Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen. ständig sprach), des Justizministers, und anderer Mitglie-glieder (p): endlich auch von Seiten des Tribunats, an welches die Redaction des Staatsraths zur Prüfung ge- langte (q). Man bestritt den Vorschlag theils aus dem Römischen und altfranzösischen Recht, theils aus Gründen der Menschlichkeit; besonders hob Bonaparte hervor, wie empörend es sey, daß die Frau eines Deportirten, deren edle Treue, wenn sie sein Unglück theile, Verehrung ver- diene, durch das Gesetz zur Concubine herabgewürdigt werde. Alles vergebens. Das Gesetz wurde dennoch an- genommen, und dazu wirkten folgende verschiedene Gründe zusammen. Erstlich die starre Consequenz aus historisch falschen Prämissen, also die Nachwirkung der Irrthümer, welche die meisten Juristen von ihrer Jugend an aus einer oberflächlichen Kenntniß des Römischen Rechts in sich auf- genommen hatten, und nun nicht los werden konnten (r). Zweytens der von der Revolution her eingewurzelte Haß gegen die Emigranten, obgleich der größte Theil derselben (p) Conference p. 86. 87. 88. Vgl. besonders auch Maleville analyse raisonnee T. 1 p. 47--50. (q) Conference T. 1 p. 174-- 176. (r) Wer etwa glauben möchte,
die Einwirkung des Römischen Rechts (in irriger Auffassung) sey hier nur von mir willkührlich ange- nommen, in der That nicht ge- gründet, der wolle doch den Ar- tikel Mort civile in Merlin Re- pertoire nachlesen, worin sich der Verfasser die größte und über- flüssigste Noth macht mit der Er- klärung und selbst mit der Text- kritik von Pandektenstellen. Un- ter andern wird das völlig un- passende postliminium mit her- eingezogen, und p. 373 werden die Worte der L. 4 de capt. "An qui hostibus deditus, reversus, nec a nobis receptus est," von einem Überläufer erklärt, einem enfant ingrat de la patrie, und mit art. 18. 19. 21 des Code in Verbindung gesetzt, welches doch fast in's Unglaubliche geht. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. ſtändig ſprach), des Juſtizminiſters, und anderer Mitglie-glieder (p): endlich auch von Seiten des Tribunats, an welches die Redaction des Staatsraths zur Prüfung ge- langte (q). Man beſtritt den Vorſchlag theils aus dem Römiſchen und altfranzöſiſchen Recht, theils aus Gründen der Menſchlichkeit; beſonders hob Bonaparte hervor, wie empörend es ſey, daß die Frau eines Deportirten, deren edle Treue, wenn ſie ſein Unglück theile, Verehrung ver- diene, durch das Geſetz zur Concubine herabgewürdigt werde. Alles vergebens. Das Geſetz wurde dennoch an- genommen, und dazu wirkten folgende verſchiedene Gründe zuſammen. Erſtlich die ſtarre Conſequenz aus hiſtoriſch falſchen Prämiſſen, alſo die Nachwirkung der Irrthümer, welche die meiſten Juriſten von ihrer Jugend an aus einer oberflächlichen Kenntniß des Römiſchen Rechts in ſich auf- genommen hatten, und nun nicht los werden konnten (r). Zweytens der von der Revolution her eingewurzelte Haß gegen die Emigranten, obgleich der groͤßte Theil derſelben (p) Conférence p. 86. 87. 88. Vgl. beſonders auch Maleville analyse raisonnée T. 1 p. 47—50. (q) Conférence T. 1 p. 174— 176. (r) Wer etwa glauben möchte,
die Einwirkung des Römiſchen Rechts (in irriger Auffaſſung) ſey hier nur von mir willkührlich ange- nommen, in der That nicht ge- gründet, der wolle doch den Ar- tikel Mort civile in Merlin Ré- pertoire nachleſen, worin ſich der Verfaſſer die größte und über- flüſſigſte Noth macht mit der Er- klärung und ſelbſt mit der Text- kritik von Pandektenſtellen. Un- ter andern wird das völlig un- paſſende postliminium mit her- eingezogen, und p. 373 werden die Worte der L. 4 de capt. „An qui hostibus deditus, reversus, nec a nobis receptus est,” von einem Überläufer erklärt, einem enfant ingrat de la patrie, und mit art. 18. 19. 21 des Code in Verbindung geſetzt, welches doch faſt in’s Unglaubliche geht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0174" n="160"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Perſonen.</fw><lb/> ſtändig ſprach), des Juſtizminiſters, und anderer Mitglie-<lb/> glieder <note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Conférence</hi> p.</hi> 86. 87. 88.<lb/> Vgl. beſonders auch <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Maleville</hi><lb/> analyse raisonnée T. 1 p.</hi> 47—50.