Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.§. 75. Rechtsfähigkeit u. cap. deminutio. Heutige Anwendung. schen als ob er todt wäre. Diese Fiction ist als ganzpositive Folge an jede magna capitis deminutio ange- knüpft, ohne aus dem Begriff derselben von selbst zu fol- gen (§ 69 S. 71). Sie steht also in demselben Verhält- niß wie die capitis deminutio zu den Criminalstrafen; der Kriegsgefangene unterliegt der Fiction des Todes, der re- legatus ist davon frey, und man kann also auch von die- ser Fiction nur sagen, daß sie als positive Folge mit mehreren Criminalstrafen verknüpft ist. Allein auch wo sie in dieser Verbindung erscheint, ist sie von den Römern niemals als Strafe, oder als Schärfung einer andern Strafe, oder als eine Verstärkung des moralischen Ein- drucks derselben, gedacht worden, sondern nur als eine billige, einfache, bequeme Auskunft zur Beseitigung derje- nigen Schwierigkeiten, die bey Erbschaftsfällen entstehen konnten. Denn der so Verurtheilte konnte selbst nicht Erbe seyn wegen der capitis deminutio (x); damit nun nicht durch sein bloßes Daseyn auch Andere an der Erbfolge gehindert werden möchten, fingirte man seinen Tod, wo- durch sein Daseyn bey einer solchen Erbschaft ganz außer Betracht kam. Ebendaher aber wurde diese Fiction nur angewendet, wo sie diesem besonderen Zweck dienen konnte, also auch nur in Ansehung der an das Leben geknüpften civilen Wirkungen, außerdem nahm man darauf keine Rücksicht, so daß hierin eine buchstäbliche Consequenz nicht (x) Er war nicht einmal zu ei-
ner Bonorum possessio fähig (L. 13 de B. P.), also noch viel weniger zu einer hereditas. §. 75. Rechtsfähigkeit u. cap. deminutio. Heutige Anwendung. ſchen als ob er todt wäre. Dieſe Fiction iſt als ganzpoſitive Folge an jede magna capitis deminutio ange- knüpft, ohne aus dem Begriff derſelben von ſelbſt zu fol- gen (§ 69 S. 71). Sie ſteht alſo in demſelben Verhält- niß wie die capitis deminutio zu den Criminalſtrafen; der Kriegsgefangene unterliegt der Fiction des Todes, der re- legatus iſt davon frey, und man kann alſo auch von die- ſer Fiction nur ſagen, daß ſie als poſitive Folge mit mehreren Criminalſtrafen verknüpft iſt. Allein auch wo ſie in dieſer Verbindung erſcheint, iſt ſie von den Römern niemals als Strafe, oder als Schärfung einer andern Strafe, oder als eine Verſtärkung des moraliſchen Ein- drucks derſelben, gedacht worden, ſondern nur als eine billige, einfache, bequeme Auskunft zur Beſeitigung derje- nigen Schwierigkeiten, die bey Erbſchaftsfällen entſtehen konnten. Denn der ſo Verurtheilte konnte ſelbſt nicht Erbe ſeyn wegen der capitis deminutio (x); damit nun nicht durch ſein bloßes Daſeyn auch Andere an der Erbfolge gehindert werden möchten, fingirte man ſeinen Tod, wo- durch ſein Daſeyn bey einer ſolchen Erbſchaft ganz außer Betracht kam. Ebendaher aber wurde dieſe Fiction nur angewendet, wo ſie dieſem beſonderen Zweck dienen konnte, alſo auch nur in Anſehung der an das Leben geknüpften civilen Wirkungen, außerdem nahm man darauf keine Rückſicht, ſo daß hierin eine buchſtäbliche Conſequenz nicht (x) Er war nicht einmal zu ei-
