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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 78. Infamie. Juristische Bedeutung.
postuliren, und will diesen den Namen Infames hiermit
beylegen; theils wäre nun dieser Name ganz zwecklos ge-
wesen, theils wäre kein Grund denkbar, warum er diesen
nen erfundenen Namen nicht eben so auf die im § 6 auf-
gezählten in turpitudine notabiles angewendet haben sollte,
wodurch jener Name zur consequent durchgeführten Be-
zeichnung aller aus sittlichen Gründen Unfähigen gewor-
den wäre. Vielmehr sagt er: zu dem dritten ordo der
Unfähigen gehören unter andern auch alle Infames (inso-
fern sie nicht schon einzeln im zweyten ordo mit aufge-
führt sind). Nach dieser Art des Ausdrucks setzt also der
Prätor den Begriff der Infames als einen alten, bekann-
ten Rechtsbegriff voraus, dessen Anwendungsgränzen ihm
auch gar nicht zweifelhaft waren: damit jedoch hierüber
kein Irrthum obwalten oder vorgewendet werden möchte,
stellte er vorsichtigerweise ein Verzeichniß dieser dem dritten
ordo non postulantium angehörenden, Infames auf. Es
war aber, nach seinem praktischen Zweck, ganz consequent,
hier diejenigen Personen nicht aufzunehmen, die er schon
im zweyten ordo einzeln genannt hatte, obgleich diese
darum nicht minder Infames seyn und heißen sollten (n).


(n) Man könnte einwenden,
der calumniae in judicio publi-
co causa judicatus
komme un-
ter den Infames der L. 1 de his
qui not.
vor, und stehe doch auch
schon in dem secundum edictum
der L. 1 § 6 de postul. Allein
in diesem § 6 wird gar nicht ge-
sagt, der wegen calumnia Ver-
urtheilte gehöre in den secundus
ordo
(d. h. er könne unbedingt
nicht für Andere postuliren), son-
dern nur, daß bey ihm der Se-
nat noch besonders verordnet habe,
er dürfe auch nicht einmal vor
dem judex pedaneus postuliren.
Der calumniae damnatus wird
also nicht in zwey Edicten auf-
II. 13

§. 78. Infamie. Juriſtiſche Bedeutung.
poſtuliren, und will dieſen den Namen Infames hiermit
beylegen; theils wäre nun dieſer Name ganz zwecklos ge-
weſen, theils wäre kein Grund denkbar, warum er dieſen
nen erfundenen Namen nicht eben ſo auf die im § 6 auf-
gezählten in turpitudine notabiles angewendet haben ſollte,
wodurch jener Name zur conſequent durchgeführten Be-
zeichnung aller aus ſittlichen Gründen Unfähigen gewor-
den wäre. Vielmehr ſagt er: zu dem dritten ordo der
Unfähigen gehoͤren unter andern auch alle Infames (inſo-
fern ſie nicht ſchon einzeln im zweyten ordo mit aufge-
führt ſind). Nach dieſer Art des Ausdrucks ſetzt alſo der
Prätor den Begriff der Infames als einen alten, bekann-
ten Rechtsbegriff voraus, deſſen Anwendungsgränzen ihm
auch gar nicht zweifelhaft waren: damit jedoch hierüber
kein Irrthum obwalten oder vorgewendet werden möchte,
ſtellte er vorſichtigerweiſe ein Verzeichniß dieſer dem dritten
ordo non postulantium angehörenden, Infames auf. Es
war aber, nach ſeinem praktiſchen Zweck, ganz conſequent,
hier diejenigen Perſonen nicht aufzunehmen, die er ſchon
im zweyten ordo einzeln genannt hatte, obgleich dieſe
darum nicht minder Infames ſeyn und heißen ſollten (n).


(n) Man könnte einwenden,
der calumniae in judicio publi-
co causa judicatus
komme un-
ter den Infames der L. 1 de his
qui not.
vor, und ſtehe doch auch
ſchon in dem secundum edictum
der L. 1 § 6 de postul. Allein
in dieſem § 6 wird gar nicht ge-
ſagt, der wegen calumnia Ver-
urtheilte gehöre in den secundus
ordo
(d. h. er könne unbedingt
nicht für Andere poſtuliren), ſon-
dern nur, daß bey ihm der Se-
nat noch beſonders verordnet habe,
er dürfe auch nicht einmal vor
dem judex pedaneus poſtuliren.
Der calumniae damnatus wird
alſo nicht in zwey Edicten auf-
II. 13
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[193/0207] §. 78. Infamie. Juriſtiſche Bedeutung. poſtuliren, und will dieſen den Namen Infames hiermit beylegen; theils wäre nun dieſer Name ganz zwecklos ge- weſen, theils wäre kein Grund denkbar, warum er dieſen nen erfundenen Namen nicht eben ſo auf die im § 6 auf- gezählten in turpitudine notabiles angewendet haben ſollte, wodurch jener Name zur conſequent durchgeführten Be- zeichnung aller aus ſittlichen Gründen Unfähigen gewor- den wäre. Vielmehr ſagt er: zu dem dritten ordo der Unfähigen gehoͤren unter andern auch alle Infames (inſo- fern ſie nicht ſchon einzeln im zweyten ordo mit aufge- führt ſind). Nach dieſer Art des Ausdrucks ſetzt alſo der Prätor den Begriff der Infames als einen alten, bekann- ten Rechtsbegriff voraus, deſſen Anwendungsgränzen ihm auch gar nicht zweifelhaft waren: damit jedoch hierüber kein Irrthum obwalten oder vorgewendet werden möchte, ſtellte er vorſichtigerweiſe ein Verzeichniß dieſer dem dritten ordo non postulantium angehörenden, Infames auf. Es war aber, nach ſeinem praktiſchen Zweck, ganz conſequent, hier diejenigen Perſonen nicht aufzunehmen, die er ſchon im zweyten ordo einzeln genannt hatte, obgleich dieſe darum nicht minder Infames ſeyn und heißen ſollten (n). (n) Man könnte einwenden, der calumniae in judicio publi- co causa judicatus komme un- ter den Infames der L. 1 de his qui not. vor, und ſtehe doch auch ſchon in dem secundum edictum der L. 1 § 6 de postul. Allein in dieſem § 6 wird gar nicht ge- ſagt, der wegen calumnia Ver- urtheilte gehöre in den secundus ordo (d. h. er könne unbedingt nicht für Andere poſtuliren), ſon- dern nur, daß bey ihm der Se- nat noch beſonders verordnet habe, er dürfe auch nicht einmal vor dem judex pedaneus poſtuliren. Der calumniae damnatus wird alſo nicht in zwey Edicten auf- II. 13

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/207>, abgerufen am 27.11.2024.