Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
hauptung mehrere Stellen, welche übereinstimmend von
den Schauspielern sagen: tribu moventur. So Livius
und Valerius Maximus, welche von der Aufführung des
von den Oskern herstammenden Schauspiels der Atellanen
als etwas Besonderes bemerken, daß dieselbe nicht, so wie
das gewöhnliche Schauspiel, den Darsteller aus der Tri-
bus stoße, und zum Dienst in den Legionen untauglich
mache (d). Eben so sagt ganz allgemein Augustin von
den Schauspielern, daß sie (nach dem Eintritt in dieses
Gewerbe) durch die Censoren aus ihrer Tribus gestoßen
würden (e). Da nun die Schauspieler gewiß ehrlos
waren (§ 77), so ist Nichts natürlicher als anzunehmen,

(d) Livius VII. 2. "Quod ge-
nus ludorum ab Oscis accep-
tum tenuit juventus, nec ab hi-
strionibus pollui passa est.
Eo institutum manet, ut acto-
res Atellanarum nec tribu mo-
veantur, et stipendia, tamquam
expertes artis ludicrae, fa-
ciant.
" -- Valer. Max. II. 4
§ 4. "Nam neque tribu move-
tur,
neque a militum stipendiis
repellitur."
(e) Augustinus de civitate
Dei II. 13. "Sed, sicut apud
Ciceronem idem Scipio loqui-
tur, cum artem ludicram sce-
namque totam probro ducerent,
genus id hominum non modo
honore civium reliquorum ca-
rere
, sed etiam tribu moveri
notatione censoria
voluerunt."
Burchardi p.
46 sieht diese Stelle
als einen Gegengrund an, indem
nach ihr erst der Wille des Cen-
sors, also nicht schon die Infa-
mie an sich selbst, den Schauspie-
ler aus der Tribus entferne; er
weiß diesem Einwurf nur dadurch
zu begegnen, daß er einen Irr-
thum des Augustin annimmt, und
denselben aus der damals schon
längst untergegangenen Censur er-
klärt. Bedenkt man aber, daß
den Censoren die Ausführung der
Regeln über die Infamie oblag
(§ 79), und daß sie es waren,
die jedesmal neue Tribuslisten an-
fertigten, und aus denselben die-
jenigen Bürger wegließen, welche
seit dem letzten Census infam ge-
worden waren, so liegt in jener
Stelle kein Widerspruch gegen un-
sre gemeinschaftliche Ansicht, und
man kann höchstens dem Augustin
vorwerfen, daß er nicht vorsich-
tig genug einen Ausdruck ge-

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
hauptung mehrere Stellen, welche übereinſtimmend von
den Schauſpielern ſagen: tribu moventur. So Livius
und Valerius Maximus, welche von der Aufführung des
von den Oskern herſtammenden Schauſpiels der Atellanen
als etwas Beſonderes bemerken, daß dieſelbe nicht, ſo wie
das gewöhnliche Schauſpiel, den Darſteller aus der Tri-
bus ſtoße, und zum Dienſt in den Legionen untauglich
mache (d). Eben ſo ſagt ganz allgemein Auguſtin von
den Schauſpielern, daß ſie (nach dem Eintritt in dieſes
Gewerbe) durch die Cenſoren aus ihrer Tribus geſtoßen
würden (e). Da nun die Schauſpieler gewiß ehrlos
waren (§ 77), ſo iſt Nichts natürlicher als anzunehmen,

(d) Livius VII. 2. „Quod ge-
nus ludorum ab Oscis accep-
tum tenuit juventus, nec ab hi-
strionibus pollui passa est.
Eo institutum manet, ut acto-
res Atellanarum nec tribu mo-
veantur, et stipendia, tamquam
expertes artis ludicrae, fa-
ciant.
” — Valer. Max. II. 4
§ 4. „Nam neque tribu move-
tur,
neque a militum stipendiis
repellitur.”
(e) Augustinus de civitate
Dei II. 13. „Sed, sicut apud
Ciceronem idem Scipio loqui-
tur, cum artem ludicram sce-
namque totam probro ducerent,
genus id hominum non modo
honore civium reliquorum ca-
rere
, sed etiam tribu moveri
notatione censoria
voluerunt.”
