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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 97. Juristische Personen. Verfassung. (Fortsetzung.)
Auch hier wäre es vor Allem räthlich gewesen, die uni-
versitas ordinata
von jener angeblichen Regel auszuneh-
men, und in der That hat sich die Praxis gegen diese
falsche Theorie von selbst geholfen. Denn obgleich die
Lehre von den 2/3 der Mitglieder, als unzweifelhaft gültig
für alle Corporationen, bey den Schriftstellern überall vor-
getragen wurde, so hat man doch in den deutschen Städ-
ten, weder auf die Bürgerschaft, noch auf den Stadtrath
(bey welchem sich am ersten eine Analogie des wahren
Römischen Grundsatzes behaupten ließe), Anwendung da-
von gemacht. Sieht man genau zu, was von dem Grund-
satz der 2/3 der Mitglieder in die Praxis übergegangen ist,
so ist es lediglich die Bestellung eines Procurators zur
Prozeßführung von Seiten der Dorfgemeinden, die stets
eine höchst unvollkommene Verfassung haben, also univer-
sitates inordinatae
sind. Hier müssen 2/3 der Mitglieder
versammelt seyn, um den Procurator zu bestellen, welche
Handlung man (abweichend von dem wahren Römischen
Sprachgebrauch) die Errichtung eines Syndicats zu nen-
nen pflegt (f).


neueren Schriftstellern erkannt
und bestritten: die zweyte, wich-
tigere, haben dieselben nicht be-
achtet. Lotz S. 119. Kori
S. 3 -- 5.
(f) Über die Abfassung eines
Syndicats ist die vorherrschende
Meynung neuerer Schriftsteller
die, daß 2/3 der Mitglieder zusam-
men kommen müßten bey einer
universitas inordinata (Dörfer,
Zünfte), nicht bey einer ordi-
nata
(Städte, Universitäten), de-
ren regelmäßige Vorsteher für sich
allein den gerichtlichen Procura-
tor bestellen könnten. Glück B. 5
II. 22

§. 97. Juriſtiſche Perſonen. Verfaſſung. (Fortſetzung.)
Auch hier wäre es vor Allem räthlich geweſen, die uni-
versitas ordinata
von jener angeblichen Regel auszuneh-
men, und in der That hat ſich die Praxis gegen dieſe
falſche Theorie von ſelbſt geholfen. Denn obgleich die
Lehre von den ⅔ der Mitglieder, als unzweifelhaft gültig
für alle Corporationen, bey den Schriftſtellern überall vor-
getragen wurde, ſo hat man doch in den deutſchen Städ-
ten, weder auf die Bürgerſchaft, noch auf den Stadtrath
(bey welchem ſich am erſten eine Analogie des wahren
Römiſchen Grundſatzes behaupten ließe), Anwendung da-
von gemacht. Sieht man genau zu, was von dem Grund-
ſatz der ⅔ der Mitglieder in die Praxis übergegangen iſt,
ſo iſt es lediglich die Beſtellung eines Procurators zur
Prozeßführung von Seiten der Dorfgemeinden, die ſtets
eine höchſt unvollkommene Verfaſſung haben, alſo univer-
sitates inordinatae
ſind. Hier müſſen ⅔ der Mitglieder
verſammelt ſeyn, um den Procurator zu beſtellen, welche
Handlung man (abweichend von dem wahren Römiſchen
Sprachgebrauch) die Errichtung eines Syndicats zu nen-
nen pflegt (f).


neueren Schriftſtellern erkannt
und beſtritten: die zweyte, wich-
tigere, haben dieſelben nicht be-
achtet. Lotz S. 119. Kori
S. 3 — 5.
(f) Über die Abfaſſung eines
Syndicats iſt die vorherrſchende
Meynung neuerer Schriftſteller
die, daß ⅔ der Mitglieder zuſam-
men kommen müßten bey einer
universitas inordinata (Dörfer,
Zünfte), nicht bey einer ordi-
nata
(Städte, Univerſitäten), de-
ren regelmäßige Vorſteher für ſich
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tor beſtellen könnten. Glück B. 5
II. 22
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[337/0351] §. 97. Juriſtiſche Perſonen. Verfaſſung. (Fortſetzung.) Auch hier wäre es vor Allem räthlich geweſen, die uni- versitas ordinata von jener angeblichen Regel auszuneh- men, und in der That hat ſich die Praxis gegen dieſe falſche Theorie von ſelbſt geholfen. Denn obgleich die Lehre von den ⅔ der Mitglieder, als unzweifelhaft gültig für alle Corporationen, bey den Schriftſtellern überall vor- getragen wurde, ſo hat man doch in den deutſchen Städ- ten, weder auf die Bürgerſchaft, noch auf den Stadtrath (bey welchem ſich am erſten eine Analogie des wahren Römiſchen Grundſatzes behaupten ließe), Anwendung da- von gemacht. Sieht man genau zu, was von dem Grund- ſatz der ⅔ der Mitglieder in die Praxis übergegangen iſt, ſo iſt es lediglich die Beſtellung eines Procurators zur Prozeßführung von Seiten der Dorfgemeinden, die ſtets eine höchſt unvollkommene Verfaſſung haben, alſo univer- sitates inordinatae ſind. Hier müſſen ⅔ der Mitglieder verſammelt ſeyn, um den Procurator zu beſtellen, welche Handlung man (abweichend von dem wahren Römiſchen Sprachgebrauch) die Errichtung eines Syndicats zu nen- nen pflegt (f). (e) (f) Über die Abfaſſung eines Syndicats iſt die vorherrſchende Meynung neuerer Schriftſteller die, daß ⅔ der Mitglieder zuſam- men kommen müßten bey einer universitas inordinata (Dörfer, Zünfte), nicht bey einer ordi- nata (Städte, Univerſitäten), de- ren regelmäßige Vorſteher für ſich allein den gerichtlichen Procura- tor beſtellen könnten. Glück B. 5 (e) neueren Schriftſtellern erkannt und beſtritten: die zweyte, wich- tigere, haben dieſelben nicht be- achtet. Lotz S. 119. Kori S. 3 — 5. II. 22

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/351>, abgerufen am 22.11.2024.