Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 59. Abweichende Meynungen über die Klassification.

Es bleibt nun noch übrig, jene Eintheilung nach dem
zweyten Gesichtspunkt, also nach ihrem innern Werthe,
zu prüfen. Dazu aber ist vor Allem eine genaue Fest-
stellung ihrer wahren Bedeutung nöthig, worüber die neue-
ren Schriftsteller, mehr als man glauben sollte, sehr ver-
schiedene Meynungen haben.

Was ist zuvörderst der Inhalt des ersten Theils de
personis?
Viele haben diesen Theil von jeher so aufge-
faßt, als enthalte er die Lehre vom status, d. h. (wie sie
diesen Ausdruck verstanden) von den wichtigsten Zustän-
den oder Eigenschaften der Personen als Rechtssubjecte,
also überhaupt die Lehre von den Rechtssubjecten. Man
unterschied nun weiter natürliche und civile Zustände, und
zählte unter jene das Alter, die Gesundheit u. s. w., un-
ter diese hauptsächlich die Bedingungen der Rechtsfähig-
keit, Freyheit, Civität, Unabhängigkeit, die auch wohl als
status principales besonders ausgezeichnet wurden. Daß
nun die status in diesem Sinn im ersten Buch der Insti-
tutionen von Justinian und Gajus großentheils nicht vor-
kommen, ergiebt der Augenschein, man mußte sich daher
mit der Voraussetzung beruhigen, daß man hierin Justi-
nians unvollständige Darstellung verbessert habe, wodurch
aber die ganze Annahme dieses Gesichtspunktes für jenes

mischen Juristen beweisen. Denn
der Gebrauch einer Form von so
zufälliger, dem Recht fremdarti-
ger Entstehung ließe sich etwa als
Einfall eines einzelnen Schrift-
stellers denken, aber es ist nicht
glaublich, daß dieser Einfall hätte
zu allgemeiner Anerkennung kom-
men sollen.
§. 59. Abweichende Meynungen über die Klaſſification.

Es bleibt nun noch übrig, jene Eintheilung nach dem
zweyten Geſichtspunkt, alſo nach ihrem innern Werthe,
zu prüfen. Dazu aber iſt vor Allem eine genaue Feſt-
ſtellung ihrer wahren Bedeutung noͤthig, worüber die neue-
ren Schriftſteller, mehr als man glauben ſollte, ſehr ver-
ſchiedene Meynungen haben.

Was iſt zuvörderſt der Inhalt des erſten Theils de
personis?
Viele haben dieſen Theil von jeher ſo aufge-
faßt, als enthalte er die Lehre vom status, d. h. (wie ſie
dieſen Ausdruck verſtanden) von den wichtigſten Zuſtän-
den oder Eigenſchaften der Perſonen als Rechtsſubjecte,
alſo überhaupt die Lehre von den Rechtsſubjecten. Man
unterſchied nun weiter natürliche und civile Zuſtände, und
zählte unter jene das Alter, die Geſundheit u. ſ. w., un-
ter dieſe hauptſächlich die Bedingungen der Rechtsfähig-
keit, Freyheit, Civität, Unabhängigkeit, die auch wohl als
status principales beſonders ausgezeichnet wurden. Daß
nun die status in dieſem Sinn im erſten Buch der Inſti-
tutionen von Juſtinian und Gajus großentheils nicht vor-
kommen, ergiebt der Augenſchein, man mußte ſich daher
mit der Vorausſetzung beruhigen, daß man hierin Juſti-
nians unvollſtändige Darſtellung verbeſſert habe, wodurch
aber die ganze Annahme dieſes Geſichtspunktes für jenes

