Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.§. 77. Infamie. Einzelne Fälle. das Urtheil ankommen läßt. Eine solche contumacia maghierin, wie auch in anderen Wirkungen (s), dem dolus gleich behandelt worden seyn. 4) Weiter aber darf man nicht gehen, vielmehr muß für alle andere Fälle die In- famie verneint werden. Gesetzt also, der Mandatar hat eine levis culpa begangen, läßt es aber wegen der ganz übertriebenen Forderung des Mandanten auf den Prozeß ankommen, und wird nun auf eine mäßige Summe con- demnirt, so könnte man ihm gewiß keine frevelhafte Streit- sucht vorwerfen, und die Infamie würde in solchem Fall mit allem gesunden Rechtsgefühl im Widerspruch stehen (t). Außerdem aber sollte, bey allen Obligationen ohne (s) So z. B. bey dem jusju- randum in litem. L. 2 § 1 de in litem. jur. (12. 3.). (t) Die hier angenommene mil- dere Meynung ist vortrefflich aus- geführt, und besonders gegen die Einwürfe aus einzelnen Stellen durch gründliche Interpretation geschützt, von Donellus XVIII. 8 § 8 -- 13. Die strengere Mey- nung wird ausführlich vertheidigt von Marezoll S. 148 -- 155, welcher irrig den Donellus als Vertheidiger derselben Meynung anführt. (u) Cicero pro Quinctio C. 15. Tabula Heracl. lin. 113 -- 117. Gajus II. § 154. (v) L. 8 C. qui bon. (7. 71.). L. 11 C. ex quib. caus. inf. (2. 12.). 12*
§. 77. Infamie. Einzelne Fälle. das Urtheil ankommen läßt. Eine ſolche contumacia maghierin, wie auch in anderen Wirkungen (s), dem dolus gleich behandelt worden ſeyn. 4) Weiter aber darf man nicht gehen, vielmehr muß für alle andere Fälle die In- famie verneint werden. Geſetzt alſo, der Mandatar hat eine levis culpa begangen, läßt es aber wegen der ganz übertriebenen Forderung des Mandanten auf den Prozeß ankommen, und wird nun auf eine mäßige Summe con- demnirt, ſo könnte man ihm gewiß keine frevelhafte Streit- ſucht vorwerfen, und die Infamie würde in ſolchem Fall mit allem geſunden Rechtsgefühl im Widerſpruch ſtehen (t). Außerdem aber ſollte, bey allen Obligationen ohne (s) So z. B. bey dem jusju- randum in litem. L. 2 § 1 de in litem. jur. (12. 3.). (t) Die hier angenommene mil- dere Meynung iſt vortrefflich aus- geführt, und beſonders gegen die Einwürfe aus einzelnen Stellen durch gründliche Interpretation geſchützt, von Donellus XVIII. 8 § 8 — 13. Die ſtrengere Mey- nung wird ausführlich vertheidigt von Marezoll S. 148 — 155, welcher irrig den Donellus als Vertheidiger derſelben Meynung anführt. (u) Cicero pro Quinctio C. 15. Tabula Heracl. lin. 113 — 117. Gajus II. § 154. (v) L. 8 C. qui bon. (7. 71.). L. 11 C. ex quib. caus. inf. (2. 12.). 12*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0193" n="179"/><fw place="top" type="header">§. 77. Infamie. Einzelne Fälle.</fw><lb/> das Urtheil ankommen läßt. Eine ſolche <hi rendition="#aq">contumacia</hi> mag<lb/> hierin, wie auch in anderen Wirkungen <note place="foot" n="(s)">So z. B. bey dem <hi rendition="#aq">jusju-<lb/> randum in litem. <hi rendition="#i">L.</hi> 2 § 1 <hi rendition="#i">de<lb/> in litem. jur.</hi></hi> (12. 3.).</note>, dem <hi rendition="#aq">dolus</hi><lb/> gleich behandelt worden ſeyn. 4) Weiter aber darf man<lb/> nicht gehen, vielmehr muß für alle andere Fälle die In-<lb/> famie verneint werden. Geſetzt alſo, der Mandatar hat<lb/> eine <hi rendition="#aq">levis culpa</hi> begangen, läßt es aber wegen der ganz<lb/> übertriebenen Forderung des Mandanten auf den Prozeß<lb/> ankommen, und wird nun auf eine mäßige Summe con-<lb/> demnirt, ſo könnte man ihm gewiß keine frevelhafte Streit-<lb/> ſucht vorwerfen, und die Infamie würde in ſolchem Fall<lb/> mit allem geſunden Rechtsgefühl im Widerſpruch ſtehen <note place="foot" n="(t)">Die hier angenommene mil-<lb/> dere Meynung iſt vortrefflich aus-<lb/> geführt, und beſonders gegen die<lb/> Einwürfe aus einzelnen Stellen<lb/> durch gründliche Interpretation<lb/> geſchützt, von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Donellus</hi> XVIII.