That eine Meynungsverschiedenheit unter den Mitgliedern bereits ausgesprochen haben, und dann wird es, in einer Versammlung, die über Gegenstände von solcher Wichtig- keit für die Corporation zu entscheiden hat, nicht schwer seyn sämmtliche Mitglieder zusammen zu bringen, wodurch dann jenem Irrthum aller Einfluß ohnehin entzogen wird.
III. Als Hauptirrthum endlich bleibt noch die prak- tisch wichtigste Behauptung übrig, welche die Totalität der gegenwärtigen Mitglieder mit der Corporation selbst identificirt, und daher mit einer unbedingten Gewalt über deren Rechte ausrüstet; welcher Irrthum dann durch die der bloßen Majorität eingeräumte Entscheidung noch um Vieles verschlimmert, durch die für viele Fälle von man- chen Schriftstellern geforderte Einstimmigkeit sehr gemil- dert wird.
Von dem durch diese Betrachtungen gewonnenen Stand- punkte aus sollen nunmehr die nicht zur laufenden Ver- waltung gehörenden Geschäfte, so wie sie im § 98. zusam- mengestellt worden sind, einzeln erwogen werden.
1) Neue Statuten.
2) Besteurung.
In diesen beiden Geschäften ist die der Majorität ein- geräumte unbedingte Macht ganz besonders bedenklich, in- dem es einleuchtet, daß dadurch die willkührlichste und un- gerechteste Behandlung von Individuen oder ganzen Klas- sen, die sich in der Minorität befinden, ohne alle Abwehr möglich wird. Dagegen ist hierin ein einstimmiger Be-
That eine Meynungsverſchiedenheit unter den Mitgliedern bereits ausgeſprochen haben, und dann wird es, in einer Verſammlung, die über Gegenſtände von ſolcher Wichtig- keit für die Corporation zu entſcheiden hat, nicht ſchwer ſeyn ſämmtliche Mitglieder zuſammen zu bringen, wodurch dann jenem Irrthum aller Einfluß ohnehin entzogen wird.
III. Als Hauptirrthum endlich bleibt noch die prak- tiſch wichtigſte Behauptung übrig, welche die Totalität der gegenwärtigen Mitglieder mit der Corporation ſelbſt identificirt, und daher mit einer unbedingten Gewalt über deren Rechte ausrüſtet; welcher Irrthum dann durch die der bloßen Majorität eingeräumte Entſcheidung noch um Vieles verſchlimmert, durch die für viele Fälle von man- chen Schriftſtellern geforderte Einſtimmigkeit ſehr gemil- dert wird.
Von dem durch dieſe Betrachtungen gewonnenen Stand- punkte aus ſollen nunmehr die nicht zur laufenden Ver- waltung gehörenden Geſchäfte, ſo wie ſie im § 98. zuſam- mengeſtellt worden ſind, einzeln erwogen werden.
1) Neue Statuten.
2) Beſteurung.
In dieſen beiden Geſchäften iſt die der Majorität ein- geräumte unbedingte Macht ganz beſonders bedenklich, in- dem es einleuchtet, daß dadurch die willkührlichſte und un- gerechteſte Behandlung von Individuen oder ganzen Klaſ- ſen, die ſich in der Minorität befinden, ohne alle Abwehr möglich wird. Dagegen iſt hierin ein einſtimmiger Be-
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§. 99. Juriſtiſche Perſonen. Verfaſſung. (Fortſetzung.)
That eine Meynungsverſchiedenheit unter den Mitgliedern
bereits ausgeſprochen haben, und dann wird es, in einer
Verſammlung, die über Gegenſtände von ſolcher Wichtig-
keit für die Corporation zu entſcheiden hat, nicht ſchwer
ſeyn ſämmtliche Mitglieder zuſammen zu bringen, wodurch
dann jenem Irrthum aller Einfluß ohnehin entzogen wird.
III. Als Hauptirrthum endlich bleibt noch die prak-
tiſch wichtigſte Behauptung übrig, welche die Totalität
der gegenwärtigen Mitglieder mit der Corporation ſelbſt
identificirt, und daher mit einer unbedingten Gewalt über
deren Rechte ausrüſtet; welcher Irrthum dann durch die
der bloßen Majorität eingeräumte Entſcheidung noch um
Vieles verſchlimmert, durch die für viele Fälle von man-
chen Schriftſtellern geforderte Einſtimmigkeit ſehr gemil-
dert wird.
Von dem durch dieſe Betrachtungen gewonnenen Stand-
punkte aus ſollen nunmehr die nicht zur laufenden Ver-
waltung gehörenden Geſchäfte, ſo wie ſie im § 98. zuſam-
mengeſtellt worden ſind, einzeln erwogen werden.
1) Neue Statuten.
2) Beſteurung.
In dieſen beiden Geſchäften iſt die der Majorität ein-
geräumte unbedingte Macht ganz beſonders bedenklich, in-
dem es einleuchtet, daß dadurch die willkührlichſte und un-
gerechteſte Behandlung von Individuen oder ganzen Klaſ-
ſen, die ſich in der Minorität befinden, ohne alle Abwehr
möglich wird. Dagegen iſt hierin ein einſtimmiger Be-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/361>, abgerufen am 24.11.2024.
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