Burchardi p.
46 ſieht dieſe Stelle
als einen Gegengrund an, indem
nach ihr erſt der Wille des Cen-
ſors, alſo nicht ſchon die Infa-
mie an ſich ſelbſt, den Schauſpie-
ler aus der Tribus entferne; er
weiß dieſem Einwurf nur dadurch
zu begegnen, daß er einen Irr-
thum des Auguſtin annimmt, und
denſelben aus der damals ſchon
längſt untergegangenen Cenſur er-
klärt. Bedenkt man aber, daß
den Cenſoren die Ausführung der
Regeln über die Infamie oblag
(§ 79), und daß ſie es waren,
die jedesmal neue Tribusliſten an-
fertigten, und aus denſelben die-
jenigen Bürger wegließen, welche
ſeit dem letzten Cenſus infam ge-
worden waren, ſo liegt in jener
Stelle kein Widerſpruch gegen un-
ſre gemeinſchaftliche Anſicht, und
man kann höchſtens dem Auguſtin
vorwerfen, daß er nicht vorſich-
tig genug einen Ausdruck ge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0218" n="204"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Per&#x017F;onen.</fw><lb/>
hauptung mehrere Stellen, welche überein&#x017F;timmend von<lb/>
den Schau&#x017F;pielern &#x017F;agen: <hi rendition="#aq">tribu moventur.</hi> So Livius<lb/>
und Valerius Maximus, welche von der Aufführung des<lb/>
von den Oskern her&#x017F;tammenden Schau&#x017F;piels der Atellanen<lb/>
als etwas Be&#x017F;onderes bemerken, daß die&#x017F;elbe nicht, &#x017F;o wie<lb/>
das gewöhnliche Schau&#x017F;piel, den Dar&#x017F;teller aus der Tri-<lb/>
bus &#x017F;toße, und zum Dien&#x017F;t in den Legionen untauglich<lb/>
mache <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Livius</hi> VII. 2. &#x201E;Quod ge-<lb/>
nus ludorum ab Oscis accep-<lb/>
tum tenuit juventus, nec ab hi-<lb/>
strionibus pollui passa est.<lb/>
Eo institutum manet, ut acto-<lb/>
res Atellanarum <hi rendition="#i">nec tribu mo-<lb/>
veantur, et stipendia, tamquam<lb/>
expertes artis ludicrae, fa-<lb/>
ciant.</hi>&#x201D; &#x2014; <hi rendition="#k">Valer. Max.</hi> II. 4<lb/>
§ 4. &#x201E;Nam neque <hi rendition="#i">tribu move-<lb/>
tur,</hi> neque <hi rendition="#i">a militum stipendiis</hi><lb/>
repellitur.&#x201D;</hi></note>. Eben &#x017F;o &#x017F;agt ganz allgemein Augu&#x017F;tin von<lb/>
den Schau&#x017F;pielern, daß &#x017F;ie (nach dem Eintritt in die&#x017F;es<lb/>
Gewerbe) durch die Cen&#x017F;oren aus ihrer Tribus ge&#x017F;toßen<lb/>
würden <note xml:id="seg2pn_41_1" next="#seg2pn_41_2" place="foot" n="(e)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Augustinus</hi> de civitate<lb/>
Dei II. 13. &#x201E;Sed, sicut apud<lb/>
Ciceronem idem Scipio loqui-<lb/>
tur, cum artem ludicram sce-<lb/>
namque totam <hi rendition="#i">probro ducerent</hi>,<lb/>
genus id hominum non modo<lb/><hi rendition="#i">honore</hi> civium reliquorum <hi rendition="#i">ca-<lb/>
rere</hi>, sed etiam <hi rendition="#i">tribu moveri<lb/>
notatione censoria</hi> voluerunt.&#x201D;<lb/><hi rendition="#k">Burchardi</hi> p.</hi> 46 &#x017F;ieht die&#x017F;e Stelle<lb/>
als einen Gegengrund an, indem<lb/>
nach ihr er&#x017F;t der Wille des Cen-<lb/>
&#x017F;ors, al&#x017F;o nicht &#x017F;chon die Infa-<lb/>
mie an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, den Schau&#x017F;pie-<lb/>
ler aus der Tribus entferne; er<lb/>
weiß die&#x017F;em Einwurf nur dadurch<lb/>
