Jetzt erst ist es möglich, das etwas dunkle Verhältniß der Tafel von Heraklea zu dem Edict über die Infamia festzustellen. Der in jener Inschrift enthaltene Volksschluß sagt kein Wort von Infamie, aber er stellt, mit wenigen Abweichungen, dieselben Fälle zusammen, welche der Prä- tor als Fälle der Infamie aufzählt. Diese Zusammen- stellung aber hat in dem angeführten Volksschluß den Sinn, daß den hier bezeichneten Personen verboten wird, Senatores, Decuriones, Conscripti ihrer Stadt zu seyn, ihre Stimme im Stadtsenat abzugeben, die mit diesen Stellen verknüpften Ehren zu genießen, imgleichen Magi- straturen zu erlangen, welche den Eintritt in den Senat geben: Alles bey Strafe von 50000 Sesterzen (2500 Tha- ler) für die Unfähigen, welche sich dennoch einzudrängen suchen (lin. 109 -- 110. 124 -- 141). Hierin könnte man nun theils eine Bestätigung, theils eine Widerlegung un- srer aufgestellten Ansicht finden wollen: eine Bestätigung, insofern hier ungefähr dieselben Personen, die das Edict als Infames aufzählt, von allen Ehren und Würden aus- geschlossen werden; eine Widerlegung, insofern hier nicht zugleich die Entziehung des Stimmrechts an jene Eigen- schaften geknüpft wird. Diesen Einwurf kann man nicht etwa durch die Annahme entfernen, daß die Municipien und Colonien damals überhaupt keine Volksversammlun- gen mehr gehabt hätten, denn solche werden sogar in derselben Lex ausdrücklich erwähnt (g). Vielmehr ist das
Jetzt erſt iſt es möglich, das etwas dunkle Verhältniß der Tafel von Heraklea zu dem Edict über die Infamia feſtzuſtellen. Der in jener Inſchrift enthaltene Volksſchluß ſagt kein Wort von Infamie, aber er ſtellt, mit wenigen Abweichungen, dieſelben Fälle zuſammen, welche der Prä- tor als Fälle der Infamie aufzählt. Dieſe Zuſammen- ſtellung aber hat in dem angeführten Volksſchluß den Sinn, daß den hier bezeichneten Perſonen verboten wird, Senatores, Decuriones, Conscripti ihrer Stadt zu ſeyn, ihre Stimme im Stadtſenat abzugeben, die mit dieſen Stellen verknüpften Ehren zu genießen, imgleichen Magi- ſtraturen zu erlangen, welche den Eintritt in den Senat geben: Alles bey Strafe von 50000 Seſterzen (2500 Tha- ler) für die Unfähigen, welche ſich dennoch einzudrängen ſuchen (lin. 109 — 110. 124 — 141). Hierin könnte man nun theils eine Beſtätigung, theils eine Widerlegung un- ſrer aufgeſtellten Anſicht finden wollen: eine Beſtätigung, inſofern hier ungefähr dieſelben Perſonen, die das Edict als Infames aufzählt, von allen Ehren und Würden aus- geſchloſſen werden; eine Widerlegung, inſofern hier nicht zugleich die Entziehung des Stimmrechts an jene Eigen- ſchaften geknüpft wird. Dieſen Einwurf kann man nicht etwa durch die Annahme entfernen, daß die Municipien und Colonien damals überhaupt keine Volksverſammlun- gen mehr gehabt hätten, denn ſolche werden ſogar in derſelben Lex ausdrücklich erwähnt (g). Vielmehr iſt das
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[206/0220]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
Jetzt erſt iſt es möglich, das etwas dunkle Verhältniß
der Tafel von Heraklea zu dem Edict über die Infamia
feſtzuſtellen. Der in jener Inſchrift enthaltene Volksſchluß
ſagt kein Wort von Infamie, aber er ſtellt, mit wenigen
Abweichungen, dieſelben Fälle zuſammen, welche der Prä-
tor als Fälle der Infamie aufzählt. Dieſe Zuſammen-
ſtellung aber hat in dem angeführten Volksſchluß den
Sinn, daß den hier bezeichneten Perſonen verboten wird,
Senatores, Decuriones, Conscripti ihrer Stadt zu ſeyn,
ihre Stimme im Stadtſenat abzugeben, die mit dieſen
Stellen verknüpften Ehren zu genießen, imgleichen Magi-
ſtraturen zu erlangen, welche den Eintritt in den Senat
geben: Alles bey Strafe von 50000 Seſterzen (2500 Tha-
ler) für die Unfähigen, welche ſich dennoch einzudrängen
ſuchen (lin. 109 — 110. 124 — 141). Hierin könnte man
nun theils eine Beſtätigung, theils eine Widerlegung un-
ſrer aufgeſtellten Anſicht finden wollen: eine Beſtätigung,
inſofern hier ungefähr dieſelben Perſonen, die das Edict
als Infames aufzählt, von allen Ehren und Würden aus-
geſchloſſen werden; eine Widerlegung, inſofern hier nicht
zugleich die Entziehung des Stimmrechts an jene Eigen-
ſchaften geknüpft wird. Dieſen Einwurf kann man nicht
etwa durch die Annahme entfernen, daß die Municipien
und Colonien damals überhaupt keine Volksverſammlun-
gen mehr gehabt hätten, denn ſolche werden ſogar in
derſelben Lex ausdrücklich erwähnt (g). Vielmehr iſt das
(g) Tab. Heracl. lin. 132 „neve quis ejus rationem comitiis
conciliave habeto.”
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/220>, abgerufen am 21.11.2024.
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