Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. I. Wesen und Arten. Der Streit beschränkt sich auf die Frage, ob der zweyteTheil (de rebus) das ganze Vermögensrecht umfaßt, so daß die Obligationen das letzte Kapitel desselben ausma- chen, oder ob diese als ein einleitendes Kapitel dem drit- ten Theil (de actionibus) voran gestellt sind. Prüfen wir nun den inneren Werth der so bestimm- (r) So z. B. besteht sein erster
Theil aus drey divisiones, deren dritte also lautet: Alle Menschen stehen entweder unter Vormund- schaft oder nicht, demnach wollen wir jetzt von der Vormundschaft handeln. Auf ähnliche Weise könnte man die Darstellung des Kauf- Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten. Der Streit beſchränkt ſich auf die Frage, ob der zweyteTheil (de rebus) das ganze Vermögensrecht umfaßt, ſo daß die Obligationen das letzte Kapitel deſſelben ausma- chen, oder ob dieſe als ein einleitendes Kapitel dem drit- ten Theil (de actionibus) voran geſtellt ſind. Prüfen wir nun den inneren Werth der ſo beſtimm- (r) So z. B. beſteht ſein erſter
Theil aus drey divisiones, deren dritte alſo lautet: Alle Menſchen ſtehen entweder unter Vormund- ſchaft oder nicht, demnach wollen wir jetzt von der Vormundſchaft handeln. Auf ähnliche Weiſe könnte man die Darſtellung des Kauf- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0460" n="404"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi> Weſen und Arten.</fw><lb/> Der Streit beſchränkt ſich auf die Frage, ob der zweyte<lb/> Theil (<hi rendition="#aq">de rebus</hi>) das ganze Vermögensrecht umfaßt, ſo<lb/> daß die Obligationen das letzte Kapitel deſſelben ausma-<lb/> chen, oder ob dieſe als ein einleitendes Kapitel dem drit-<lb/> ten Theil (<hi rendition="#aq">de actionibus</hi>) voran geſtellt ſind.</p><lb/> <p>Prüfen wir nun den inneren Werth der ſo beſtimm-<lb/> ten Eintheilung, ſo müſſen wir ſie, ihrem Hauptplane<lb/> nach, dem Gegenſtand angemeſſen, in der genaueren Aus-<lb/> führung aber unbefriedigend finden. Sie giebt mehreren<lb/> der wichtigſten Rechtsinſtitute eine viel zu untergeordnete<lb/> Stellung; ſo der Ehe, welche nur als Entſtehungsgrund<lb/> der väterlichen Gewalt vorkommt, als ob ſie nicht auch<lb/> für ſich ſelbſt den gerechteſten Anſpruch auf Anerkennung<lb/> hätte: ſo das Erbrecht, welches wörtlich nur als Erwer-<lb/> bungsgrund des Eigenthums erwähnt wird, da es doch<lb/> völlig auf dieſelbe Weiſe zur Anwendung kommt, es mag<lb/> in einem Vermögen Eigenthum vorgefunden werden oder<lb/> nicht. Dieſe unnatürliche Stellung iſt großentheils da-<lb/> durch herbeygeführt worden, daß in dem ganzen Werk<lb/> ein übertriebener Gebrauch von der logiſchen Form der<lb/><hi rendition="#aq">divisiones</hi> gemacht wird, welche Einſeitigkeit der Behand-<lb/> lung auch manche andere ſehr gezwungene Übergänge ver-<lb/> anlaßt hat <note xml:id="seg2pn_56_1" next="#seg2pn_56_2" place="foot" n="(r)">So z. B. beſteht ſein erſter<lb/> Theil aus drey <hi rendition="#aq">divisiones,</hi> deren<lb/> dritte alſo lautet: Alle Menſchen<lb/> ſtehen entweder unter Vormund-<lb/> ſchaft oder nicht, demnach wollen<lb/> wir jetzt von der Vormundſchaft<lb/> handeln. Auf ähnliche Weiſe könnte<lb/> man die Darſtellung des Kauf-</note>. Allein dieſe formellen Unvollkommenheiten<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [404/0460]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten.
Der Streit beſchränkt ſich auf die Frage, ob der zweyte
Theil (de rebus) das ganze Vermögensrecht umfaßt, ſo
daß die Obligationen das letzte Kapitel deſſelben ausma-
chen, oder ob dieſe als ein einleitendes Kapitel dem drit-
ten Theil (de actionibus) voran geſtellt ſind.
Prüfen wir nun den inneren Werth der ſo beſtimm-
ten Eintheilung, ſo müſſen wir ſie, ihrem Hauptplane
nach, dem Gegenſtand angemeſſen, in der genaueren Aus-
führung aber unbefriedigend finden. Sie giebt mehreren
der wichtigſten Rechtsinſtitute eine viel zu untergeordnete
Stellung; ſo der Ehe, welche nur als Entſtehungsgrund
der väterlichen Gewalt vorkommt, als ob ſie nicht auch
für ſich ſelbſt den gerechteſten Anſpruch auf Anerkennung
hätte: ſo das Erbrecht, welches wörtlich nur als Erwer-
bungsgrund des Eigenthums erwähnt wird, da es doch
völlig auf dieſelbe Weiſe zur Anwendung kommt, es mag
in einem Vermögen Eigenthum vorgefunden werden oder
nicht. Dieſe unnatürliche Stellung iſt großentheils da-
durch herbeygeführt worden, daß in dem ganzen Werk
ein übertriebener Gebrauch von der logiſchen Form der
divisiones gemacht wird, welche Einſeitigkeit der Behand-
lung auch manche andere ſehr gezwungene Übergänge ver-
anlaßt hat (r). Allein dieſe formellen Unvollkommenheiten
(r) So z. B. beſteht ſein erſter
Theil aus drey divisiones, deren
dritte alſo lautet: Alle Menſchen
ſtehen entweder unter Vormund-
ſchaft oder nicht, demnach wollen
wir jetzt von der Vormundſchaft
handeln. Auf ähnliche Weiſe könnte
man die Darſtellung des Kauf-
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