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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 80. Infamie. Juristische Bedeutung. (Fortsetzung.)
daß ihre Entfernung aus der Reihe der stimmfähigen Bür-
ger lediglich eine Folge ihrer Infamie war, wodurch eben
unsre Behauptung bestätigt wird. Ja Augustin drückt in
der angeführten Stelle diesen Zusammenhang fast wörtlich
aus, indem er die Infamie der Schauspieler mit ihrer
Ausstoßung aus der Tribus unmittelbar zusammenstellt,
und so beides gewissermaßen identificirt (f).


brauchte, der gewöhnlicher von der
censorischen Willkühr gebraucht
wurde, an sich aber auch für die
eigentliche Infamie (wovon er
redete) nicht unpassend war.
(f) Allerdings könnte noch aus
der unverkennbaren Zweydeutig-
keit des Ausdrucks tribu movere
ein Zweifel hergenommen wer-
den. Tribu movere heißt wört-
lich: einen Bürger aus der Tri-
bus, worin er bisher stand, ent-
fernen. Daneben ist nun zweyer-
ley denkbar: er kann in eine an-
dere, nur geringere, Tribus (aus
einer rustica in eine urbana)
versetzt, oder aber in gar keine
Tribus gebracht, also zum Ära-
rier gemacht werden. (Nie-
buhr
II. 448). Wird der Aus-
druck von einer willkührlichen
Handlung der Censoren gebraucht,
so giebt man ihm wohl den er-
sten Sinn, und unterscheidet ihn
von dem in aerarios referre.
So thut es Cicero (§ 79. b),
und eben so kommt der Ausdruck
vor in der merkwürdigsten Stelle
über diesen Sprachgebrauch (Liv.
XLV.
15), welche unten (§ 81. c)
erklärt werden wird. -- Wird da-
gegen das tribu moveri als Folge
einer allgemeinen Regel (wie hier
bey den Schauspielern) bezeichnet,
so ist es ohne Zweifel gleichbe-
deutend mit in aerarios referri:
theils weil ja sonst die Angabe,
wegen der fehlenden Bezeichnung
der neuen geringeren Tribus, ganz
unvollständig bliebe, theils weil
überhaupt die bloße Herabsetzung
in eine geringere Tribus zu der
willkührlichen Verfügung eines
Censors sehr gut paßt, aber als
Folge einer allgemeinen Regel ge-
dacht, zu subtil und kleinlich ist,
und daher nicht mit Wahrschein-
lichkeit angenommen werden kann.
Daß aber Livius und Valerius
Maximus (Note d) unter tribu
movere
die Ausstoßung aus allen
Tribus verstehen, wird völlig un-
zweifelhaft durch die damit in Ver-
bindung gesetzte Unfähigkeit zum
Kriegsdienst: denn diese Unfähig-
keit war nur die Folge der Aus-
stoßung aus allen Tribus (Note c),
nicht der bloßen Heruntersetzung
in eine weniger vornehme.

§. 80. Infamie. Juriſtiſche Bedeutung. (Fortſetzung.)
daß ihre Entfernung aus der Reihe der ſtimmfähigen Bür-
ger lediglich eine Folge ihrer Infamie war, wodurch eben
unſre Behauptung beſtätigt wird. Ja Auguſtin drückt in
der angeführten Stelle dieſen Zuſammenhang faſt wörtlich
aus, indem er die Infamie der Schauſpieler mit ihrer
Ausſtoßung aus der Tribus unmittelbar zuſammenſtellt,
und ſo beides gewiſſermaßen identificirt (f).


