Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen. aber selbst die Einstimmigkeit verhütet nicht alle Gefahren,wie an dem oben angeführten Beyspiel eines Bürgerwal- des gezeigt worden ist. Manche neuere Schriftsteller ha- ben daher alle Gemeinheitstheilungen für ungerecht, ja für revolutionär erklärt; gewiß mit der einseitigsten Übertrei- bung. Wenn die bisherige Art der Bodennutzung Jahr- hunderte lang dem Bedürfniß genügte, so ist unstreitig eine Zeit eingetreten, worin die größere Energie aller ge- werblichen Thätigkeit Keinem erlaubt, sich davon völlig auszuschließen, ohne daß ihm die alte Gewohnheit ver- derblich würde. Niemand aber wird bezweifeln, daß der als Gemeindeweide sehr spärlich genutzte Boden durch die Vertheilung zu einem ungleich höheren Ertrag gebracht werden kann. Im Allgemeinen also sind die Regierungen wegen der Förderung der Gemeinheitstheilungen nur zu loben, wenngleich im Einzelnen auch hier manches Ver- kehrte geschehen seyn mag. Die Aufsicht aber, wodurch in diesem Geschäft der Staat sowohl von den Einzelnen, als von den Nachkommen im Ganzen, jede Verletzung ab- zuwenden suchen muß, kann großentheils schon auf allge- meine Regeln zurückgeführt werden, und wird in dieser Gestalt sogar noch größere Gewähr völliger Unparteylich- keit mit sich führen: dieses ist der Ursprung der Gemein- heitstheilungsordnungen (e). (e) Aus denselben staatswirth-
schaftlichen Gründen, woraus die Gemeinheitstheilungsordnungen hervorgegangen sind, hat die neue- re Gesetzgebung sehr häufig auch in die Rechtsverhältnisse der Ein- zelnen eingegriffen, indem sie die einseitige Befugniß zu Separa- Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. aber ſelbſt die Einſtimmigkeit verhütet nicht alle Gefahren,wie an dem oben angeführten Beyſpiel eines Bürgerwal- des gezeigt worden iſt. Manche neuere Schriftſteller ha- ben daher alle Gemeinheitstheilungen für ungerecht, ja für revolutionär erklärt; gewiß mit der einſeitigſten Übertrei- bung. Wenn die bisherige Art der Bodennutzung Jahr- hunderte lang dem Bedürfniß genügte, ſo iſt unſtreitig eine Zeit eingetreten, worin die größere Energie aller ge- werblichen Thätigkeit Keinem erlaubt, ſich davon völlig auszuſchließen, ohne daß ihm die alte Gewohnheit ver- derblich würde. Niemand aber wird bezweifeln, daß der als Gemeindeweide ſehr ſpärlich genutzte Boden durch die Vertheilung zu einem ungleich höheren Ertrag gebracht werden kann. Im Allgemeinen alſo ſind die Regierungen wegen der Förderung der Gemeinheitstheilungen nur zu loben, wenngleich im Einzelnen auch hier manches Ver- kehrte geſchehen ſeyn mag. Die Aufſicht aber, wodurch in dieſem Geſchäft der Staat ſowohl von den Einzelnen, als von den Nachkommen im Ganzen, jede Verletzung ab- zuwenden ſuchen muß, kann großentheils ſchon auf allge- meine Regeln zurückgeführt werden, und wird in dieſer Geſtalt ſogar noch größere Gewähr völliger Unparteylich- keit mit ſich führen: dieſes iſt der Urſprung der Gemein- heitstheilungsordnungen (e). (e) Aus denſelben ſtaatswirth-
