terung, so erscheint uns nunmehr das Vermögen als das Bleibende und Wesentliche, zu welchem sich die einzelnen Inhaber nur als vorübergehende, wechslende Beherrscher verhalten.
Als Gegenstand des Erbrechts wurde hier stets das Vermögen ausschließend behandelt, worin die Behaup- tung liegt, daß die Familienverhältnisse nicht zu den Ge- genständen desselben gehören. Eigenthum und Obligatio- nen also werden vererbt, Ehe, väterliche Gewalt und Verwandtschaft werden nicht vererbt. Allein diejenigen künstlichen Institute des Familienrechts, die sich ganz an ein zum Vermögen gehörendes Recht anschließen, müssen auch die Schicksale desselben theilen (§ 55). So wer- den die Sklaven, wie jedes andere Eigenthumsstück, ver- erbt: eben so die Colonen mit dem Bauergute, mit wel- chem sie unzertrennlich verbunden sind.
In der Aufstellung des Erbrechts liegt die Vollendung des Rechtsorganismus, welcher dadurch über die Lebens- gränze der Individuen hinaus erstreckt wird. Vergleichen wir das Erbrecht mit demjenigen, was wir früher als Vermögensrecht kennen gelernt haben, so erscheint es dem- selben nicht untergeordnet, sondern coordinirt. Von dem nun gewonnenen höheren Standpunkt aus müssen wir in dem gesammten Vermögensrecht zwey Haupttheile anneh- men: das gleichzeitige und das successive Vermögensrecht. Das erste enthält die Bedingungen, unter welchen jedes Individuum für irgend einen gegebenen Zeitpunkt Vermö-
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§. 57. Vermögensrecht. Fortſetzung.
terung, ſo erſcheint uns nunmehr das Vermögen als das Bleibende und Weſentliche, zu welchem ſich die einzelnen Inhaber nur als vorübergehende, wechslende Beherrſcher verhalten.
Als Gegenſtand des Erbrechts wurde hier ſtets das Vermögen ausſchließend behandelt, worin die Behaup- tung liegt, daß die Familienverhältniſſe nicht zu den Ge- genſtänden deſſelben gehören. Eigenthum und Obligatio- nen alſo werden vererbt, Ehe, väterliche Gewalt und Verwandtſchaft werden nicht vererbt. Allein diejenigen künſtlichen Inſtitute des Familienrechts, die ſich ganz an ein zum Vermögen gehörendes Recht anſchließen, müſſen auch die Schickſale deſſelben theilen (§ 55). So wer- den die Sklaven, wie jedes andere Eigenthumsſtück, ver- erbt: eben ſo die Colonen mit dem Bauergute, mit wel- chem ſie unzertrennlich verbunden ſind.
In der Aufſtellung des Erbrechts liegt die Vollendung des Rechtsorganismus, welcher dadurch über die Lebens- gränze der Individuen hinaus erſtreckt wird. Vergleichen wir das Erbrecht mit demjenigen, was wir früher als Vermögensrecht kennen gelernt haben, ſo erſcheint es dem- ſelben nicht untergeordnet, ſondern coordinirt. Von dem nun gewonnenen höheren Standpunkt aus müſſen wir in dem geſammten Vermögensrecht zwey Haupttheile anneh- men: das gleichzeitige und das ſucceſſive Vermögensrecht. Das erſte enthält die Bedingungen, unter welchen jedes Individuum für irgend einen gegebenen Zeitpunkt Vermö-
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§. 57. Vermögensrecht. Fortſetzung.
terung, ſo erſcheint uns nunmehr das Vermögen als das
Bleibende und Weſentliche, zu welchem ſich die einzelnen
Inhaber nur als vorübergehende, wechslende Beherrſcher
verhalten.
Als Gegenſtand des Erbrechts wurde hier ſtets das
Vermögen ausſchließend behandelt, worin die Behaup-
tung liegt, daß die Familienverhältniſſe nicht zu den Ge-
genſtänden deſſelben gehören. Eigenthum und Obligatio-
nen alſo werden vererbt, Ehe, väterliche Gewalt und
Verwandtſchaft werden nicht vererbt. Allein diejenigen
künſtlichen Inſtitute des Familienrechts, die ſich ganz an
ein zum Vermögen gehörendes Recht anſchließen, müſſen
auch die Schickſale deſſelben theilen (§ 55). So wer-
den die Sklaven, wie jedes andere Eigenthumsſtück, ver-
erbt: eben ſo die Colonen mit dem Bauergute, mit wel-
chem ſie unzertrennlich verbunden ſind.
In der Aufſtellung des Erbrechts liegt die Vollendung
des Rechtsorganismus, welcher dadurch über die Lebens-
gränze der Individuen hinaus erſtreckt wird. Vergleichen
wir das Erbrecht mit demjenigen, was wir früher als
Vermögensrecht kennen gelernt haben, ſo erſcheint es dem-
ſelben nicht untergeordnet, ſondern coordinirt. Von dem
nun gewonnenen höheren Standpunkt aus müſſen wir in
dem geſammten Vermögensrecht zwey Haupttheile anneh-
men: das gleichzeitige und das ſucceſſive Vermögensrecht.
Das erſte enthält die Bedingungen, unter welchen jedes
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/441>, abgerufen am 25.11.2024.
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