§. 81. Juristische Bedeutung der Infamie. (Fortsetzung.)
Folgende Zeugnisse endlich bestätigen meine Behaup- tung in ihrem ganzen Zusammenhang, für honores und suffragium zugleich, indem sie die Infamie als eine Ka- pitalsache, als eine capitis deminutio, anerkennen, wel- ches sich nur aus der hier aufgestellten Ansicht von dem Verlust der politischen Hälfte der Civität erklären läßt (§ 79).
Von den drey infamirenden Klagen, fiduciae, tutelae, societatis, sagt Cicero in der Rede pro Roscio (Cap. 6), sie seyen summae existimationis, et paene dicam capitis. -- Eine andere Rede des Cicero, pro Quinctio, beschäf- tigt sich mit der Frage, ob sein Client in der That einen rechtsgültigen Concurs (possessio bonorum) erlitten habe, und er nennt diese Sache wiederholt und ganz bestimmt eine capitis causa (Cap. 8. 9. 13. 22), welches durchaus nicht anders zu erklären ist, als aus der mit dem Con- curse verbundenen Ehrlosigkeit (§ 77). Ja in einer Stelle dieser Rede bezeichnet er geradezu das schwere Schicksal, welches er von seinem Clienten abzuwenden sucht, als In- famie (Cap. 15), so daß aus dem Zusammenhang dieser Rede die Identität der Infamie mit der capitis causa un- zweifelhaft hervorgeht.
Noch unmittelbarer aber gehört hierher eine Stelle des Tertullian, welche den Schauspielern die Infamie zu- schreibt, zugleich aber ihren Zustand eine capitis minu-
§. 81. Juriſtiſche Bedeutung der Infamie. (Fortſetzung.)
Folgende Zeugniſſe endlich beſtätigen meine Behaup- tung in ihrem ganzen Zuſammenhang, für honores und suffragium zugleich, indem ſie die Infamie als eine Ka- pitalſache, als eine capitis deminutio, anerkennen, wel- ches ſich nur aus der hier aufgeſtellten Anſicht von dem Verluſt der politiſchen Hälfte der Civität erklären läßt (§ 79).
Von den drey infamirenden Klagen, fiduciae, tutelae, societatis, ſagt Cicero in der Rede pro Roscio (Cap. 6), ſie ſeyen summae existimationis, et paene dicam capitis. — Eine andere Rede des Cicero, pro Quinctio, beſchäf- tigt ſich mit der Frage, ob ſein Client in der That einen rechtsgültigen Concurs (possessio bonorum) erlitten habe, und er nennt dieſe Sache wiederholt und ganz beſtimmt eine capitis causa (Cap. 8. 9. 13. 22), welches durchaus nicht anders zu erklären iſt, als aus der mit dem Con- curſe verbundenen Ehrloſigkeit (§ 77). Ja in einer Stelle dieſer Rede bezeichnet er geradezu das ſchwere Schickſal, welches er von ſeinem Clienten abzuwenden ſucht, als In- famie (Cap. 15), ſo daß aus dem Zuſammenhang dieſer Rede die Identität der Infamie mit der capitis causa un- zweifelhaft hervorgeht.
Noch unmittelbarer aber gehört hierher eine Stelle des Tertullian, welche den Schauſpielern die Infamie zu- ſchreibt, zugleich aber ihren Zuſtand eine capitis minu-
II. 14
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§. 81. Infamie. Juriſtiſche Bedeutung. (Fortſetzung.)
§. 81.
Juriſtiſche Bedeutung der Infamie. (Fortſetzung.)
Folgende Zeugniſſe endlich beſtätigen meine Behaup-
tung in ihrem ganzen Zuſammenhang, für honores und
suffragium zugleich, indem ſie die Infamie als eine Ka-
pitalſache, als eine capitis deminutio, anerkennen, wel-
ches ſich nur aus der hier aufgeſtellten Anſicht von dem
Verluſt der politiſchen Hälfte der Civität erklären läßt (§ 79).
Von den drey infamirenden Klagen, fiduciae, tutelae,
societatis, ſagt Cicero in der Rede pro Roscio (Cap. 6),
ſie ſeyen summae existimationis, et paene dicam capitis.
— Eine andere Rede des Cicero, pro Quinctio, beſchäf-
tigt ſich mit der Frage, ob ſein Client in der That einen
rechtsgültigen Concurs (possessio bonorum) erlitten habe,
und er nennt dieſe Sache wiederholt und ganz beſtimmt
eine capitis causa (Cap. 8. 9. 13. 22), welches durchaus
nicht anders zu erklären iſt, als aus der mit dem Con-
curſe verbundenen Ehrloſigkeit (§ 77). Ja in einer Stelle
dieſer Rede bezeichnet er geradezu das ſchwere Schickſal,
welches er von ſeinem Clienten abzuwenden ſucht, als In-
famie (Cap. 15), ſo daß aus dem Zuſammenhang dieſer
Rede die Identität der Infamie mit der capitis causa un-
zweifelhaft hervorgeht.
Noch unmittelbarer aber gehört hierher eine Stelle des
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ſchreibt, zugleich aber ihren Zuſtand eine capitis minu-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/223>, abgerufen am 21.11.2024.
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