Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen. worden, welche allgemein, ohne Erwähnung des dolus alsBedingung, sagt: Infamia notatur ... qui pro socio, tu- telae, mandati, depositi ... damnatus erit; mit derselben stimmen auch mehrere andere Stellen in eben so unbestimm- ter Allgemeinheit überein (q). Dagegen aber streiten meh- rere andere Stellen, welche ausdrücklich die Unredlichkeit als Grund, und also auch als Bedingung, der Infamie bezeichnen (r). Man hat darauf erwiedert, schon der Um- stand, daß es in diesen Klagen der Beklagte zum Prozeß kommen lasse, anstatt freywillig zu zahlen, diese temeritas litigandi, sey als dolus zu betrachten, und verdiene die Strafe der Infamie. Diese Erwiederung führt auf fol- gende Sätze, in welchen wohl jene entgegengesetzte Mey- nungen ihre Vermittelung finden dürften. 1) Für den Fall des eigentlichen Betrugs, der Unterschlagung u. s. w. ist ohnehin kein Streit. 2) Diesem Fall steht aber völlig gleich der andere, wenn der Vormund oder der Depositar, ohne vorher betrogen zu haben, geradezu die Auslieferung des Vermögens oder der anvertrauten Sache verweigern. 3) Auch für den Fall kann man die Infamie einräumen, wenn bey einer arbitraria actio der arbiter vor dem Ur- theil den Beklagten zur Bezahlung einer bestimmten Summe auffordert, und dieser dennoch nicht zahlt, sondern es auf (q) § 2 J. de poena temere litig. (4. 16.). Tabula Heracl. lin. 111. (r) L. 6 § 5. 6. 7 de his qui
not. (3. 2.) "fidem," "male ver- satus," "perfidia." L. 22 C. ex quib. caus. (2. 12.) "fidem rum- pens." Cicero pro Caecina C. 3 "fraudavit." Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. worden, welche allgemein, ohne Erwähnung des dolus alsBedingung, ſagt: Infamia notatur … qui pro socio, tu- telae, mandati, depositi … damnatus erit; mit derſelben ſtimmen auch mehrere andere Stellen in eben ſo unbeſtimm- ter Allgemeinheit überein (q). Dagegen aber ſtreiten meh- rere andere Stellen, welche ausdrücklich die Unredlichkeit als Grund, und alſo auch als Bedingung, der Infamie bezeichnen (r). Man hat darauf erwiedert, ſchon der Um- ſtand, daß es in dieſen Klagen der Beklagte zum Prozeß kommen laſſe, anſtatt freywillig zu zahlen, dieſe temeritas litigandi, ſey als dolus zu betrachten, und verdiene die Strafe der Infamie. Dieſe Erwiederung führt auf fol- gende Sätze, in welchen wohl jene entgegengeſetzte Mey- nungen ihre Vermittelung finden dürften. 1) Für den Fall des eigentlichen Betrugs, der Unterſchlagung u. ſ. w. iſt ohnehin kein Streit. 2) Dieſem Fall ſteht aber voͤllig gleich der andere, wenn der Vormund oder der Depoſitar, ohne vorher betrogen zu haben, geradezu die Auslieferung des Vermögens oder der anvertrauten Sache verweigern. 3) Auch für den Fall kann man die Infamie einräumen, wenn bey einer arbitraria actio der arbiter vor dem Ur- theil den Beklagten zur Bezahlung einer beſtimmten Summe auffordert, und dieſer dennoch nicht zahlt, ſondern es auf (q) § 2 J. de poena temere litig. (4. 16.). Tabula Heracl. lin. 111. (r) L. 6 § 5. 6. 7 de his qui
