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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 54. Familienrecht.
setzen pflegt, die Verwandten aber als solche, mit weni-
gen Ausnahmen, keine Rechte gegen einander haben. Nach
unsrer oben dargelegten Ansicht kann uns jedoch dieser
Umstand nicht hindern, auch die Verwandtschaft als ein
eigenes Familienverhältniß zu behandeln. Denn auch bey
ihr sind die rechtlichen Bedingungen ihres Daseyns genau
bestimmt. Eben so fehlt es ihr nicht an Einfluß auf an-
dere Rechtsverhältnisse. Dieser Einfluß zeigt sich zunächst
bey der Ehe, deren Möglichkeit durch gewisse Arten der
Verwandtschaft ausgeschlossen wird. Ferner im Vermö-
gen, und zwar hier auf zweyerley Weise. Der wichtigste
Einfluß ist der auf das Erbrecht, wodurch allein schon die
genaueste Feststellung dieses Verhältnisses unentbehrlich
wird. Ein zweyter, minder wichtiger Einfluß zeigt sich
in der Obligation auf Alimente, welche jedoch nur bey
einigen Arten der Verwandtschaft eintritt; in dieser liegt
der einzige gegenseitige Rechtsanspruch, der unter gleichzei-
tig lebenden Verwandten wahrzunehmen ist.

Nach der hier dargelegten Ansicht ist jedes Familien-
verhältniß, als ein natürlich-sittliches betrachtet, ganz in-
dividuell, indem es in einer Wechselbeziehung zwischen
zwey einzelnen Menschen besteht; als Rechtsverhältniß be-
trachtet aber ist es ein Verhältniß Einer Person zu allen
übrigen Menschen, indem es seinem eigenen Wesen nach
nur in dem Anspruch auf allgemeine Anerkennung besteht.
So z. B. hat ein Vater kraft der väterlichen Gewalt zu-
nächst nur den Rechtsanspruch, daß ihm das Daseyn die-

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§. 54. Familienrecht.
ſetzen pflegt, die Verwandten aber als ſolche, mit weni-
gen Ausnahmen, keine Rechte gegen einander haben. Nach
unſrer oben dargelegten Anſicht kann uns jedoch dieſer
Umſtand nicht hindern, auch die Verwandtſchaft als ein
eigenes Familienverhältniß zu behandeln. Denn auch bey
ihr ſind die rechtlichen Bedingungen ihres Daſeyns genau
beſtimmt. Eben ſo fehlt es ihr nicht an Einfluß auf an-
dere Rechtsverhältniſſe. Dieſer Einfluß zeigt ſich zunächſt
bey der Ehe, deren Möglichkeit durch gewiſſe Arten der
Verwandtſchaft ausgeſchloſſen wird. Ferner im Vermö-
gen, und zwar hier auf zweyerley Weiſe. Der wichtigſte
Einfluß iſt der auf das Erbrecht, wodurch allein ſchon die
genaueſte Feſtſtellung dieſes Verhältniſſes unentbehrlich
wird. Ein zweyter, minder wichtiger Einfluß zeigt ſich
in der Obligation auf Alimente, welche jedoch nur bey
einigen Arten der Verwandtſchaft eintritt; in dieſer liegt
der einzige gegenſeitige Rechtsanſpruch, der unter gleichzei-
tig lebenden Verwandten wahrzunehmen iſt.

Nach der hier dargelegten Anſicht iſt jedes Familien-
verhältniß, als ein natürlich-ſittliches betrachtet, ganz in-
dividuell, indem es in einer Wechſelbeziehung zwiſchen
zwey einzelnen Menſchen beſteht; als Rechtsverhältniß be-
trachtet aber iſt es ein Verhältniß Einer Perſon zu allen
übrigen Menſchen, indem es ſeinem eigenen Weſen nach
nur in dem Anſpruch auf allgemeine Anerkennung beſteht.
So z. B. hat ein Vater kraft der väterlichen Gewalt zu-
nächſt nur den Rechtsanſpruch, daß ihm das Daſeyn die-

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[355/0411] §. 54. Familienrecht. ſetzen pflegt, die Verwandten aber als ſolche, mit weni- gen Ausnahmen, keine Rechte gegen einander haben. Nach unſrer oben dargelegten Anſicht kann uns jedoch dieſer Umſtand nicht hindern, auch die Verwandtſchaft als ein eigenes Familienverhältniß zu behandeln. Denn auch bey ihr ſind die rechtlichen Bedingungen ihres Daſeyns genau beſtimmt. Eben ſo fehlt es ihr nicht an Einfluß auf an- dere Rechtsverhältniſſe. Dieſer Einfluß zeigt ſich zunächſt bey der Ehe, deren Möglichkeit durch gewiſſe Arten der Verwandtſchaft ausgeſchloſſen wird. Ferner im Vermö- gen, und zwar hier auf zweyerley Weiſe. Der wichtigſte Einfluß iſt der auf das Erbrecht, wodurch allein ſchon die genaueſte Feſtſtellung dieſes Verhältniſſes unentbehrlich wird. Ein zweyter, minder wichtiger Einfluß zeigt ſich in der Obligation auf Alimente, welche jedoch nur bey einigen Arten der Verwandtſchaft eintritt; in dieſer liegt der einzige gegenſeitige Rechtsanſpruch, der unter gleichzei- tig lebenden Verwandten wahrzunehmen iſt. Nach der hier dargelegten Anſicht iſt jedes Familien- verhältniß, als ein natürlich-ſittliches betrachtet, ganz in- dividuell, indem es in einer Wechſelbeziehung zwiſchen zwey einzelnen Menſchen beſteht; als Rechtsverhältniß be- trachtet aber iſt es ein Verhältniß Einer Perſon zu allen übrigen Menſchen, indem es ſeinem eigenen Weſen nach nur in dem Anſpruch auf allgemeine Anerkennung beſteht. So z. B. hat ein Vater kraft der väterlichen Gewalt zu- nächſt nur den Rechtsanſpruch, daß ihm das Daſeyn die- 23*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/411>, abgerufen am 25.11.2024.