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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 71. Anomalische Rechte. Allgemeine Natur.
des Urtheils die Rede ist. Hierin kennt der ältere Rö-
mische Prozeß drey Stufen:

a) Stricti juris judicium, wenn dasselbe auf certa pe-
cunia
gerichtet war. Der Prätor bestimmte in der For-
mel eine feste Geldsumme, und der Judex hatte nur die
Wahl, entweder auf diese bestimmte Summe zu verurthei-
len, oder gänzlich loszusprechen. Mehren oder mindern
durfte er die Summe nicht.

b) Bonae fidei und arbitraria judicia. Hier war die
Summe der Verurtheilung nicht durch die Formel vorge-
schrieben, sondern dem Ermessen des Richters überlassen,
und diese Freyheit wird gleichfalls als ein bonum et ae-
quum
bezeichnet (c). Von einer andern Seite aber war
allerdings die Willkühr des Richters gebunden, nämlich
durch die nothwendige Rücksicht auf das Interesse des Klä-
gers, dessen wahrer Betrag stets durch die bekannten Ver-
hältnisse des Verkehrs ermittelt werden kann. Indem also
hier das Urtheil zwar nicht durch den Prätor, aber durch
den Gegenstand bestimmt war, konnte man wohl anneh-
men, daß bey solchen Klagen zwey gleich sachkundige
Richter stets auf dieselbe Summe sprechen würden.

c) Ganz anderer Natur sind die hierher gehörenden
Klagen. Bey ihnen bindet den Richter weder der Prätor,

(c) § 30 J. de act. (4. 6.) "ex
bono et aequo
aestimandi." --
§ 31 eod. "permittitur judici ex
bono et aequo
.... aestimare
quemadmodum actori satisfieri
oporteat."
-- Dasselbe gilt (nur
mit etwas weniger freyem Er-
messen) bey der stricti juris actio,
wenn diese auf ein incertum ge-
richtet war.

§. 71. Anomaliſche Rechte. Allgemeine Natur.
des Urtheils die Rede iſt. Hierin kennt der ältere Roͤ-
miſche Prozeß drey Stufen:

a) Stricti juris judicium, wenn daſſelbe auf certa pe-
cunia
gerichtet war. Der Prätor beſtimmte in der For-
mel eine feſte Geldſumme, und der Judex hatte nur die
Wahl, entweder auf dieſe beſtimmte Summe zu verurthei-
len, oder gänzlich loszuſprechen. Mehren oder mindern
durfte er die Summe nicht.

b) Bonae fidei und arbitraria judicia. Hier war die
Summe der Verurtheilung nicht durch die Formel vorge-
ſchrieben, ſondern dem Ermeſſen des Richters überlaſſen,
und dieſe Freyheit wird gleichfalls als ein bonum et ae-
quum
bezeichnet (c). Von einer andern Seite aber war
allerdings die Willkühr des Richters gebunden, nämlich
durch die nothwendige Rückſicht auf das Intereſſe des Klä-
gers, deſſen wahrer Betrag ſtets durch die bekannten Ver-
hältniſſe des Verkehrs ermittelt werden kann. Indem alſo
hier das Urtheil zwar nicht durch den Prätor, aber durch
den Gegenſtand beſtimmt war, konnte man wohl anneh-
men, daß bey ſolchen Klagen zwey gleich ſachkundige
Richter ſtets auf dieſelbe Summe ſprechen würden.

c) Ganz anderer Natur ſind die hierher gehörenden
Klagen. Bey ihnen bindet den Richter weder der Prätor,

(c) § 30 J. de act. (4. 6.) „ex
bono et aequo
aestimandi.” —
§ 31 eod. „permittitur judici ex
bono et aequo
.... aestimare
quemadmodum actori satisfieri
oporteat.”
— Daſſelbe gilt (nur
mit etwas weniger freyem Er-
meſſen) bey der stricti juris actio,
wenn dieſe auf ein incertum ge-
richtet war.
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[93/0107] §. 71. Anomaliſche Rechte. Allgemeine Natur. des Urtheils die Rede iſt. Hierin kennt der ältere Roͤ- miſche Prozeß drey Stufen: a) Stricti juris judicium, wenn daſſelbe auf certa pe- cunia gerichtet war. Der Prätor beſtimmte in der For- mel eine feſte Geldſumme, und der Judex hatte nur die Wahl, entweder auf dieſe beſtimmte Summe zu verurthei- len, oder gänzlich loszuſprechen. Mehren oder mindern durfte er die Summe nicht. b) Bonae fidei und arbitraria judicia. Hier war die Summe der Verurtheilung nicht durch die Formel vorge- ſchrieben, ſondern dem Ermeſſen des Richters überlaſſen, und dieſe Freyheit wird gleichfalls als ein bonum et ae- quum bezeichnet (c). Von einer andern Seite aber war allerdings die Willkühr des Richters gebunden, nämlich durch die nothwendige Rückſicht auf das Intereſſe des Klä- gers, deſſen wahrer Betrag ſtets durch die bekannten Ver- hältniſſe des Verkehrs ermittelt werden kann. Indem alſo hier das Urtheil zwar nicht durch den Prätor, aber durch den Gegenſtand beſtimmt war, konnte man wohl anneh- men, daß bey ſolchen Klagen zwey gleich ſachkundige Richter ſtets auf dieſelbe Summe ſprechen würden. c) Ganz anderer Natur ſind die hierher gehörenden Klagen. Bey ihnen bindet den Richter weder der Prätor, (c) § 30 J. de act. (4. 6.) „ex bono et aequo aestimandi.” — § 31 eod. „permittitur judici ex bono et aequo .... aestimare quemadmodum actori satisfieri oporteat.” — Daſſelbe gilt (nur mit etwas weniger freyem Er- meſſen) bey der stricti juris actio, wenn dieſe auf ein incertum ge- richtet war.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/107>, abgerufen am 24.11.2024.