not. (3. 2.) „fidem,” „male ver- satus,” „perfidia.” L. 22 C. ex quib. caus. (2. 12.) „fidem rum- pens.” Cicero pro Caecina C. 3 „fraudavit.” <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0192" n="178"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Perſonen.</fw><lb/> worden, welche allgemein, ohne Erwähnung des <hi rendition="#aq">dolus</hi> als<lb/> Bedingung, ſagt: <hi rendition="#aq">Infamia notatur … qui pro socio, tu-<lb/> telae, mandati, depositi … damnatus erit;</hi> mit derſelben<lb/> ſtimmen auch mehrere andere Stellen in eben ſo unbeſtimm-<lb/> ter Allgemeinheit überein <note place="foot" n="(q)">§ 2 <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">J. de poena temere<lb/> litig.</hi> (4. 16.). <hi rendition="#k">Tabula Heracl</hi>.<lb/> lin.</hi> 111.</note>. Dagegen aber ſtreiten meh-<lb/> rere andere Stellen, welche ausdrücklich die Unredlichkeit<lb/> als Grund, und alſo auch als Bedingung, der Infamie<lb/> bezeichnen <note place="foot" n="(r)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 6 § 5. 6. 7 <hi rendition="#i">de his qui<lb/> not.</hi> (3. 2.) „fidem,” „male ver-<lb/> satus,” „perfidia.” <hi rendition="#i">L.</hi> 22 <hi rendition="#i">C. ex<lb/> quib. caus.</hi> (2. 12.) „fidem rum-<lb/> pens.” <hi rendition="#k">Cicero</hi> pro Caecina C. 3<lb/> „fraudavit.”</hi></note>. Man hat darauf erwiedert, ſchon der Um-<lb/> ſtand, daß es in dieſen Klagen der Beklagte zum Prozeß<lb/> kommen laſſe, anſtatt freywillig zu zahlen, dieſe <hi rendition="#aq">temeritas<lb/> litigandi,</hi> ſey als <hi rendition="#aq">dolus</hi> zu betrachten, und verdiene die<lb/> Strafe der Infamie. Dieſe Erwiederung führt auf fol-<lb/> gende Sätze, in welchen wohl jene entgegengeſetzte Mey-<lb/> nungen ihre Vermittelung finden dürften. 1) Für den<lb/> Fall des eigentlichen Betrugs, der Unterſchlagung u. ſ. w.<lb/> iſt ohnehin kein Streit. 2) Dieſem Fall ſteht aber voͤllig<lb/> gleich der andere, wenn der Vormund oder der Depoſitar,<lb/> ohne vorher betrogen zu haben, geradezu die Auslieferung<lb/> des Vermögens oder der anvertrauten Sache verweigern.<lb/> 3) Auch für den Fall kann man die Infamie einräumen,<lb/> wenn bey einer <hi rendition="#aq">arbitraria actio</hi> der <hi rendition="#aq">arbiter</hi> vor dem Ur-<lb/> theil den Beklagten zur Bezahlung einer beſtimmten Summe<lb/> auffordert, und dieſer dennoch nicht zahlt, ſondern es auf<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [178/0192]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
worden, welche allgemein, ohne Erwähnung des dolus als
Bedingung, ſagt: Infamia notatur … qui pro socio, tu-
telae, mandati, depositi … damnatus erit; mit derſelben
ſtimmen auch mehrere andere Stellen in eben ſo unbeſtimm-
ter Allgemeinheit überein (q). Dagegen aber ſtreiten meh-
rere andere Stellen, welche ausdrücklich die Unredlichkeit
als Grund, und alſo auch als Bedingung, der Infamie
bezeichnen (r). Man hat darauf erwiedert, ſchon der Um-
ſtand, daß es in dieſen Klagen der Beklagte zum Prozeß
kommen laſſe, anſtatt freywillig zu zahlen, dieſe temeritas
litigandi, ſey als dolus zu betrachten, und verdiene die
Strafe der Infamie. Dieſe Erwiederung führt auf fol-
gende Sätze, in welchen wohl jene entgegengeſetzte Mey-
nungen ihre Vermittelung finden dürften. 1) Für den
Fall des eigentlichen Betrugs, der Unterſchlagung u. ſ. w.
iſt ohnehin kein Streit. 2) Dieſem Fall ſteht aber voͤllig
gleich der andere, wenn der Vormund oder der Depoſitar,
ohne vorher betrogen zu haben, geradezu die Auslieferung
des Vermögens oder der anvertrauten Sache verweigern.
3) Auch für den Fall kann man die Infamie einräumen,
wenn bey einer arbitraria actio der arbiter vor dem Ur-
theil den Beklagten zur Bezahlung einer beſtimmten Summe
auffordert, und dieſer dennoch nicht zahlt, ſondern es auf
(q) § 2 J. de poena temere
litig. (4. 16.). Tabula Heracl.
lin. 111.
(r) L. 6 § 5. 6. 7 de his qui
not. (3. 2.) „fidem,” „male ver-
satus,” „perfidia.” L. 22 C. ex
quib. caus. (2. 12.) „fidem rum-
pens.” Cicero pro Caecina C. 3
„fraudavit.”
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