</hi><lb/> 8 § 8 — 13. Die ſtrengere Mey-<lb/> nung wird ausführlich vertheidigt<lb/> von <hi rendition="#g">Marezoll</hi> S. 148 — 155,<lb/> welcher irrig den Donellus als<lb/> Vertheidiger derſelben Meynung<lb/> anführt.</note>.</p><lb/> <p>Außerdem aber ſollte, bey allen Obligationen ohne<lb/> Unterſchied, die Inſolvenz ein Entſtehungsgrund der In-<lb/> famie ſeyn <hi rendition="#aq">(bona possessa, proscripta, vendita).</hi> Dieſes<lb/> ſagen mehrere ältere Zeugniſſe ausdrücklich <note place="foot" n="(u)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Cicero</hi> pro Quinctio C. 15.<lb/><hi rendition="#k">Tabula Heracl</hi>. lin. 113 — 117.<lb/><hi rendition="#k">Gajus</hi> II.</hi> § 154.</note>. Im Juſti-<lb/> nianiſchen Recht findet ſich davon eine unverkennbare in-<lb/> directe Spur, indem geſagt wird, die <hi rendition="#aq">cessio bonorum,</hi><lb/> und der durch ſie veranlaßte Verkauf des Vermögens in-<lb/> famire nicht <note place="foot" n="(v)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 8 <hi rendition="#i">C. qui bon.</hi> (7. 71.).<lb/><hi rendition="#i">L.</hi> 11 <hi rendition="#i">C. ex quib. caus. inf.</hi></hi> (2. 12.).</note>; offenbar im Gegenſatz des wirklichen<lb/> Concurſes, der dabei als Grund der Infamie vorausgeſetzt<lb/> <fw place="bottom" type="sig">12*</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [179/0193]
§. 77. Infamie. Einzelne Fälle.
das Urtheil ankommen läßt. Eine ſolche contumacia mag
hierin, wie auch in anderen Wirkungen (s), dem dolus
gleich behandelt worden ſeyn. 4) Weiter aber darf man
nicht gehen, vielmehr muß für alle andere Fälle die In-
famie verneint werden. Geſetzt alſo, der Mandatar hat
eine levis culpa begangen, läßt es aber wegen der ganz
übertriebenen Forderung des Mandanten auf den Prozeß
ankommen, und wird nun auf eine mäßige Summe con-
demnirt, ſo könnte man ihm gewiß keine frevelhafte Streit-
ſucht vorwerfen, und die Infamie würde in ſolchem Fall
mit allem geſunden Rechtsgefühl im Widerſpruch ſtehen (t).
Außerdem aber ſollte, bey allen Obligationen ohne
Unterſchied, die Inſolvenz ein Entſtehungsgrund der In-
famie ſeyn (bona possessa, proscripta, vendita). Dieſes
ſagen mehrere ältere Zeugniſſe ausdrücklich (u). Im Juſti-
nianiſchen Recht findet ſich davon eine unverkennbare in-
directe Spur, indem geſagt wird, die cessio bonorum,
und der durch ſie veranlaßte Verkauf des Vermögens in-
famire nicht (v); offenbar im Gegenſatz des wirklichen
Concurſes, der dabei als Grund der Infamie vorausgeſetzt
(s) So z. B. bey dem jusju-
randum in litem. L. 2 § 1 de
in litem. jur. (12. 3.).
(t) Die hier angenommene mil-
dere Meynung iſt vortrefflich aus-
geführt, und beſonders gegen die
Einwürfe aus einzelnen Stellen
durch gründliche Interpretation
geſchützt, von Donellus XVIII.
8 § 8 — 13. Die ſtrengere Mey-
nung wird ausführlich vertheidigt
von Marezoll S. 148 — 155,
welcher irrig den Donellus als
Vertheidiger derſelben Meynung
anführt.
(u) Cicero pro Quinctio C. 15.
Tabula Heracl. lin. 113 — 117.
Gajus II. § 154.
(v) L. 8 C. qui bon. (7. 71.).
L. 11 C. ex quib. caus. inf. (2. 12.).
12*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/193 |
Zitationshilfe: | Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/193>, abgerufen am 17.02.2025. |