gar keinen Unterschied, ob der Deportirte blos eine frü- here Ehe fortgesetzt, oder ob er erst während der Depor- tation eine Ehe geschlossen hat. -- Vergleichen wir damit das frühere Recht.
Nach Römischem Recht war die Ehe eines Deportirten nach jus civile ungültig, nach jus gentium gültig, also völlig eben so gültig, wie die Ehen der vielen Millionen Provinzialen vor der durch Caracalla allgemein gemachten Civität (m). Die Folgen dieses Grundsatzes bestanden darin, daß die Kinder aus einer solchen Ehe nicht in der väterlichen Gewalt des Deportirten, noch in der Agnation mit dessen Verwandten standen. Dagegen waren sie ehelich, sie hatten einen juristisch gewissen Vater, sie standen in einer wah- ren Cognation mit ihren Eltern und deren Verwandten, und konnten hieraus jedes cognatische Erbrecht (nur nicht in das Vermögen des Vaters, welches immer wieder con- fiscirt wurde) geltend machen. Alle diese Bestimmungen giengen aus rein juristischer Consequenz hervor, nicht aus religiösen Ansichten, denn sie waren lange vor der Herr- schaft des Christenthums anerkannt. -- Indem man nun
setz. Was er vertheidigt, wurde von der Minorität des Staats- raths geltend gemacht, um eine Abänderung des Projects durch- zusetzen; ihre Meynung fiel aber durch, und das Project wurde un- verändert angenommen. Gerade durch den vorhergehenden gründ- lichen Streit wird der wahre Sinn des Gesetzes ganz außer Zweifel gesetzt.
(m) Ja sogar hatte man aus Menschlichkeit noch etwas von den strengen Grundsätzen nachgege- ben; die Dos, die eigentlich nur neben einem justum matrimoni- um gelten konnte, sollte hier fort- dauern dürfen, obgleich die Ehe nicht mehr justum matrimo- nium war.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
gar keinen Unterſchied, ob der Deportirte blos eine frü- here Ehe fortgeſetzt, oder ob er erſt während der Depor- tation eine Ehe geſchloſſen hat. — Vergleichen wir damit das frühere Recht.
Nach Römiſchem Recht war die Ehe eines Deportirten nach jus civile ungültig, nach jus gentium gültig, alſo völlig eben ſo gültig, wie die Ehen der vielen Millionen Provinzialen vor der durch Caracalla allgemein gemachten Civität (m). Die Folgen dieſes Grundſatzes beſtanden darin, daß die Kinder aus einer ſolchen Ehe nicht in der väterlichen Gewalt des Deportirten, noch in der Agnation mit deſſen Verwandten ſtanden. Dagegen waren ſie ehelich, ſie hatten einen juriſtiſch gewiſſen Vater, ſie ſtanden in einer wah- ren Cognation mit ihren Eltern und deren Verwandten, und konnten hieraus jedes cognatiſche Erbrecht (nur nicht in das Vermoͤgen des Vaters, welches immer wieder con- fiscirt wurde) geltend machen. Alle dieſe Beſtimmungen giengen aus rein juriſtiſcher Conſequenz hervor, nicht aus religiöſen Anſichten, denn ſie waren lange vor der Herr- ſchaft des Chriſtenthums anerkannt. — Indem man nun
ſetz. Was er vertheidigt, wurde von der Minorität des Staats- raths geltend gemacht, um eine Abänderung des Projects durch- zuſetzen; ihre Meynung fiel aber durch, und das Project wurde un- verändert angenommen. Gerade durch den vorhergehenden gründ- lichen Streit wird der wahre Sinn des Geſetzes ganz außer Zweifel geſetzt.
(m) Ja ſogar hatte man aus Menſchlichkeit noch etwas von den ſtrengen Grundſätzen nachgege- ben; die Dos, die eigentlich nur neben einem justum matrimoni- um gelten konnte, ſollte hier fort- dauern dürfen, obgleich die Ehe nicht mehr justum matrimo- nium war.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
gar keinen Unterſchied, ob der Deportirte blos eine frü-
here Ehe fortgeſetzt, oder ob er erſt während der Depor-
tation eine Ehe geſchloſſen hat. — Vergleichen wir damit
das frühere Recht.
Nach Römiſchem Recht war die Ehe eines Deportirten
nach jus civile ungültig, nach jus gentium gültig, alſo
völlig eben ſo gültig, wie die Ehen der vielen Millionen
Provinzialen vor der durch Caracalla allgemein gemachten
Civität (m). Die Folgen dieſes Grundſatzes beſtanden darin,
daß die Kinder aus einer ſolchen Ehe nicht in der väterlichen
Gewalt des Deportirten, noch in der Agnation mit deſſen
Verwandten ſtanden. Dagegen waren ſie ehelich, ſie hatten
einen juriſtiſch gewiſſen Vater, ſie ſtanden in einer wah-
ren Cognation mit ihren Eltern und deren Verwandten,
und konnten hieraus jedes cognatiſche Erbrecht (nur nicht
in das Vermoͤgen des Vaters, welches immer wieder con-
fiscirt wurde) geltend machen. Alle dieſe Beſtimmungen
giengen aus rein juriſtiſcher Conſequenz hervor, nicht aus
religiöſen Anſichten, denn ſie waren lange vor der Herr-
ſchaft des Chriſtenthums anerkannt. — Indem man nun
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(m) Ja ſogar hatte man aus
Menſchlichkeit noch etwas von den
ſtrengen Grundſätzen nachgege-
ben; die Dos, die eigentlich nur
neben einem justum matrimoni-
um gelten konnte, ſollte hier fort-
dauern dürfen, obgleich die Ehe
nicht mehr justum matrimo-
nium war.
(l) ſetz. Was er vertheidigt, wurde
von der Minorität des Staats-
raths geltend gemacht, um eine
Abänderung des Projects durch-
zuſetzen; ihre Meynung fiel aber
durch, und das Project wurde un-
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durch den vorhergehenden gründ-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/172>, abgerufen am 23.07.2024.
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