miſchen Juriſten beweiſen. Denn
der Gebrauch einer Form von ſo
zufälliger, dem Recht fremdarti-
ger Entſtehung ließe ſich etwa als
Einfall eines einzelnen Schrift-
ſtellers denken, aber es iſt nicht
glaublich, daß dieſer Einfall hätte
zu allgemeiner Anerkennung kom-
men ſollen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0453" n="397"/>
            <fw place="top" type="header">§. 59. Abweichende Meynungen über die Kla&#x017F;&#x017F;ification.</fw><lb/>
            <p>Es bleibt nun noch übrig, jene Eintheilung nach dem<lb/>
zweyten Ge&#x017F;ichtspunkt, al&#x017F;o nach ihrem innern Werthe,<lb/>
zu prüfen. Dazu aber i&#x017F;t vor Allem eine genaue Fe&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;tellung ihrer wahren Bedeutung no&#x0364;thig, worüber die neue-<lb/>
ren Schrift&#x017F;teller, mehr als man glauben &#x017F;ollte, &#x017F;ehr ver-<lb/>
&#x017F;chiedene Meynungen haben.</p><lb/>
            <p>Was i&#x017F;t zuvörder&#x017F;t der Inhalt des er&#x017F;ten Theils <hi rendition="#aq">de<lb/>
personis?</hi> Viele haben die&#x017F;en Theil von jeher &#x017F;o aufge-<lb/>
faßt, als enthalte er die Lehre vom <hi rendition="#aq">status,</hi> d. h. (wie &#x017F;ie<lb/>
die&#x017F;en Ausdruck ver&#x017F;tanden) von den wichtig&#x017F;ten Zu&#x017F;tän-<lb/>
den oder Eigen&#x017F;chaften der Per&#x017F;onen als Rechts&#x017F;ubjecte,<lb/>
al&#x017F;o überhaupt die Lehre von den Rechts&#x017F;ubjecten. Man<lb/>
unter&#x017F;chied nun weiter natürliche und civile Zu&#x017F;tände, und<lb/>
zählte unter jene das Alter, die Ge&#x017F;undheit u. &#x017F;. w., un-<lb/>
ter die&#x017F;e haupt&#x017F;ächlich die Bedingungen der Rechtsfähig-<lb/>
keit, Freyheit, Civität, Unabhängigkeit, die auch wohl als<lb/><hi rendition="#aq">status principales</hi> be&#x017F;onders ausgezeichnet wurden. Daß<lb/>
nun die <hi rendition="#aq">status</hi> in die&#x017F;em Sinn im er&#x017F;ten Buch der In&#x017F;ti-<lb/>
tutionen von Ju&#x017F;tinian und Gajus großentheils <hi rendition="#g">nicht</hi> vor-<lb/>
kommen, ergiebt der Augen&#x017F;chein, man mußte &#x017F;ich daher<lb/>
mit der Voraus&#x017F;etzung beruhigen, daß man hierin Ju&#x017F;ti-<lb/>
nians unvoll&#x017F;tändige Dar&#x017F;tellung verbe&#x017F;&#x017F;ert habe, wodurch<lb/>
aber die ganze Annahme die&#x017F;es Ge&#x017F;ichtspunktes für jenes<lb/><note xml:id="seg2pn_53_2" prev="#seg2pn_53_1" place="foot" n="(f)">mi&#x017F;chen Juri&#x017F;ten bewei&#x017F;en. Denn<lb/>
der Gebrauch einer Form von &#x017F;o<lb/>
zufälliger, dem Recht fremdarti-<lb/>
ger Ent&#x017F;tehung ließe &#x017F;ich etwa als<lb/>
Einfall eines einzelnen Schrift-<lb/>
&#x017F;tellers denken, aber es i&#x017F;t nicht<lb/>
glaublich, daß die&#x017F;er Einfall hätte<lb/>
zu allgemeiner Anerkennung kom-<lb/>
men &#x017F;ollen.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[397/0453] §. 59. Abweichende Meynungen über die Klaſſification. Es bleibt nun noch übrig, jene Eintheilung nach dem zweyten Geſichtspunkt, alſo nach ihrem innern Werthe, zu prüfen. Dazu aber iſt vor Allem eine genaue Feſt- ſtellung ihrer wahren Bedeutung noͤthig, worüber die neue- ren Schriftſteller, mehr als man glauben ſollte, ſehr ver- ſchiedene Meynungen haben. Was iſt zuvörderſt der Inhalt des erſten Theils de personis? Viele haben dieſen Theil von jeher ſo aufge- faßt, als enthalte er die Lehre vom status, d. h. (wie ſie dieſen Ausdruck verſtanden) von den wichtigſten Zuſtän- den oder Eigenſchaften der Perſonen als Rechtsſubjecte, alſo überhaupt die Lehre von den Rechtsſubjecten. Man unterſchied nun weiter natürliche und civile Zuſtände, und zählte unter jene das Alter, die Geſundheit u. ſ. w., un- ter dieſe hauptſächlich die Bedingungen der Rechtsfähig- keit, Freyheit, Civität, Unabhängigkeit, die auch wohl als status principales beſonders ausgezeichnet wurden. Daß nun die status in dieſem Sinn im erſten Buch der Inſti- tutionen von Juſtinian und Gajus großentheils nicht vor- kommen, ergiebt der Augenſchein, man mußte ſich daher mit der Vorausſetzung beruhigen, daß man hierin Juſti- nians unvollſtändige Darſtellung verbeſſert habe, wodurch aber die ganze Annahme dieſes Geſichtspunktes für jenes (f) (f) miſchen Juriſten beweiſen. Denn der Gebrauch einer Form von ſo zufälliger, dem Recht fremdarti- ger Entſtehung ließe ſich etwa als Einfall eines einzelnen Schrift- ſtellers denken, aber es iſt nicht glaublich, daß dieſer Einfall hätte zu allgemeiner Anerkennung kom- men ſollen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/453
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/453>, abgerufen am 24.11.2024.