ner Bonorum possessio fähig (L. 13 de B. P.), alſo noch viel weniger zu einer hereditas. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0179" n="165"/><fw place="top" type="header">§. 75. Rechtsfähigkeit u. <hi rendition="#aq">cap. deminutio.</hi> Heutige Anwendung.</fw><lb/> ſchen als ob er todt wäre. Dieſe Fiction iſt als ganz<lb/> poſitive Folge an jede <hi rendition="#aq">magna capitis deminutio</hi> ange-<lb/> knüpft, ohne aus dem Begriff derſelben von ſelbſt zu fol-<lb/> gen (§ 69 S. 71). Sie ſteht alſo in demſelben Verhält-<lb/> niß wie die <hi rendition="#aq">capitis deminutio</hi> zu den Criminalſtrafen; der<lb/> Kriegsgefangene unterliegt der Fiction des Todes, der <hi rendition="#aq">re-<lb/> legatus</hi> iſt davon frey, und man kann alſo auch von die-<lb/> ſer Fiction nur ſagen, daß ſie als poſitive Folge mit<lb/> mehreren Criminalſtrafen verknüpft iſt. Allein auch wo<lb/> ſie in dieſer Verbindung erſcheint, iſt ſie von den Römern<lb/> niemals als Strafe, oder als Schärfung einer andern<lb/> Strafe, oder als eine Verſtärkung des moraliſchen Ein-<lb/> drucks derſelben, gedacht worden, ſondern nur als eine<lb/> billige, einfache, bequeme Auskunft zur Beſeitigung derje-<lb/> nigen Schwierigkeiten, die bey Erbſchaftsfällen entſtehen<lb/> konnten. Denn der ſo Verurtheilte konnte ſelbſt nicht Erbe<lb/> ſeyn wegen der <hi rendition="#aq">capitis deminutio</hi> <note place="foot" n="(x)">Er war nicht einmal zu ei-<lb/> ner <hi rendition="#aq">Bonorum possessio</hi> fähig<lb/><hi rendition="#aq">(<hi rendition="#i">L.</hi> 13 <hi rendition="#i">de B. P.</hi>)</hi>, alſo noch viel<lb/> weniger zu einer <hi rendition="#aq">hereditas.</hi></note>; damit nun nicht<lb/> durch ſein bloßes Daſeyn auch Andere an der Erbfolge<lb/> gehindert werden möchten, fingirte man ſeinen Tod, wo-<lb/> durch ſein Daſeyn bey einer ſolchen Erbſchaft ganz außer<lb/> Betracht kam. Ebendaher aber wurde dieſe Fiction nur<lb/> angewendet, wo ſie dieſem beſonderen Zweck dienen konnte,<lb/> alſo auch nur in Anſehung der an das Leben geknüpften<lb/><hi rendition="#g">civilen</hi> Wirkungen, außerdem nahm man darauf keine<lb/> Rückſicht, ſo daß hierin eine buchſtäbliche Conſequenz nicht<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [165/0179]
§. 75. Rechtsfähigkeit u. cap. deminutio. Heutige Anwendung.
ſchen als ob er todt wäre. Dieſe Fiction iſt als ganz
poſitive Folge an jede magna capitis deminutio ange-
knüpft, ohne aus dem Begriff derſelben von ſelbſt zu fol-
gen (§ 69 S. 71). Sie ſteht alſo in demſelben Verhält-
niß wie die capitis deminutio zu den Criminalſtrafen; der
Kriegsgefangene unterliegt der Fiction des Todes, der re-
legatus iſt davon frey, und man kann alſo auch von die-
ſer Fiction nur ſagen, daß ſie als poſitive Folge mit
mehreren Criminalſtrafen verknüpft iſt. Allein auch wo
ſie in dieſer Verbindung erſcheint, iſt ſie von den Römern
niemals als Strafe, oder als Schärfung einer andern
Strafe, oder als eine Verſtärkung des moraliſchen Ein-
drucks derſelben, gedacht worden, ſondern nur als eine
billige, einfache, bequeme Auskunft zur Beſeitigung derje-
nigen Schwierigkeiten, die bey Erbſchaftsfällen entſtehen
konnten. Denn der ſo Verurtheilte konnte ſelbſt nicht Erbe
ſeyn wegen der capitis deminutio (x); damit nun nicht
durch ſein bloßes Daſeyn auch Andere an der Erbfolge
gehindert werden möchten, fingirte man ſeinen Tod, wo-
durch ſein Daſeyn bey einer ſolchen Erbſchaft ganz außer
Betracht kam. Ebendaher aber wurde dieſe Fiction nur
angewendet, wo ſie dieſem beſonderen Zweck dienen konnte,
alſo auch nur in Anſehung der an das Leben geknüpften
civilen Wirkungen, außerdem nahm man darauf keine
Rückſicht, ſo daß hierin eine buchſtäbliche Conſequenz nicht
(x) Er war nicht einmal zu ei-
ner Bonorum possessio fähig
(L. 13 de B. P.), alſo noch viel
weniger zu einer hereditas.
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