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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 7. Allgemeine Entstehung des Rechts.
Menschen kein Augenblick eines vollkommnen Stillstandes
wahrgenommen wird, sondern stete organische Entwicklung,
so verhält es sich auch in dem Leben der Völker, und in
jedem einzelnen Element, woraus dieses Gesammtleben
besteht. So finden wir in der Sprache stete Fortbildung
und Entwicklung, und auf gleiche Weise in dem Recht.
Und auch diese Fortbildung steht unter demselben Gesetz
der Erzeugung aus innerer Kraft und Nothwendigkeit,
unabhängig von Zufall und individueller Willkühr, wie
die ursprüngliche Entstehung. Allein das Volk erfährt in
diesem natürlichen Entwicklungsprozeß nicht blos eine Ver-
änderung überhaupt, sondern auch in einer bestimmten,
regelmäßigen Folge der Zustände, und unter diesen Zu-
ständen hat ein jeder sein eigenthümliches Verhältniß zu
der besonderen Äußerung des Volksgeistes, wodurch das
Recht erzeugt wird. Am freyesten und kräftigsten erscheint
diese in der Jugendzeit der Völker, in welcher der Natio-
nalzusammenhang noch inniger, das Bewußtseyn desselben
allgemeiner verbreitet, und weniger durch Verschiedenheit
der individuellen Ausbildung verdeckt ist. In demselben
Maaße aber, in welchem die Bildung der Individuen un-
gleichartiger und vorherrschender wird, und in welchem
eine schärfere Sonderung der Beschäftigungen, der Kennt-
nisse und der dadurch bedingten Stände eintritt, wird auch
die Rechtserzeugung, die auf der Gemeinschaft des Be-
wußtseyns beruhte, schwieriger werden; ja sie würde end-
lich fast ganz verschwinden, wenn sich nicht dafür, durch

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§. 7. Allgemeine Entſtehung des Rechts.
Menſchen kein Augenblick eines vollkommnen Stillſtandes
wahrgenommen wird, ſondern ſtete organiſche Entwicklung,
ſo verhält es ſich auch in dem Leben der Völker, und in
jedem einzelnen Element, woraus dieſes Geſammtleben
beſteht. So finden wir in der Sprache ſtete Fortbildung
und Entwicklung, und auf gleiche Weiſe in dem Recht.
Und auch dieſe Fortbildung ſteht unter demſelben Geſetz
der Erzeugung aus innerer Kraft und Nothwendigkeit,
unabhängig von Zufall und individueller Willkühr, wie
die urſprüngliche Entſtehung. Allein das Volk erfährt in
dieſem natürlichen Entwicklungsprozeß nicht blos eine Ver-
änderung überhaupt, ſondern auch in einer beſtimmten,
regelmäßigen Folge der Zuſtände, und unter dieſen Zu-
ſtänden hat ein jeder ſein eigenthümliches Verhältniß zu
der beſonderen Äußerung des Volksgeiſtes, wodurch das
Recht erzeugt wird. Am freyeſten und kräftigſten erſcheint
dieſe in der Jugendzeit der Völker, in welcher der Natio-
nalzuſammenhang noch inniger, das Bewußtſeyn deſſelben
allgemeiner verbreitet, und weniger durch Verſchiedenheit
der individuellen Ausbildung verdeckt iſt. In demſelben
Maaße aber, in welchem die Bildung der Individuen un-
gleichartiger und vorherrſchender wird, und in welchem
eine ſchärfere Sonderung der Beſchäftigungen, der Kennt-
niſſe und der dadurch bedingten Stände eintritt, wird auch
die Rechtserzeugung, die auf der Gemeinſchaft des Be-
wußtſeyns beruhte, ſchwieriger werden; ja ſie würde end-
lich faſt ganz verſchwinden, wenn ſich nicht dafür, durch

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[17/0073] §. 7. Allgemeine Entſtehung des Rechts. Menſchen kein Augenblick eines vollkommnen Stillſtandes wahrgenommen wird, ſondern ſtete organiſche Entwicklung, ſo verhält es ſich auch in dem Leben der Völker, und in jedem einzelnen Element, woraus dieſes Geſammtleben beſteht. So finden wir in der Sprache ſtete Fortbildung und Entwicklung, und auf gleiche Weiſe in dem Recht. Und auch dieſe Fortbildung ſteht unter demſelben Geſetz der Erzeugung aus innerer Kraft und Nothwendigkeit, unabhängig von Zufall und individueller Willkühr, wie die urſprüngliche Entſtehung. Allein das Volk erfährt in dieſem natürlichen Entwicklungsprozeß nicht blos eine Ver- änderung überhaupt, ſondern auch in einer beſtimmten, regelmäßigen Folge der Zuſtände, und unter dieſen Zu- ſtänden hat ein jeder ſein eigenthümliches Verhältniß zu der beſonderen Äußerung des Volksgeiſtes, wodurch das Recht erzeugt wird. Am freyeſten und kräftigſten erſcheint dieſe in der Jugendzeit der Völker, in welcher der Natio- nalzuſammenhang noch inniger, das Bewußtſeyn deſſelben allgemeiner verbreitet, und weniger durch Verſchiedenheit der individuellen Ausbildung verdeckt iſt. In demſelben Maaße aber, in welchem die Bildung der Individuen un- gleichartiger und vorherrſchender wird, und in welchem eine ſchärfere Sonderung der Beſchäftigungen, der Kennt- niſſe und der dadurch bedingten Stände eintritt, wird auch die Rechtserzeugung, die auf der Gemeinſchaft des Be- wußtſeyns beruhte, ſchwieriger werden; ja ſie würde end- lich faſt ganz verſchwinden, wenn ſich nicht dafür, durch 2

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/73>, abgerufen am 25.11.2024.