brauchte, der gewöhnlicher von der
cenſoriſchen Willkühr gebraucht
wurde, an ſich aber auch für die
eigentliche Infamie (wovon er
redete) nicht unpaſſend war.
(f) Allerdings könnte noch aus
der unverkennbaren Zweydeutig-
keit des Ausdrucks tribu movere
ein Zweifel hergenommen wer-
den. Tribu movere heißt wört-
lich: einen Bürger aus der Tri-
bus, worin er bisher ſtand, ent-
fernen. Daneben iſt nun zweyer-
ley denkbar: er kann in eine an-
dere, nur geringere, Tribus (aus
einer rustica in eine urbana)
verſetzt, oder aber in gar keine
Tribus gebracht, alſo zum Ära-
rier gemacht werden. (Nie-
buhr
II. 448). Wird der Aus-
druck von einer willkührlichen
Handlung der Cenſoren gebraucht,
ſo giebt man ihm wohl den er-
ſten Sinn, und unterſcheidet ihn
von dem in aerarios referre.
So thut es Cicero (§ 79. b),
und eben ſo kommt der Ausdruck
vor in der merkwürdigſten Stelle
über dieſen Sprachgebrauch (Liv.
XLV.
15), welche unten (§ 81. c)
erklärt werden wird. — Wird da-
gegen das tribu moveri als Folge
einer allgemeinen Regel (wie hier
bey den Schauſpielern) bezeichnet,
ſo iſt es ohne Zweifel gleichbe-
deutend mit in aerarios referri:
theils weil ja ſonſt die Angabe,
wegen der fehlenden Bezeichnung
der neuen geringeren Tribus, ganz
unvollſtändig bliebe, theils weil
überhaupt die bloße Herabſetzung
in eine geringere Tribus zu der
willkührlichen Verfügung eines
Cenſors ſehr gut paßt, aber als
Folge einer allgemeinen Regel ge-
dacht, zu ſubtil und kleinlich iſt,
und daher nicht mit Wahrſchein-
lichkeit angenommen werden kann.
Daß aber Livius und Valerius
Maximus (Note d) unter tribu
movere
die Ausſtoßung aus allen
Tribus verſtehen, wird völlig un-
zweifelhaft durch die damit in Ver-
bindung geſetzte Unfähigkeit zum
Kriegsdienſt: denn dieſe Unfähig-
keit war nur die Folge der Aus-
ſtoßung aus allen Tribus (Note c),
nicht der bloßen Herunterſetzung
in eine weniger vornehme.
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[205/0219] §. 80. Infamie. Juriſtiſche Bedeutung. (Fortſetzung.) daß ihre Entfernung aus der Reihe der ſtimmfähigen Bür- ger lediglich eine Folge ihrer Infamie war, wodurch eben unſre Behauptung beſtätigt wird. Ja Auguſtin drückt in der angeführten Stelle dieſen Zuſammenhang faſt wörtlich aus, indem er die Infamie der Schauſpieler mit ihrer Ausſtoßung aus der Tribus unmittelbar zuſammenſtellt, und ſo beides gewiſſermaßen identificirt (f). (e) (f) Allerdings könnte noch aus der unverkennbaren Zweydeutig- keit des Ausdrucks tribu movere ein Zweifel hergenommen wer- den. Tribu movere heißt wört- lich: einen Bürger aus der Tri- bus, worin er bisher ſtand, ent- fernen. Daneben iſt nun zweyer- ley denkbar: er kann in eine an- dere, nur geringere, Tribus (aus einer rustica in eine urbana) verſetzt, oder aber in gar keine Tribus gebracht, alſo zum Ära- rier gemacht werden. (Nie- buhr II. 448). Wird der Aus- druck von einer willkührlichen Handlung der Cenſoren gebraucht, ſo giebt man ihm wohl den er- ſten Sinn, und unterſcheidet ihn von dem in aerarios referre. So thut es Cicero (§ 79. b), und eben ſo kommt der Ausdruck vor in der merkwürdigſten Stelle über dieſen Sprachgebrauch (Liv. XLV. 15), welche unten (§ 81. c) erklärt werden wird. — Wird da- gegen das tribu moveri als Folge einer allgemeinen Regel (wie hier bey den Schauſpielern) bezeichnet, ſo iſt es ohne Zweifel gleichbe- deutend mit in aerarios referri: theils weil ja ſonſt die Angabe, wegen der fehlenden Bezeichnung der neuen geringeren Tribus, ganz unvollſtändig bliebe, theils weil überhaupt die bloße Herabſetzung in eine geringere Tribus zu der willkührlichen Verfügung eines Cenſors ſehr gut paßt, aber als Folge einer allgemeinen Regel ge- dacht, zu ſubtil und kleinlich iſt, und daher nicht mit Wahrſchein- lichkeit angenommen werden kann. Daß aber Livius und Valerius Maximus (Note d) unter tribu movere die Ausſtoßung aus allen Tribus verſtehen, wird völlig un- zweifelhaft durch die damit in Ver- bindung geſetzte Unfähigkeit zum Kriegsdienſt: denn dieſe Unfähig- keit war nur die Folge der Aus- ſtoßung aus allen Tribus (Note c), nicht der bloßen Herunterſetzung in eine weniger vornehme. (e) brauchte, der gewöhnlicher von der cenſoriſchen Willkühr gebraucht wurde, an ſich aber auch für die eigentliche Infamie (wovon er redete) nicht unpaſſend war.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/219>, abgerufen am 24.11.2024.