Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.L. 2 C. quae sit longa consuetudo. daß es z. B. dem Kaiser nicht in den Sinn kam, solcheallgemeine Gewohnheiten, wie z. B. die, wodurch das zweyte Kapitel der L. Aquilia antiquirt wurde (a), zu ent- kräften. Dieses folgt erstlich schon daraus, daß hier ge- wiß nur über solche Gewohnheitsrechte verfügt werden sollte, welche künftig neu entstehen oder doch zu Tage kommen würden. Das war aber zu Constantins Zeit fast nur noch von partikulären Gewohnheiten zu erwarten. Zweytens wäre der etwas geringschätzige Ausdruck non vilis auctoritas für eine allgemeine Nationalsitte ganz un- passend gewesen, von dem Gewohnheitsrecht einzelner Orte konnte er wohl gebraucht werden. -- Ferner ist unter der lex, die hier erwähnt wird, in dieser Zeit entschieden nichts Anderes als ein Kaisergesetz zu verstehen. Und so entsteht also hier die allgemeine Frage: wie verhält sich ein partiku- läres Gewohnheitsrecht zu einem kaiserlichen Landesgesetz? Dieses kann nun selbst wieder entweder eine absolute oder eine vermittelnde Natur haben (§ 16). Ist es ein absolu- tes Gesetz, so entsteht durch das allgemeine Staatsverhält- niß eine sehr natürliche Beschränkung für das partikuläre Gewohnheitsrecht (§ 9). Selbst ohne Gesetz ist ein sol- ches Gewohnheitsrecht unmöglich, wenn dadurch ein all- gemeines Staatsinteresse verletzt wird (b). Dieses wird (a) L. 27 § 4 ad L. Aquil. (9. 2.). (b) L. 1 C. Th. de longa
consu. (5. 12.): "Cum nihil per causam publicam intervenit, quae diu servata sunt perma- nebunt." Eben so in einem ein- zelnen Fall, aber mit großer Be- stimmtheit, Nov. 134 C. 1. L. 2 C. quae sit longa consuetudo. daß es z. B. dem Kaiſer nicht in den Sinn kam, ſolcheallgemeine Gewohnheiten, wie z. B. die, wodurch das zweyte Kapitel der L. Aquilia antiquirt wurde (a), zu ent- kräften. Dieſes folgt erſtlich ſchon daraus, daß hier ge- wiß nur über ſolche Gewohnheitsrechte verfügt werden ſollte, welche künftig neu entſtehen oder doch zu Tage kommen würden. Das war aber zu Conſtantins Zeit faſt nur noch von partikulären Gewohnheiten zu erwarten. Zweytens wäre der etwas geringſchätzige Ausdruck non vilis auctoritas für eine allgemeine Nationalſitte ganz un- paſſend geweſen, von dem Gewohnheitsrecht einzelner Orte konnte er wohl gebraucht werden. — Ferner iſt unter der lex, die hier erwähnt wird, in dieſer Zeit entſchieden nichts Anderes als ein Kaiſergeſetz zu verſtehen. Und ſo entſteht alſo hier die allgemeine Frage: wie verhält ſich ein partiku- läres Gewohnheitsrecht zu einem kaiſerlichen Landesgeſetz? Dieſes kann nun ſelbſt wieder entweder eine abſolute oder eine vermittelnde Natur haben (§ 16). Iſt es ein abſolu- tes Geſetz, ſo entſteht durch das allgemeine Staatsverhält- niß eine ſehr natürliche Beſchränkung für das partikuläre Gewohnheitsrecht (§ 9). Selbſt ohne Geſetz iſt ein ſol- ches Gewohnheitsrecht unmöglich, wenn dadurch ein all- gemeines Staatsintereſſe verletzt wird (b). Dieſes wird (a) L. 27 § 4 ad L. Aquil. (9. 2.). (b) L. 1 C. Th. de longa