</note>: endlich auch von Seiten des Tribunats, an<lb/> welches die Redaction des Staatsraths zur Prüfung ge-<lb/> langte <note place="foot" n="(q)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Conférence</hi> T. 1 p.</hi> 174—<lb/> 176.</note>. Man beſtritt den Vorſchlag theils aus dem<lb/> Römiſchen und altfranzöſiſchen Recht, theils aus Gründen<lb/> der Menſchlichkeit; beſonders hob Bonaparte hervor, wie<lb/> empörend es ſey, daß die Frau eines Deportirten, deren<lb/> edle Treue, wenn ſie ſein Unglück theile, Verehrung ver-<lb/> diene, durch das Geſetz zur Concubine herabgewürdigt<lb/> werde. Alles vergebens. Das Geſetz wurde dennoch an-<lb/> genommen, und dazu wirkten folgende verſchiedene Gründe<lb/> zuſammen. Erſtlich die ſtarre Conſequenz aus hiſtoriſch<lb/> falſchen Prämiſſen, alſo die Nachwirkung der Irrthümer,<lb/> welche die meiſten Juriſten von ihrer Jugend an aus einer<lb/> oberflächlichen Kenntniß des Römiſchen Rechts in ſich auf-<lb/> genommen hatten, und nun nicht los werden konnten <note place="foot" n="(r)">Wer etwa glauben möchte,<lb/> die Einwirkung des Römiſchen<lb/> Rechts (in irriger Auffaſſung) ſey<lb/> hier nur von mir willkührlich ange-<lb/> nommen, in der That nicht ge-<lb/> gründet, der wolle doch den Ar-<lb/> tikel <hi rendition="#aq">Mort civile</hi> in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Merlin</hi> Ré-<lb/> pertoire</hi> nachleſen, worin ſich der<lb/> Verfaſſer die größte und über-<lb/> flüſſigſte Noth macht mit der Er-<lb/> klärung und ſelbſt mit der Text-<lb/> kritik von Pandektenſtellen. Un-<lb/> ter andern wird das völlig un-<lb/> paſſende <hi rendition="#aq">postliminium</hi> mit her-<lb/> eingezogen, und <hi rendition="#aq">p.</hi> 373 werden<lb/> die Worte der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 4 <hi rendition="#i">de capt.</hi> „An<lb/><hi rendition="#i">qui hostibus deditus,</hi> reversus,<lb/> nec a nobis receptus est,”</hi> von<lb/> einem Überläufer erklärt, einem<lb/><hi rendition="#aq">enfant ingrat de la patrie,</hi> und<lb/> mit <hi rendition="#aq">art.</hi> 18. 19. 21 des <hi rendition="#aq">Code</hi> in<lb/> Verbindung geſetzt, welches doch<lb/> faſt in’s Unglaubliche geht.</note>.<lb/> Zweytens der von der Revolution her eingewurzelte Haß<lb/> gegen die Emigranten, obgleich der groͤßte Theil derſelben<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [160/0174]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
ſtändig ſprach), des Juſtizminiſters, und anderer Mitglie-
glieder (p): endlich auch von Seiten des Tribunats, an
welches die Redaction des Staatsraths zur Prüfung ge-
langte (q). Man beſtritt den Vorſchlag theils aus dem
Römiſchen und altfranzöſiſchen Recht, theils aus Gründen
der Menſchlichkeit; beſonders hob Bonaparte hervor, wie
empörend es ſey, daß die Frau eines Deportirten, deren
edle Treue, wenn ſie ſein Unglück theile, Verehrung ver-
diene, durch das Geſetz zur Concubine herabgewürdigt
werde. Alles vergebens. Das Geſetz wurde dennoch an-
genommen, und dazu wirkten folgende verſchiedene Gründe
zuſammen. Erſtlich die ſtarre Conſequenz aus hiſtoriſch
falſchen Prämiſſen, alſo die Nachwirkung der Irrthümer,
welche die meiſten Juriſten von ihrer Jugend an aus einer
oberflächlichen Kenntniß des Römiſchen Rechts in ſich auf-
genommen hatten, und nun nicht los werden konnten (r).
Zweytens der von der Revolution her eingewurzelte Haß
gegen die Emigranten, obgleich der groͤßte Theil derſelben
(p) Conférence p. 86. 87. 88.
Vgl. beſonders auch Maleville
analyse raisonnée T. 1 p. 47—50.
(q) Conférence T. 1 p. 174—
176.
(r) Wer etwa glauben möchte,
die Einwirkung des Römiſchen
Rechts (in irriger Auffaſſung) ſey
hier nur von mir willkührlich ange-
nommen, in der That nicht ge-
gründet, der wolle doch den Ar-
tikel Mort civile in Merlin Ré-
pertoire nachleſen, worin ſich der
Verfaſſer die größte und über-
flüſſigſte Noth macht mit der Er-
klärung und ſelbſt mit der Text-
kritik von Pandektenſtellen. Un-
ter andern wird das völlig un-
paſſende postliminium mit her-
eingezogen, und p. 373 werden
die Worte der L. 4 de capt. „An
qui hostibus deditus, reversus,
nec a nobis receptus est,” von
einem Überläufer erklärt, einem
enfant ingrat de la patrie, und
mit art. 18. 19. 21 des Code in
Verbindung geſetzt, welches doch
faſt in’s Unglaubliche geht.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |