Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.L. 2 C. quae sit longa consuetudo. dene Ausdruck non vilis auctoritas noch viel zu gut seyn,da eine Gewohnheit in diesem Sinn auch nicht die ge- ringste auctoritas haben kann. Sehr merkwürdig endlich ist noch die Art, wie das suetudo nur von der factischen Übung versteht, welche nicht als Kenntniß der gemeinsamen Über- zeugung (also des Gewohnheits- rechts) soll gelten können, wo de- ren Existenz juristisch oder gesetz- lich unmöglich sey. -- Nun ent- steht aber die weitere Frage, woran wir es erkennen sollen, daß manche Fälle der Übung un- tauglich sind, das Daseyn eines Volksrechts zu constatiren? durch die Antwort, die er hierauf giebt, (II. S. 214) kommt seine Erklä- rung mit der hier gegebenen im letzten Resultat überein. Nach beiden Meynungen fehlt es an den Bedingungen, unter welchen die factische Gewohnheit zu einem wahren Gewohnheitsrecht wer- den, also Wirksamkeit erlangen kann. (p) c. 4 D. XI. (q) C. 11 X. de consuet. (1. 4.).
".. Licet etiam longaevae con- suetudinis non sit vilis aucto- ritas: non tamen est usque adeo valitura, ut vel juri positivo debeat praejudicium generare, nisi fuerit rationabilis, et le- gitime sit praescripta." Der Schluß ist eigentlich nur eine Wiederholung oder bestimmtere Einschärfung des im Anfang ste- henden longaevae, und es würde dieses wahrscheinlich weggelassen worden seyn, wenn man nicht räthlich gefunden hätte, die Worte der Codexstelle so viel möglich beyzubehalten. L. 2 C. quae sit longa consuetudo. dene Ausdruck non vilis auctoritas noch viel zu gut ſeyn,da eine Gewohnheit in dieſem Sinn auch nicht die ge- ringſte auctoritas haben kann. Sehr merkwürdig endlich iſt noch die Art, wie das suetudo nur von der factiſchen Übung verſteht, welche nicht als Kenntniß der gemeinſamen Über- zeugung (alſo des Gewohnheits- rechts) ſoll gelten können, wo de- ren Exiſtenz juriſtiſch oder geſetz- lich unmöglich ſey. — Nun ent- ſteht aber die weitere Frage, woran wir es erkennen ſollen, daß manche Fälle der Übung un- tauglich ſind, das Daſeyn eines Volksrechts zu conſtatiren? durch die Antwort, die er hierauf giebt, (II. S. 214) kommt ſeine Erklä- rung mit der hier gegebenen im letzten Reſultat überein. Nach beiden Meynungen fehlt es an den Bedingungen, unter welchen die factiſche Gewohnheit zu einem wahren Gewohnheitsrecht wer- den, alſo Wirkſamkeit erlangen kann. (p) c. 4 D. XI. (q) C. 11 X. de consuet. (1. 4.).
„.. Licet etiam longaevae con- suetudinis non sit vilis aucto- ritas: non tamen est usque adeo valitura, ut vel juri positivo debeat praejudicium generare, nisi fuerit rationabilis, et le- gitime sit praescripta.” Der Schluß iſt eigentlich nur eine Wiederholung oder beſtimmtere Einſchärfung des im Anfang ſte- henden longaevae, und es würde dieſes wahrſcheinlich weggelaſſen worden ſeyn, wenn man nicht räthlich gefunden hätte, die Worte der Codexſtelle ſo viel möglich beyzubehalten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0483" n="427"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">L. 2 C. quae sit longa consuetudo.</hi></fw><lb/> dene Ausdruck <hi rendition="#aq">non vilis auctoritas</hi> noch viel zu gut ſeyn,<lb/> da eine Gewohnheit in dieſem Sinn auch nicht die ge-<lb/> ringſte <hi rendition="#aq">auctoritas</hi> haben kann.</p><lb/> <p>Sehr merkwürdig endlich iſt noch die Art, wie das<lb/> canoniſche Recht dieſe Schwierigkeiten behandelt hat. Un-<lb/> ſere Stelle findet ſich in dem Decret wörtlich eingerückt <note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq">c. 4 D. XI.</hi></note>.<lb/> Allein die Schwierigkeiten in der Erklärung derſelben wa-<lb/> ren den Canoniſten nicht unbekannt geblieben, und Gre-<lb/> gor <hi rendition="#aq">IX.</hi> ſuchte dieſe in einer eigenen Decretale durch fol-<lb/> gende Paraphraſe zu löſen <note place="foot" n="(q)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">C.</hi> 11 X. <hi rendition="#i">de consuet.</hi> (1. 4.).