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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
noch dasselbe Judicium (e). Alle diese Ausdrücke und
Rechtssätze aber gelten ihnen nur für das Staatsrecht
oder den Prozeß, und sie sind weit entfernt, sie mit der
privatrechtlichen Lehre von den juristischen Personen in ir-
gend eine Berührung zu bringen, von welcher Vermischung
des Ungleichartigen sich die neueren Schriftsteller nicht so
frey erhalten haben. Auch die Classen, Centurien und
Tribus waren wichtige politische Einheiten, aber als ju-
ristische Personen, d. h. als Inhaber eines gemeinsamen
Vermögens, scheinen sie niemals gegolten zu haben (f).

Eine zweyte, nicht minder wesentliche Begränzung des
Begriffs der juristischen Person ist die auf die Vermö-
gensverhältnisse
, wodurch also die Familie ausge-
schlossen wird. Alles Familienverhältniß nämlich, in sei-
nem ursprünglichen Begriff, bezieht sich auf den natürli-
chen Menschen, und die juristische Behandlung desselben
ist etwas Abgeleitetes und Untergeordnetes (§ 53. 54); da-
her ist eine Anwendung desselben auf Subjecte, die nicht
Menschen sind, unmöglich. Das Vermögen aber ist sei-

(e) L. 76 de judic. (5. 1.). --
Eben so, wenn Nov. 134 C. 6
sagt, das Rescript an einen Pro-
vinzialbeamten sey auch von des-
sen Nachfolger auszuführen.
(f) Doch will ich hierüber nichts
Bestimmtes behaupten. Sueton.
Aug.
101 sagt, August habe in
seinem Testament dem Populus
zwey Millionen Thaler, jeder Tri-
bus Fünf Tausend Thaler legirt:
"Legavit populo Rom. qua-
dringenties, tribubus tricies
quinquies HS."
(das heißt so
viele 100000 Sesterze). Indessen
kann das auch so viel heißen:
die zwey Millionen waren der
Staatskasse legirt, Fünf Tausend
sollten an die einzelnen Bürger
jeder Tribus vertheilt werden.
Vgl. auch Averanius II. 19.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
noch daſſelbe Judicium (e). Alle dieſe Ausdrücke und
Rechtsſätze aber gelten ihnen nur für das Staatsrecht
oder den Prozeß, und ſie ſind weit entfernt, ſie mit der
privatrechtlichen Lehre von den juriſtiſchen Perſonen in ir-
gend eine Berührung zu bringen, von welcher Vermiſchung
des Ungleichartigen ſich die neueren Schriftſteller nicht ſo
frey erhalten haben. Auch die Claſſen, Centurien und
Tribus waren wichtige politiſche Einheiten, aber als ju-
riſtiſche Perſonen, d. h. als Inhaber eines gemeinſamen
Vermoͤgens, ſcheinen ſie niemals gegolten zu haben (f).

Eine zweyte, nicht minder weſentliche Begränzung des
Begriffs der juriſtiſchen Perſon iſt die auf die Vermö-
gensverhältniſſe
, wodurch alſo die Familie ausge-
ſchloſſen wird. Alles Familienverhältniß nämlich, in ſei-
nem urſprünglichen Begriff, bezieht ſich auf den natürli-
chen Menſchen, und die juriſtiſche Behandlung deſſelben
iſt etwas Abgeleitetes und Untergeordnetes (§ 53. 54); da-
her iſt eine Anwendung deſſelben auf Subjecte, die nicht
Menſchen ſind, unmöglich. Das Vermögen aber iſt ſei-

(e) L. 76 de judic. (5. 1.). —
Eben ſo, wenn Nov. 134 C. 6
ſagt, das Reſcript an einen Pro-
vinzialbeamten ſey auch von deſ-
ſen Nachfolger auszuführen.
(f) Doch will ich hierüber nichts
Beſtimmtes behaupten. Sueton.
Aug.
101 ſagt, Auguſt habe in
ſeinem Teſtament dem Populus
zwey Millionen Thaler, jeder Tri-
bus Fünf Tauſend Thaler legirt:
„Legavit populo Rom. qua-
dringenties, tribubus tricies
quinquies HS.”
(das heißt ſo
viele 100000 Seſterze). Indeſſen
kann das auch ſo viel heißen:
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[238/0252] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. noch daſſelbe Judicium (e). Alle dieſe Ausdrücke und Rechtsſätze aber gelten ihnen nur für das Staatsrecht oder den Prozeß, und ſie ſind weit entfernt, ſie mit der privatrechtlichen Lehre von den juriſtiſchen Perſonen in ir- gend eine Berührung zu bringen, von welcher Vermiſchung des Ungleichartigen ſich die neueren Schriftſteller nicht ſo frey erhalten haben. Auch die Claſſen, Centurien und Tribus waren wichtige politiſche Einheiten, aber als ju- riſtiſche Perſonen, d. h. als Inhaber eines gemeinſamen Vermoͤgens, ſcheinen ſie niemals gegolten zu haben (f). Eine zweyte, nicht minder weſentliche Begränzung des Begriffs der juriſtiſchen Perſon iſt die auf die Vermö- gensverhältniſſe, wodurch alſo die Familie ausge- ſchloſſen wird. Alles Familienverhältniß nämlich, in ſei- nem urſprünglichen Begriff, bezieht ſich auf den natürli- chen Menſchen, und die juriſtiſche Behandlung deſſelben iſt etwas Abgeleitetes und Untergeordnetes (§ 53. 54); da- her iſt eine Anwendung deſſelben auf Subjecte, die nicht Menſchen ſind, unmöglich. Das Vermögen aber iſt ſei- (e) L. 76 de judic. (5. 1.). — Eben ſo, wenn Nov. 134 C. 6 ſagt, das Reſcript an einen Pro- vinzialbeamten ſey auch von deſ- ſen Nachfolger auszuführen. (f) Doch will ich hierüber nichts Beſtimmtes behaupten. Sueton. Aug. 101 ſagt, Auguſt habe in ſeinem Teſtament dem Populus zwey Millionen Thaler, jeder Tri- bus Fünf Tauſend Thaler legirt: „Legavit populo Rom. qua- dringenties, tribubus tricies quinquies HS.” (das heißt ſo viele 100000 Seſterze). Indeſſen kann das auch ſo viel heißen: die zwey Millionen waren der Staatskaſſe legirt, Fünf Tauſend ſollten an die einzelnen Bürger jeder Tribus vertheilt werden. Vgl. auch Averanius II. 19.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/252>, abgerufen am 25.11.2024.