consu. (5. 12.): „Cum nihil per causam publicam intervenit, quae diu servata sunt perma- nebunt.” Eben ſo in einem ein- zelnen Fall, aber mit großer Be- ſtimmtheit, Nov. 134 C. 1. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0477" n="421"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">L. 2 C. quae sit longa consuetudo.</hi></fw><lb/> daß es z. B. dem Kaiſer nicht in den Sinn kam, ſolche<lb/> allgemeine Gewohnheiten, wie z. B. die, wodurch das<lb/> zweyte Kapitel der <hi rendition="#aq">L. Aquilia</hi> antiquirt wurde <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 27 § 4 <hi rendition="#i">ad L. Aquil.</hi></hi><lb/> (9. 2.).</note>, zu ent-<lb/> kräften. Dieſes folgt erſtlich ſchon daraus, daß hier ge-<lb/> wiß nur über ſolche Gewohnheitsrechte verfügt werden<lb/> ſollte, welche künftig neu entſtehen oder doch zu Tage<lb/> kommen würden. Das war aber zu Conſtantins Zeit faſt<lb/> nur noch von partikulären Gewohnheiten zu erwarten.<lb/> Zweytens wäre der etwas geringſchätzige Ausdruck <hi rendition="#aq">non<lb/> vilis auctoritas</hi> für eine allgemeine Nationalſitte ganz un-<lb/> paſſend geweſen, von dem Gewohnheitsrecht einzelner Orte<lb/> konnte er wohl gebraucht werden. — Ferner iſt unter der<lb/><hi rendition="#aq">lex,</hi> die hier erwähnt wird, in dieſer Zeit entſchieden nichts<lb/> Anderes als ein Kaiſergeſetz zu verſtehen. Und ſo entſteht<lb/> alſo hier die allgemeine Frage: wie verhält ſich ein partiku-<lb/> läres Gewohnheitsrecht zu einem kaiſerlichen Landesgeſetz?<lb/> Dieſes kann nun ſelbſt wieder entweder eine abſolute oder<lb/> eine vermittelnde Natur haben (§ 16). Iſt es ein abſolu-<lb/> tes Geſetz, ſo entſteht durch das allgemeine Staatsverhält-<lb/> niß eine ſehr natürliche Beſchränkung für das partikuläre<lb/> Gewohnheitsrecht (§ 9). Selbſt ohne Geſetz iſt ein ſol-<lb/> ches Gewohnheitsrecht unmöglich, wenn dadurch ein all-<lb/> gemeines Staatsintereſſe verletzt wird <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 1 <hi rendition="#i">C. Th. de longa<lb/> consu.</hi> (5. 12.): „<hi rendition="#i">Cum nihil per<lb/> causam publicam intervenit,</hi><lb/> quae diu servata sunt perma-<lb/> nebunt.”</hi> Eben ſo in einem ein-<lb/> zelnen Fall, aber mit großer Be-<lb/> ſtimmtheit, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Nov.</hi> 134 <hi rendition="#i">C.</hi></hi> 1.</note>. Dieſes wird<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [421/0477]
L. 2 C. quae sit longa consuetudo.
daß es z. B. dem Kaiſer nicht in den Sinn kam, ſolche
allgemeine Gewohnheiten, wie z. B. die, wodurch das
zweyte Kapitel der L. Aquilia antiquirt wurde (a), zu ent-
kräften. Dieſes folgt erſtlich ſchon daraus, daß hier ge-
wiß nur über ſolche Gewohnheitsrechte verfügt werden
ſollte, welche künftig neu entſtehen oder doch zu Tage
kommen würden. Das war aber zu Conſtantins Zeit faſt
nur noch von partikulären Gewohnheiten zu erwarten.
Zweytens wäre der etwas geringſchätzige Ausdruck non
vilis auctoritas für eine allgemeine Nationalſitte ganz un-
paſſend geweſen, von dem Gewohnheitsrecht einzelner Orte
konnte er wohl gebraucht werden. — Ferner iſt unter der
lex, die hier erwähnt wird, in dieſer Zeit entſchieden nichts
Anderes als ein Kaiſergeſetz zu verſtehen. Und ſo entſteht
alſo hier die allgemeine Frage: wie verhält ſich ein partiku-
läres Gewohnheitsrecht zu einem kaiſerlichen Landesgeſetz?
Dieſes kann nun ſelbſt wieder entweder eine abſolute oder
eine vermittelnde Natur haben (§ 16). Iſt es ein abſolu-
tes Geſetz, ſo entſteht durch das allgemeine Staatsverhält-
niß eine ſehr natürliche Beſchränkung für das partikuläre
Gewohnheitsrecht (§ 9). Selbſt ohne Geſetz iſt ein ſol-
ches Gewohnheitsrecht unmöglich, wenn dadurch ein all-
gemeines Staatsintereſſe verletzt wird (b). Dieſes wird
(a) L. 27 § 4 ad L. Aquil.
(9. 2.).
(b) L. 1 C. Th. de longa
consu. (5. 12.): „Cum nihil per
causam publicam intervenit,
quae diu servata sunt perma-
nebunt.” Eben ſo in einem ein-
zelnen Fall, aber mit großer Be-
ſtimmtheit, Nov. 134 C. 1.
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