
de usurp. (41. 3.), L. 30 pr. ex
quib. causis maj
.
(4. 5.).
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[371/0385] §. 102. Juriſtiſche Perſonen. Erbſchaften. Ausnahmen (r); dadurch aber wird es um ſo einleuchten- der, daß der allgemeine Ausdruck der oben angeführten Stellen (Note p) nicht zu buchſtäblich genommen wer- den darf. Allerdings findet ſich noch ein merkwürdiger, praktiſch wichtiger Rechtsſatz außer dem Sklavenrecht, auf welchen jene Fiction im älteren Recht einigen Einfluß hätte ha- ben können. Wenn ein Erblaſſer eine angefangene, un- vollendete Uſucapion hinterläßt, ſo müßte der Strenge nach die Uſucapion unterbrochen ſeyn, da die Erbſchaft keines Beſitzes fähig iſt. Da dieſes aber zu empfindliche Folgen gehabt hätte, ſo nahm man als jus singulare an, die Uſucapion gehe nicht nur ununterbrochen fort, ſondern ſie könne ſelbſt vor dem Antritt der Erbſchaft vollendet werden (s). Dieſen praktiſch wichtigen Satz konnte man verſuchen durch unſre Fiction zu begründen, und dieſes konnte vor Juſtinian in dem oben angeführten Beyſpiel eines Soldatenteſtaments wichtig werden; denn wurde die (r) Wenn der Erbſchaftsſklave ſtipulirt, ſo gilt die Stipulation nur als eine bedingte, und wird erſt dann erworben, wenn irgend Jemand die Erbſchaft antritt. L. 73 § 1 de V. O. (45. 1.). — Wenn dem Erbſchaftsſklaven et- was legirt wird, ſo wird zwar in der Regel dieſes Legat ſogleich der Erbſchaft erworben; iſt aber ein Uſusfructus legirt, ſo tritt der Er- werb erſt zu der Zeit ein, wo der Sklave, in Folge des Antritts der Erbſchaft, einen beſtimmten Herrn erhält: es ſey nun dieſer Herr der antretende Erbe ſelbſt, oder aber Derjenige, dem der Sklave legirt iſt, da denn der Erwerb niemals an die Erbſchaft kommt. L. 1 § 2 quando dies ususfr. (7. 3.). L. 16 § 1 quan- do dies leg. (36. 2.). (s) L. 31 § 5 L. 40 L. 44 § 3 de usurp. (41. 3.), L. 30 pr. ex quib. causis maj. (4. 5.). 24*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/385>, abgerufen am 24.11.2024.