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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
Die Anerkennung solcher indirecten Einwirkungen wird
vielleicht dazu beytragen, die Wiederkehr falscher Behaup-
tungen über diese Frage noch sicherer zu verhüten.

Erstlich kann bey solchen Corporationen, welche poli-
tischer Natur sind (z. B. den Gemeinden) Etwas eintre-
ten, das einer Strafe ähnlich sieht, und dennoch einen
wesentlich verschiedenen Character hat. So ließe es sich
denken, daß eine Stadt, in Folge einer Verrätherey ge-
gen den Feind, zerstört würde und als Corporation ver-
schwände; oder auch, daß sie nur gewisse Vorrechte oder
Ehrentitel verlöre. Eben so geschieht es wohl, daß einem
Regiment im Kriege die Fahnen entzogen werden, bis es
sie durch neue Auszeichnung wieder gewinnt. Allein die-
ses sind politische Akte, Handlungen der Regierungsge-
walt, nicht des Richters; sie sind dazu bestimmt, auf
Schuldige und Fremde einen großen Eindruck zu machen,
und das Übel, welches sie zufügen, wird fast immer auch
unschuldige Individuen treffen, wie es bey einer wahren,
vom Richter ausgesprochenen, Strafe nie seyn könnte.
Sie haben also vielmehr eine ähnliche Natur wie die Auf-
hebung einer Corporation, wenn dieselbe Anfangs geneh-
migt war, hinterher aber sich als gemeinschädlich zeigt
(§ 89); welches letzte sogar geschehen kann, ohne daß ir-
gend ein Verbrechen begangen worden ist.

Zweytens steht neben der obligatio ex delicto oft eine
von ihr ganz verschiedene obligatio ex re, ex eo quod ad
aliquem pervenit,
und diese kann unstreitig die juristische

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
Die Anerkennung ſolcher indirecten Einwirkungen wird
vielleicht dazu beytragen, die Wiederkehr falſcher Behaup-
tungen über dieſe Frage noch ſicherer zu verhüten.

Erſtlich kann bey ſolchen Corporationen, welche poli-
tiſcher Natur ſind (z. B. den Gemeinden) Etwas eintre-
ten, das einer Strafe ähnlich ſieht, und dennoch einen
weſentlich verſchiedenen Character hat. So ließe es ſich
denken, daß eine Stadt, in Folge einer Verrätherey ge-
gen den Feind, zerſtört würde und als Corporation ver-
ſchwände; oder auch, daß ſie nur gewiſſe Vorrechte oder
Ehrentitel verlöre. Eben ſo geſchieht es wohl, daß einem
Regiment im Kriege die Fahnen entzogen werden, bis es
ſie durch neue Auszeichnung wieder gewinnt. Allein die-
ſes ſind politiſche Akte, Handlungen der Regierungsge-
walt, nicht des Richters; ſie ſind dazu beſtimmt, auf
Schuldige und Fremde einen großen Eindruck zu machen,
und das Übel, welches ſie zufügen, wird faſt immer auch
unſchuldige Individuen treffen, wie es bey einer wahren,
vom Richter ausgeſprochenen, Strafe nie ſeyn könnte.
Sie haben alſo vielmehr eine ähnliche Natur wie die Auf-
hebung einer Corporation, wenn dieſelbe Anfangs geneh-
migt war, hinterher aber ſich als gemeinſchädlich zeigt
(§ 89); welches letzte ſogar geſchehen kann, ohne daß ir-
gend ein Verbrechen begangen worden iſt.

Zweytens ſteht neben der obligatio ex delicto oft eine
von ihr ganz verſchiedene obligatio ex re, ex eo quod ad
aliquem pervenit,
und dieſe kann unſtreitig die juriſtiſche

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[318/0332] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. Die Anerkennung ſolcher indirecten Einwirkungen wird vielleicht dazu beytragen, die Wiederkehr falſcher Behaup- tungen über dieſe Frage noch ſicherer zu verhüten. Erſtlich kann bey ſolchen Corporationen, welche poli- tiſcher Natur ſind (z. B. den Gemeinden) Etwas eintre- ten, das einer Strafe ähnlich ſieht, und dennoch einen weſentlich verſchiedenen Character hat. So ließe es ſich denken, daß eine Stadt, in Folge einer Verrätherey ge- gen den Feind, zerſtört würde und als Corporation ver- ſchwände; oder auch, daß ſie nur gewiſſe Vorrechte oder Ehrentitel verlöre. Eben ſo geſchieht es wohl, daß einem Regiment im Kriege die Fahnen entzogen werden, bis es ſie durch neue Auszeichnung wieder gewinnt. Allein die- ſes ſind politiſche Akte, Handlungen der Regierungsge- walt, nicht des Richters; ſie ſind dazu beſtimmt, auf Schuldige und Fremde einen großen Eindruck zu machen, und das Übel, welches ſie zufügen, wird faſt immer auch unſchuldige Individuen treffen, wie es bey einer wahren, vom Richter ausgeſprochenen, Strafe nie ſeyn könnte. Sie haben alſo vielmehr eine ähnliche Natur wie die Auf- hebung einer Corporation, wenn dieſelbe Anfangs geneh- migt war, hinterher aber ſich als gemeinſchädlich zeigt (§ 89); welches letzte ſogar geſchehen kann, ohne daß ir- gend ein Verbrechen begangen worden iſt. Zweytens ſteht neben der obligatio ex delicto oft eine von ihr ganz verſchiedene obligatio ex re, ex eo quod ad aliquem pervenit, und dieſe kann unſtreitig die juriſtiſche

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/332>, abgerufen am 22.11.2024.