zu begegnen, daß er einen Irr-<lb/>
thum des Augu&#x017F;tin annimmt, und<lb/>
den&#x017F;elben aus der damals &#x017F;chon<lb/>
läng&#x017F;t untergegangenen Cen&#x017F;ur er-<lb/>
klärt. Bedenkt man aber, daß<lb/>
den Cen&#x017F;oren die Ausführung der<lb/>
Regeln über die Infamie oblag<lb/>
(§ 79), und daß &#x017F;ie es waren,<lb/>
die jedesmal neue Tribusli&#x017F;ten an-<lb/>
fertigten, und aus den&#x017F;elben die-<lb/>
jenigen Bürger wegließen, welche<lb/>
&#x017F;eit dem letzten Cen&#x017F;us infam ge-<lb/>
worden waren, &#x017F;o liegt in jener<lb/>
Stelle kein Wider&#x017F;pruch gegen un-<lb/>
&#x017F;re gemein&#x017F;chaftliche An&#x017F;icht, und<lb/>
man kann höch&#x017F;tens dem Augu&#x017F;tin<lb/>
vorwerfen, daß er nicht vor&#x017F;ich-<lb/>
tig genug einen Ausdruck ge-</note>. Da nun die Schau&#x017F;pieler gewiß ehrlos<lb/>
waren (§ 77), &#x017F;o i&#x017F;t Nichts natürlicher als anzunehmen,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[204/0218] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. hauptung mehrere Stellen, welche übereinſtimmend von den Schauſpielern ſagen: tribu moventur. So Livius und Valerius Maximus, welche von der Aufführung des von den Oskern herſtammenden Schauſpiels der Atellanen als etwas Beſonderes bemerken, daß dieſelbe nicht, ſo wie das gewöhnliche Schauſpiel, den Darſteller aus der Tri- bus ſtoße, und zum Dienſt in den Legionen untauglich mache (d). Eben ſo ſagt ganz allgemein Auguſtin von den Schauſpielern, daß ſie (nach dem Eintritt in dieſes Gewerbe) durch die Cenſoren aus ihrer Tribus geſtoßen würden (e). Da nun die Schauſpieler gewiß ehrlos waren (§ 77), ſo iſt Nichts natürlicher als anzunehmen, (d) Livius VII. 2. „Quod ge- nus ludorum ab Oscis accep- tum tenuit juventus, nec ab hi- strionibus pollui passa est. Eo institutum manet, ut acto- res Atellanarum nec tribu mo- veantur, et stipendia, tamquam expertes artis ludicrae, fa- ciant.” — Valer. Max. II. 4 § 4. „Nam neque tribu move- tur, neque a militum stipendiis repellitur.” (e) Augustinus de civitate Dei II. 13. „Sed, sicut apud Ciceronem idem Scipio loqui- tur, cum artem ludicram sce- namque totam probro ducerent, genus id hominum non modo honore civium reliquorum ca- rere, sed etiam tribu moveri notatione censoria voluerunt.” Burchardi p. 46 ſieht dieſe Stelle als einen Gegengrund an, indem nach ihr erſt der Wille des Cen- ſors, alſo nicht ſchon die Infa- mie an ſich ſelbſt, den Schauſpie- ler aus der Tribus entferne; er weiß dieſem Einwurf nur dadurch zu begegnen, daß er einen Irr- thum des Auguſtin annimmt, und denſelben aus der damals ſchon längſt untergegangenen Cenſur er- klärt. Bedenkt man aber, daß den Cenſoren die Ausführung der Regeln über die Infamie oblag (§ 79), und daß ſie es waren, die jedesmal neue Tribusliſten an- fertigten, und aus denſelben die- jenigen Bürger wegließen, welche ſeit dem letzten Cenſus infam ge- worden waren, ſo liegt in jener Stelle kein Widerſpruch gegen un- ſre gemeinſchaftliche Anſicht, und man kann höchſtens dem Auguſtin vorwerfen, daß er nicht vorſich- tig genug einen Ausdruck ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/218
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/218>, abgerufen am 25.11.2024.