Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen. stenthum eine andere Ansicht geltend wurde, erklärt sichaus seiner Einheit und Selbstständigkeit, und besonders aus der weit größeren Macht, die es über die Gemüther ausübte. -- Was aber die Anstalten der Wohlthätigkeit betrifft, so hatten diese zur Zeit der Republik weniger ei- nen menschlichen, als einen politischen Character; so der ungeheuere Aufwand, wodurch für die Erhaltung und das Vergnügen der geringen Klassen der Einwohner, theils aus Staatskassen, theils von den einzelnen Obrigkeiten, gesorgt wurde. Wenn später von manchen Kaisern Wohl- thätigkeit geübt wurde, wie von Trajan durch seine groß- artige Stiftung für arme Kinder in Italien, so beruhte dieses auf vereinzelter, vorübergehender persönlicher Will- kühr. Es war dem Christenthum vorbehalten, die Men- schenliebe an sich zu einem wichtigen Gegenstand der Thä- tigkeit zu erheben, und in dauernden, unabhängigen An- stalten gleichsam zu verkörpern. Seitdem nun, unter der Herrschaft christlicher Fürsten, Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. ſtenthum eine andere Anſicht geltend wurde, erklärt ſichaus ſeiner Einheit und Selbſtſtändigkeit, und beſonders aus der weit größeren Macht, die es über die Gemüther ausübte. — Was aber die Anſtalten der Wohlthätigkeit betrifft, ſo hatten dieſe zur Zeit der Republik weniger ei- nen menſchlichen, als einen politiſchen Character; ſo der ungeheuere Aufwand, wodurch für die Erhaltung und das Vergnügen der geringen Klaſſen der Einwohner, theils aus Staatskaſſen, theils von den einzelnen Obrigkeiten, geſorgt wurde. Wenn ſpäter von manchen Kaiſern Wohl- thätigkeit geübt wurde, wie von Trajan durch ſeine groß- artige Stiftung für arme Kinder in Italien, ſo beruhte dieſes auf vereinzelter, vorübergehender perſönlicher Will- kühr. Es war dem Chriſtenthum vorbehalten, die Men- ſchenliebe an ſich zu einem wichtigen Gegenſtand der Thä- tigkeit zu erheben, und in dauernden, unabhängigen An- ſtalten gleichſam zu verkörpern. Seitdem nun, unter der Herrſchaft chriſtlicher Fürſten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0278" n="264"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Perſonen.</fw><lb/> ſtenthum eine andere Anſicht geltend wurde, erklärt ſich<lb/> aus ſeiner Einheit und Selbſtſtändigkeit, und beſonders<lb/> aus der weit größeren Macht, die es über die Gemüther<lb/> ausübte. — Was aber die Anſtalten der Wohlthätigkeit<lb/> betrifft, ſo hatten dieſe zur Zeit der Republik weniger ei-<lb/> nen menſchlichen, als einen politiſchen Character; ſo der<lb/> ungeheuere Aufwand, wodurch für die Erhaltung und das<lb/> Vergnügen der geringen Klaſſen der Einwohner, theils<lb/> aus Staatskaſſen, theils von den einzelnen Obrigkeiten,<lb/> geſorgt wurde. Wenn ſpäter von manchen Kaiſern Wohl-<lb/> thätigkeit geübt wurde, wie von Trajan durch ſeine groß-<lb/> artige Stiftung für arme Kinder in Italien, ſo beruhte<lb/> dieſes auf vereinzelter, vorübergehender perſönlicher Will-<lb/> kühr. Es war dem Chriſtenthum vorbehalten, die Men-<lb/> ſchenliebe an ſich zu einem wichtigen Gegenſtand der Thä-<lb/> tigkeit zu erheben, und in dauernden, unabhängigen An-<lb/> ſtalten gleichſam zu verkörpern.</p><lb/> <p>Seitdem nun, unter der Herrſchaft chriſtlicher Fürſten,<lb/> die kirchlichen Inſtitute als juriſtiſche Perſonen auftreten,<lb/> welches iſt hier der Punkt, wohin wir die Perſönlichkeit<lb/> zu verſetzen haben, oder wie haben wir uns genau das<lb/> Subject der ihnen zuſtehenden Vermoͤgensrechte zu denken?<lb/> Vor Allem iſt hierin folgender Gegenſatz gegen die frühere<lb/> Zeit unverkennbar. Die alten Götter wurden gedacht als<lb/> individuelle Perſonen, ähnlich den einzelnen, ſichtbar um-<lb/> her wandelnden Menſchen; Nichts war natürlicher, als<lb/> daß Jeder derſelben ſein eigenes Vermögen haben konnte,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [264/0278]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
ſtenthum eine andere Anſicht geltend wurde, erklärt ſich
aus ſeiner Einheit und Selbſtſtändigkeit, und beſonders
aus der weit größeren Macht, die es über die Gemüther
ausübte. — Was aber die Anſtalten der Wohlthätigkeit
betrifft, ſo hatten dieſe zur Zeit der Republik weniger ei-
nen menſchlichen, als einen politiſchen Character; ſo der
ungeheuere Aufwand, wodurch für die Erhaltung und das
Vergnügen der geringen Klaſſen der Einwohner, theils
aus Staatskaſſen, theils von den einzelnen Obrigkeiten,
geſorgt wurde. Wenn ſpäter von manchen Kaiſern Wohl-
thätigkeit geübt wurde, wie von Trajan durch ſeine groß-
artige Stiftung für arme Kinder in Italien, ſo beruhte
dieſes auf vereinzelter, vorübergehender perſönlicher Will-
kühr. Es war dem Chriſtenthum vorbehalten, die Men-
ſchenliebe an ſich zu einem wichtigen Gegenſtand der Thä-
tigkeit zu erheben, und in dauernden, unabhängigen An-
ſtalten gleichſam zu verkörpern.
Seitdem nun, unter der Herrſchaft chriſtlicher Fürſten,
die kirchlichen Inſtitute als juriſtiſche Perſonen auftreten,
welches iſt hier der Punkt, wohin wir die Perſönlichkeit
zu verſetzen haben, oder wie haben wir uns genau das
Subject der ihnen zuſtehenden Vermoͤgensrechte zu denken?
Vor Allem iſt hierin folgender Gegenſatz gegen die frühere
Zeit unverkennbar. Die alten Götter wurden gedacht als
individuelle Perſonen, ähnlich den einzelnen, ſichtbar um-
her wandelnden Menſchen; Nichts war natürlicher, als
daß Jeder derſelben ſein eigenes Vermögen haben konnte,
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