<lb/> „.. Licet etiam longaevae con-<lb/> suetudinis non sit vilis aucto-<lb/> ritas: non tamen est usque adeo<lb/> valitura, ut vel juri positivo<lb/> debeat praejudicium generare,<lb/><hi rendition="#i">nisi fuerit rationabilis,</hi> et le-<lb/> gitime sit praescripta.”</hi> Der<lb/> Schluß iſt eigentlich nur eine<lb/> Wiederholung oder beſtimmtere<lb/> Einſchärfung des im Anfang ſte-<lb/> henden <hi rendition="#aq">longaevae</hi>, und es würde<lb/> dieſes wahrſcheinlich weggelaſſen<lb/> worden ſeyn, wenn man nicht<lb/> räthlich gefunden hätte, die Worte<lb/> der Codexſtelle ſo viel möglich<lb/> beyzubehalten.</note>. „Das <hi rendition="#aq">naturale jus</hi> (d. h.<lb/> das von Gott dem Menſchen eingepflanzte) kann durch<lb/> keine Gewohnheit abgeändert werden: auch das poſitive<lb/> Recht (das Staatsgeſetz) kann es nicht, <hi rendition="#g">außer</hi> wenn die<lb/> Gewohnheit vernunftgemäß, und durch hinreichende Dauer<lb/><note xml:id="seg2pn_59_2" prev="#seg2pn_59_1" place="foot" n="(o)"><hi rendition="#aq">suetudo</hi> nur von der factiſchen<lb/> Übung verſteht, welche nicht als<lb/> Kenntniß der gemeinſamen Über-<lb/> zeugung (alſo des Gewohnheits-<lb/> rechts) ſoll gelten können, wo de-<lb/> ren Exiſtenz juriſtiſch oder geſetz-<lb/> lich unmöglich ſey. — Nun ent-<lb/> ſteht aber die weitere Frage,<lb/> woran wir es erkennen ſollen,<lb/> daß manche Fälle der Übung un-<lb/> tauglich ſind, das Daſeyn eines<lb/> Volksrechts zu conſtatiren? durch<lb/> die Antwort, die er hierauf giebt,<lb/> (<hi rendition="#aq">II.</hi> S. 214) kommt ſeine Erklä-<lb/> rung mit der hier gegebenen im<lb/> letzten Reſultat überein. Nach<lb/> beiden Meynungen fehlt es an<lb/> den Bedingungen, unter welchen<lb/> die factiſche Gewohnheit zu einem<lb/> wahren Gewohnheits<hi rendition="#g">recht</hi> wer-<lb/> den, alſo Wirkſamkeit erlangen<lb/> kann.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [427/0483]
L. 2 C. quae sit longa consuetudo.
dene Ausdruck non vilis auctoritas noch viel zu gut ſeyn,
da eine Gewohnheit in dieſem Sinn auch nicht die ge-
ringſte auctoritas haben kann.
Sehr merkwürdig endlich iſt noch die Art, wie das
canoniſche Recht dieſe Schwierigkeiten behandelt hat. Un-
ſere Stelle findet ſich in dem Decret wörtlich eingerückt (p).
Allein die Schwierigkeiten in der Erklärung derſelben wa-
ren den Canoniſten nicht unbekannt geblieben, und Gre-
gor IX. ſuchte dieſe in einer eigenen Decretale durch fol-
gende Paraphraſe zu löſen (q). „Das naturale jus (d. h.
das von Gott dem Menſchen eingepflanzte) kann durch
keine Gewohnheit abgeändert werden: auch das poſitive
Recht (das Staatsgeſetz) kann es nicht, außer wenn die
Gewohnheit vernunftgemäß, und durch hinreichende Dauer
(o)
(p) c. 4 D. XI.
(q) C. 11 X. de consuet. (1. 4.).
„.. Licet etiam longaevae con-
suetudinis non sit vilis aucto-
ritas: non tamen est usque adeo
valitura, ut vel juri positivo
debeat praejudicium generare,
nisi fuerit rationabilis, et le-
gitime sit praescripta.” Der
Schluß iſt eigentlich nur eine
Wiederholung oder beſtimmtere
Einſchärfung des im Anfang ſte-
henden longaevae, und es würde
dieſes wahrſcheinlich weggelaſſen
worden ſeyn, wenn man nicht
räthlich gefunden hätte, die Worte
der Codexſtelle ſo viel möglich
beyzubehalten.
(o) suetudo nur von der factiſchen
Übung verſteht, welche nicht als
Kenntniß der gemeinſamen Über-
zeugung (alſo des Gewohnheits-
rechts) ſoll gelten können, wo de-
ren Exiſtenz juriſtiſch oder geſetz-
lich unmöglich ſey. — Nun ent-
ſteht aber die weitere Frage,
woran wir es erkennen ſollen,
daß manche Fälle der Übung un-
tauglich ſind, das Daſeyn eines
Volksrechts zu conſtatiren? durch
die Antwort, die er hierauf giebt,
(II. S. 214) kommt ſeine Erklä-
rung mit der hier gegebenen im
letzten Reſultat überein. Nach
beiden Meynungen fehlt es an
den Bedingungen, unter welchen
die factiſche Gewohnheit zu einem
wahren Gewohnheitsrecht wer-
den, alſo Wirkſamkeit erlangen
kann.
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