heit, wie sie sich in der Verfügung über Geldsummen äu- ßert. Es ist also ganz unrichtig, wenn unsre Juristen jenem Ausdruck entweder die allgemeine Beziehung auf das jus gentium, auf bona fides, oder gar auf eine naturalis obligatio beylegen wollten; besonders die letzte Deutung widerlegt sich unmittelbar dadurch, daß die angeführte Stelle von einer klagbaren Obligation (civilis obliga- tio) spricht.
Die einzelnen zu dieser Klasse gehörenden Rechtsinsti- tute sind folgende:
A.Legat von Alimenten.
Alimente werden hier im strengen Sinn genommen, als Mittel zur Erhaltung des leiblichen Daseyns. Dahin ge- hört der Schutz gegen Hunger und Kälte, also Nahrung, Kleidung, Wohnung: alles Andere liegt hier außer die- sem Begriff, namentlich die Mittel zu geistigen Genüssen und geistiger Ausbildung (b). Auch findet sich nur in je- nen Stücken etwas Gleichförmiges, Allgemeingültiges, denn die Bedürfnisse wofür dort Befriedigung verschafft werden soll, sind für alle Menschen dieselben, wie verschieden auch die Art und der Umfang der Befriedigung seyn mögen. Deshalb haben hierin die Römer die größte Abweichung von der Regel der Rechtsfähigkeit eintreten lassen, indem diese Rechte auch den Sklaven zustehen können, und auch
(b)L. 6 de alim. leg. (34. 1.). "Legatis alimentis cibaria, et vestitus, et habitatio debebitur, quia sine his ali corpus non po- test: cetera, quae ad discipli- nam pertinent, legato non con- tinentur."
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
heit, wie ſie ſich in der Verfügung über Geldſummen äu- ßert. Es iſt alſo ganz unrichtig, wenn unſre Juriſten jenem Ausdruck entweder die allgemeine Beziehung auf das jus gentium, auf bona fides, oder gar auf eine naturalis obligatio beylegen wollten; beſonders die letzte Deutung widerlegt ſich unmittelbar dadurch, daß die angeführte Stelle von einer klagbaren Obligation (civilis obliga- tio) ſpricht.
Die einzelnen zu dieſer Klaſſe gehörenden Rechtsinſti- tute ſind folgende:
A.Legat von Alimenten.
Alimente werden hier im ſtrengen Sinn genommen, als Mittel zur Erhaltung des leiblichen Daſeyns. Dahin ge- hört der Schutz gegen Hunger und Kälte, alſo Nahrung, Kleidung, Wohnung: alles Andere liegt hier außer die- ſem Begriff, namentlich die Mittel zu geiſtigen Genüſſen und geiſtiger Ausbildung (b). Auch findet ſich nur in je- nen Stücken etwas Gleichförmiges, Allgemeingültiges, denn die Bedürfniſſe wofür dort Befriedigung verſchafft werden ſoll, ſind für alle Menſchen dieſelben, wie verſchieden auch die Art und der Umfang der Befriedigung ſeyn mögen. Deshalb haben hierin die Roͤmer die größte Abweichung von der Regel der Rechtsfähigkeit eintreten laſſen, indem dieſe Rechte auch den Sklaven zuſtehen koͤnnen, und auch
(b)L. 6 de alim. leg. (34. 1.). „Legatis alimentis cibaria, et vestitus, et habitatio debebitur, quia sine his ali corpus non po- test: cetera, quae ad discipli- nam pertinent, legato non con- tinentur.”
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
heit, wie ſie ſich in der Verfügung über Geldſummen äu-
ßert. Es iſt alſo ganz unrichtig, wenn unſre Juriſten
jenem Ausdruck entweder die allgemeine Beziehung auf das
jus gentium, auf bona fides, oder gar auf eine naturalis
obligatio beylegen wollten; beſonders die letzte Deutung
widerlegt ſich unmittelbar dadurch, daß die angeführte
Stelle von einer klagbaren Obligation (civilis obliga-
tio) ſpricht.
Die einzelnen zu dieſer Klaſſe gehörenden Rechtsinſti-
tute ſind folgende:
A. Legat von Alimenten.
Alimente werden hier im ſtrengen Sinn genommen, als
Mittel zur Erhaltung des leiblichen Daſeyns. Dahin ge-
hört der Schutz gegen Hunger und Kälte, alſo Nahrung,
Kleidung, Wohnung: alles Andere liegt hier außer die-
ſem Begriff, namentlich die Mittel zu geiſtigen Genüſſen
und geiſtiger Ausbildung (b). Auch findet ſich nur in je-
nen Stücken etwas Gleichförmiges, Allgemeingültiges, denn
die Bedürfniſſe wofür dort Befriedigung verſchafft werden
ſoll, ſind für alle Menſchen dieſelben, wie verſchieden auch
die Art und der Umfang der Befriedigung ſeyn mögen.
Deshalb haben hierin die Roͤmer die größte Abweichung
von der Regel der Rechtsfähigkeit eintreten laſſen, indem
dieſe Rechte auch den Sklaven zuſtehen koͤnnen, und auch
(b) L. 6 de alim. leg. (34. 1.).
„Legatis alimentis cibaria, et
vestitus, et habitatio debebitur,
quia sine his ali corpus non po-
test: cetera, quae ad discipli-
nam pertinent, legato non con-
tinentur.”
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/120>, abgerufen am 03.03.2025.
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