ſchaftlichen Gründen, woraus die Gemeinheitstheilungsordnungen hervorgegangen ſind, hat die neue- re Geſetzgebung ſehr häufig auch in die Rechtsverhältniſſe der Ein- zelnen eingegriffen, indem ſie die einſeitige Befugniß zu Separa- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0370" n="356"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Perſonen.</fw><lb/> aber ſelbſt die Einſtimmigkeit verhütet nicht alle Gefahren,<lb/> wie an dem oben angeführten Beyſpiel eines Bürgerwal-<lb/> des gezeigt worden iſt. Manche neuere Schriftſteller ha-<lb/> ben daher alle Gemeinheitstheilungen für ungerecht, ja für<lb/> revolutionär erklärt; gewiß mit der einſeitigſten Übertrei-<lb/> bung. Wenn die bisherige Art der Bodennutzung Jahr-<lb/> hunderte lang dem Bedürfniß genügte, ſo iſt unſtreitig<lb/> eine Zeit eingetreten, worin die größere Energie aller ge-<lb/> werblichen Thätigkeit Keinem erlaubt, ſich davon völlig<lb/> auszuſchließen, ohne daß ihm die alte Gewohnheit ver-<lb/> derblich würde. Niemand aber wird bezweifeln, daß der<lb/> als Gemeindeweide ſehr ſpärlich genutzte Boden durch die<lb/> Vertheilung zu einem ungleich höheren Ertrag gebracht<lb/> werden kann. Im Allgemeinen alſo ſind die Regierungen<lb/> wegen der Förderung der Gemeinheitstheilungen nur zu<lb/> loben, wenngleich im Einzelnen auch hier manches Ver-<lb/> kehrte geſchehen ſeyn mag. Die Aufſicht aber, wodurch<lb/> in dieſem Geſchäft der Staat ſowohl von den Einzelnen,<lb/> als von den Nachkommen im Ganzen, jede Verletzung ab-<lb/> zuwenden ſuchen muß, kann großentheils ſchon auf allge-<lb/> meine Regeln zurückgeführt werden, und wird in dieſer<lb/> Geſtalt ſogar noch größere Gewähr völliger Unparteylich-<lb/> keit mit ſich führen: dieſes iſt der Urſprung der Gemein-<lb/> heitstheilungsordnungen <note xml:id="seg2pn_64_1" next="#seg2pn_64_2" place="foot" n="(e)">Aus denſelben ſtaatswirth-<lb/> ſchaftlichen Gründen, woraus die<lb/> Gemeinheitstheilungsordnungen<lb/> hervorgegangen ſind, hat die neue-<lb/> re Geſetzgebung ſehr häufig auch<lb/> in die Rechtsverhältniſſe der Ein-<lb/> zelnen eingegriffen, indem ſie die<lb/> einſeitige Befugniß zu Separa-</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [356/0370]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
aber ſelbſt die Einſtimmigkeit verhütet nicht alle Gefahren,
wie an dem oben angeführten Beyſpiel eines Bürgerwal-
des gezeigt worden iſt. Manche neuere Schriftſteller ha-
ben daher alle Gemeinheitstheilungen für ungerecht, ja für
revolutionär erklärt; gewiß mit der einſeitigſten Übertrei-
bung. Wenn die bisherige Art der Bodennutzung Jahr-
hunderte lang dem Bedürfniß genügte, ſo iſt unſtreitig
eine Zeit eingetreten, worin die größere Energie aller ge-
werblichen Thätigkeit Keinem erlaubt, ſich davon völlig
auszuſchließen, ohne daß ihm die alte Gewohnheit ver-
derblich würde. Niemand aber wird bezweifeln, daß der
als Gemeindeweide ſehr ſpärlich genutzte Boden durch die
Vertheilung zu einem ungleich höheren Ertrag gebracht
werden kann. Im Allgemeinen alſo ſind die Regierungen
wegen der Förderung der Gemeinheitstheilungen nur zu
loben, wenngleich im Einzelnen auch hier manches Ver-
kehrte geſchehen ſeyn mag. Die Aufſicht aber, wodurch
in dieſem Geſchäft der Staat ſowohl von den Einzelnen,
als von den Nachkommen im Ganzen, jede Verletzung ab-
zuwenden ſuchen muß, kann großentheils ſchon auf allge-
meine Regeln zurückgeführt werden, und wird in dieſer
Geſtalt ſogar noch größere Gewähr völliger Unparteylich-
keit mit ſich führen: dieſes iſt der Urſprung der Gemein-
heitstheilungsordnungen (e).
(e) Aus denſelben ſtaatswirth-
ſchaftlichen Gründen, woraus die
Gemeinheitstheilungsordnungen
hervorgegangen ſind, hat die neue-
re Geſetzgebung ſehr häufig auch
in die Rechtsverhältniſſe der Ein-
zelnen eingegriffen, indem ſie die
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