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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. I. Wesen und Arten.

Es geht hieraus eine zwiefache Betrachtung des ganzen
Erbrechts hervor, deren jede gleich wahr und wichtig ist. Es
erscheint dasselbe nehmlich erstlich als eine Erwerbungsart
aller einzelnen zum Vermögen gehörenden Rechte, als ad-
quisitio
per universitatem
(c). Zweytens erscheint der
Gegenstand desselben als ein eigenthümliches, für sich be-
stehendes Recht, als eine universitas (d), und hierauf be-
zieht sich insbesondere die eigenthümliche Art der Rechtsver-
folgung, die dabey eintritt. Beide Auffassungen vereinigen
sich in der Ansicht, nach welcher die Erben mit dem Ver-
storbenen Eine Person ausmachen, also denselben fort-
setzen oder repräsentiren. Durch diese Ansicht wird also
das ursprüngliche Verhältniß völlig umgekehrt. Denn an-
statt daß ursprünglich der Mensch als die Substanz ge-
dacht werden muß, das Vermögen als Accidens, indem
es die Freyheit des Menschen nur modificirt durch Erwei-

schon die zwölf Tafeln bestimmt
haben, war so durchgreifend und
befriedigend, daß die Rechtswis-
senschaft zur Zeit ihrer höchsten
Ausbildung Nichts daran zu bes-
sern vorfand. Die ganze Suc-
cessio per universitatem
war
also schon damals in voller Be-
stimmtheit gedacht. Vergl. L. 6
C. fam. herc. (3. 36.). L. 25
§ 9. 13 eod. (10. 2.). L. 7 C.
de her. act.
(4. 16.). L. 26 C.
de pactis
(2. 3.).
(c) Bey Gajus, und daher auch
in Justinians Institutionen, ist
das ganze Erbrecht nur von die-
sem Gesichtspunkt aus in das
System der Rechtsinstitute einge-
fügt worden. Die Einseitigkeit
dieser Auffassung zeigt sich nun
unter andern auch darin, daß es
als Erwerbungsgrund des Ei-
genthums
dargestellt ist, da es
doch in dieser Hinsicht dem Ei-
genthum nicht mehr und nicht
weniger angehört, als den Obli-
gationen.
(d) Die Erbschaft wird daher
von den Neueren eine universi-
tas juris
genannt, an welchen
unächten Ausdruck sich dann wei-
ter manche die Sache betreffende
nicht unwichtige Irrthümer an-
schließen (§ 56).
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten.

Es geht hieraus eine zwiefache Betrachtung des ganzen
Erbrechts hervor, deren jede gleich wahr und wichtig iſt. Es
erſcheint daſſelbe nehmlich erſtlich als eine Erwerbungsart
aller einzelnen zum Vermögen gehörenden Rechte, als ad-
quisitio
per universitatem
(c). Zweytens erſcheint der
Gegenſtand deſſelben als ein eigenthümliches, für ſich be-
ſtehendes Recht, als eine universitas (d), und hierauf be-
zieht ſich insbeſondere die eigenthümliche Art der Rechtsver-
folgung, die dabey eintritt. Beide Auffaſſungen vereinigen
ſich in der Anſicht, nach welcher die Erben mit dem Ver-
ſtorbenen Eine Perſon ausmachen, alſo denſelben fort-
ſetzen oder repräſentiren. Durch dieſe Anſicht wird alſo
das urſprüngliche Verhältniß völlig umgekehrt. Denn an-
ſtatt daß urſprünglich der Menſch als die Subſtanz ge-
dacht werden muß, das Vermögen als Accidens, indem
es die Freyheit des Menſchen nur modificirt durch Erwei-

ſchon die zwölf Tafeln beſtimmt
haben, war ſo durchgreifend und
befriedigend, daß die Rechtswiſ-
ſenſchaft zur Zeit ihrer höchſten
Ausbildung Nichts daran zu beſ-
ſern vorfand. Die ganze Suc-
cessio per universitatem
war
alſo ſchon damals in voller Be-
ſtimmtheit gedacht. Vergl. L. 6
C. fam. herc. (3. 36.). L. 25
§ 9. 13 eod. (10. 2.). L. 7 C.
de her. act.
(4. 16.). L. 26 C.
de pactis
(2. 3.).
(c) Bey Gajus, und daher auch
in Juſtinians Inſtitutionen, iſt
das ganze Erbrecht nur von die-
ſem Geſichtspunkt aus in das
Syſtem der Rechtsinſtitute einge-
fügt worden. Die Einſeitigkeit
dieſer Auffaſſung zeigt ſich nun
unter andern auch darin, daß es
als Erwerbungsgrund des Ei-
genthums
dargeſtellt iſt, da es
doch in dieſer Hinſicht dem Ei-
genthum nicht mehr und nicht
weniger angehört, als den Obli-
gationen.
(d) Die Erbſchaft wird daher
von den Neueren eine universi-
tas juris
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unächten Ausdruck ſich dann wei-
ter manche die Sache betreffende
nicht unwichtige Irrthümer an-
ſchließen (§ 56).
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[384/0440] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten. Es geht hieraus eine zwiefache Betrachtung des ganzen Erbrechts hervor, deren jede gleich wahr und wichtig iſt. Es erſcheint daſſelbe nehmlich erſtlich als eine Erwerbungsart aller einzelnen zum Vermögen gehörenden Rechte, als ad- quisitio per universitatem (c). Zweytens erſcheint der Gegenſtand deſſelben als ein eigenthümliches, für ſich be- ſtehendes Recht, als eine universitas (d), und hierauf be- zieht ſich insbeſondere die eigenthümliche Art der Rechtsver- folgung, die dabey eintritt. Beide Auffaſſungen vereinigen ſich in der Anſicht, nach welcher die Erben mit dem Ver- ſtorbenen Eine Perſon ausmachen, alſo denſelben fort- ſetzen oder repräſentiren. Durch dieſe Anſicht wird alſo das urſprüngliche Verhältniß völlig umgekehrt. Denn an- ſtatt daß urſprünglich der Menſch als die Subſtanz ge- dacht werden muß, das Vermögen als Accidens, indem es die Freyheit des Menſchen nur modificirt durch Erwei- (b) (c) Bey Gajus, und daher auch in Juſtinians Inſtitutionen, iſt das ganze Erbrecht nur von die- ſem Geſichtspunkt aus in das Syſtem der Rechtsinſtitute einge- fügt worden. Die Einſeitigkeit dieſer Auffaſſung zeigt ſich nun unter andern auch darin, daß es als Erwerbungsgrund des Ei- genthums dargeſtellt iſt, da es doch in dieſer Hinſicht dem Ei- genthum nicht mehr und nicht weniger angehört, als den Obli- gationen. (d) Die Erbſchaft wird daher von den Neueren eine universi- tas juris genannt, an welchen unächten Ausdruck ſich dann wei- ter manche die Sache betreffende nicht unwichtige Irrthümer an- ſchließen (§ 56). (b) ſchon die zwölf Tafeln beſtimmt haben, war ſo durchgreifend und befriedigend, daß die Rechtswiſ- ſenſchaft zur Zeit ihrer höchſten Ausbildung Nichts daran zu beſ- ſern vorfand. Die ganze Suc- cessio per universitatem war alſo ſchon damals in voller Be- ſtimmtheit gedacht. Vergl. L. 6 C. fam. herc. (3. 36.). L. 25 § 9. 13 eod. (10. 2.). L. 7 C. de her. act. (4. 16.). L. 26 C. de pactis (2. 3.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/440>, abgerufen am 25.11.2024.