Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. I. Wesen und Arten.
wollte, wodurch das Wesen derselben gänzlich verkannt und herabgewürdigt werden mußte (c).
Fragen wir nun nach dem eigentlichen Inhalt der zur Familie gehörenden Rechtsverhältnisse, so scheint derselbe zu liegen in dem Recht, welches wir gegen die andere unserm Willen unterworfene Person haben, nur daß diese Unterwerfung nicht als eine totale, sondern als eine be- schränkte, lediglich die Familienbeziehung afficirende, ge- dacht werden müßte (d). Und diese Annahme scheint ihre Bestätigung zu finden in den besonderen Bestimmungen des Römischen Familienrechts, welches größtentheils auf strenge Herrschaft des Hausvaters über die anderen Glieder der Familie gegründet ist. Dennoch müssen wir dieselbe, ge- rade auch von dem Standpunkt des Römischen Rechts aus, gänzlich verwerfen. Allerdings hat hier der Vater unbedingte Herrschaft über den Sohn, eine Herrschaft die für die älteste Zeit von dem wahren Eigenthum kaum zu unterscheiden seyn dürfte. Allein diese Herrschaft ist nicht der eigentliche Inhalt des Rechtsverhältnisses. Sie ist der natürliche Character der väterlichen Gewalt, worin sich der Vater durch eigene Macht behauptet wie in der Herrschaft über den Sklaven oder über sein Haus oder sein Pferd. Nirgend ist von einer juristischen Verpflich- tung des Sohnes zum Gehorsam die Rede, nirgend von einer Klage des Vaters gegen den ungehorsamen Sohn,
(c) Vgl. hierüber unten § 141. d.
(d) So wird es in der That aufgefaßt von Puchta, rhein. Museum B. 3 S. 301. 302.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten.
wollte, wodurch das Weſen derſelben gänzlich verkannt und herabgewürdigt werden mußte (c).
Fragen wir nun nach dem eigentlichen Inhalt der zur Familie gehörenden Rechtsverhältniſſe, ſo ſcheint derſelbe zu liegen in dem Recht, welches wir gegen die andere unſerm Willen unterworfene Perſon haben, nur daß dieſe Unterwerfung nicht als eine totale, ſondern als eine be- ſchränkte, lediglich die Familienbeziehung afficirende, ge- dacht werden müßte (d). Und dieſe Annahme ſcheint ihre Beſtätigung zu finden in den beſonderen Beſtimmungen des Römiſchen Familienrechts, welches größtentheils auf ſtrenge Herrſchaft des Hausvaters über die anderen Glieder der Familie gegründet iſt. Dennoch müſſen wir dieſelbe, ge- rade auch von dem Standpunkt des Römiſchen Rechts aus, gänzlich verwerfen. Allerdings hat hier der Vater unbedingte Herrſchaft über den Sohn, eine Herrſchaft die für die älteſte Zeit von dem wahren Eigenthum kaum zu unterſcheiden ſeyn dürfte. Allein dieſe Herrſchaft iſt nicht der eigentliche Inhalt des Rechtsverhältniſſes. Sie iſt der natürliche Character der väterlichen Gewalt, worin ſich der Vater durch eigene Macht behauptet wie in der Herrſchaft über den Sklaven oder über ſein Haus oder ſein Pferd. Nirgend iſt von einer juriſtiſchen Verpflich- tung des Sohnes zum Gehorſam die Rede, nirgend von einer Klage des Vaters gegen den ungehorſamen Sohn,
(c) Vgl. hierüber unten § 141. d.
(d) So wird es in der That aufgefaßt von Puchta, rhein. Muſeum B. 3 S. 301. 302.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten.
wollte, wodurch das Weſen derſelben gänzlich verkannt
und herabgewürdigt werden mußte (c).
Fragen wir nun nach dem eigentlichen Inhalt der zur
Familie gehörenden Rechtsverhältniſſe, ſo ſcheint derſelbe
zu liegen in dem Recht, welches wir gegen die andere
unſerm Willen unterworfene Perſon haben, nur daß dieſe
Unterwerfung nicht als eine totale, ſondern als eine be-
ſchränkte, lediglich die Familienbeziehung afficirende, ge-
dacht werden müßte (d). Und dieſe Annahme ſcheint ihre
Beſtätigung zu finden in den beſonderen Beſtimmungen des
Römiſchen Familienrechts, welches größtentheils auf ſtrenge
Herrſchaft des Hausvaters über die anderen Glieder der
Familie gegründet iſt. Dennoch müſſen wir dieſelbe, ge-
rade auch von dem Standpunkt des Römiſchen Rechts
aus, gänzlich verwerfen. Allerdings hat hier der Vater
unbedingte Herrſchaft über den Sohn, eine Herrſchaft die
für die älteſte Zeit von dem wahren Eigenthum kaum zu
unterſcheiden ſeyn dürfte. Allein dieſe Herrſchaft iſt nicht
der eigentliche Inhalt des Rechtsverhältniſſes. Sie iſt
der natürliche Character der väterlichen Gewalt, worin
ſich der Vater durch eigene Macht behauptet wie in der
Herrſchaft über den Sklaven oder über ſein Haus oder
ſein Pferd. Nirgend iſt von einer juriſtiſchen Verpflich-
tung des Sohnes zum Gehorſam die Rede, nirgend von
einer Klage des Vaters gegen den ungehorſamen Sohn,
(c) Vgl. hierüber unten § 141. d.
(d) So wird es in der That
aufgefaßt von Puchta, rhein.
Muſeum B. 3 S. 301. 302.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/404>, abgerufen am 28.11.2024.
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