Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§. 52. Wesen. welche allein der natürlichen Neigung der Menschen zugegenseitiger Zerstörung Einhalt thun könne. Indem sie auf diese Weise das Negative an die Spitze stellen, ver- fahren sie so, als ob wir vom Zustand der Krankheit ausgehen wollten, um die Gesetze des Lebens zu erkennen. Der Staat erscheint ihnen als eine Nothwehr, die unter Voraussetzung einer verbreiteten gerechten Gesinnung als überflüssig verschwinden könnte, anstatt daß er hier nach unsrer Ansicht nur um so herrlicher und kräftiger hervor- treten würde. Von dem nunmehr gewonnenen Standpunkt aus er- Daher lassen sich in jedem Rechtsverhältniß zwey Allein nicht alle Beziehungen des Menschen zum Men- §. 52. Weſen. welche allein der natürlichen Neigung der Menſchen zugegenſeitiger Zerſtörung Einhalt thun könne. Indem ſie auf dieſe Weiſe das Negative an die Spitze ſtellen, ver- fahren ſie ſo, als ob wir vom Zuſtand der Krankheit ausgehen wollten, um die Geſetze des Lebens zu erkennen. Der Staat erſcheint ihnen als eine Nothwehr, die unter Vorausſetzung einer verbreiteten gerechten Geſinnung als überflüſſig verſchwinden könnte, anſtatt daß er hier nach unſrer Anſicht nur um ſo herrlicher und kräftiger hervor- treten würde. Von dem nunmehr gewonnenen Standpunkt aus er- Daher laſſen ſich in jedem Rechtsverhältniß zwey Allein nicht alle Beziehungen des Menſchen zum Men- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0389" n="333"/><fw place="top" type="header">§. 52. Weſen.</fw><lb/> welche allein der natürlichen Neigung der Menſchen zu<lb/> gegenſeitiger Zerſtörung Einhalt thun könne. Indem ſie<lb/> auf dieſe Weiſe das Negative an die Spitze ſtellen, ver-<lb/> fahren ſie ſo, als ob wir vom Zuſtand der Krankheit<lb/> ausgehen wollten, um die Geſetze des Lebens zu erkennen.<lb/> Der Staat erſcheint ihnen als eine Nothwehr, die unter<lb/> Vorausſetzung einer verbreiteten gerechten Geſinnung als<lb/> überflüſſig verſchwinden könnte, anſtatt daß er hier nach<lb/> unſrer Anſicht nur um ſo herrlicher und kräftiger hervor-<lb/> treten würde.</p><lb/> <p>Von dem nunmehr gewonnenen Standpunkt aus er-<lb/> ſcheint uns jedes einzelne Rechtsverhältniß als eine Bezie-<lb/> hung zwiſchen Perſon und Perſon, durch eine Rechtsregel<lb/> beſtimmt. Dieſe Beſtimmung durch eine Rechtsregel be-<lb/> ſteht aber darin, daß dem individuellen Willen ein Gebiet<lb/> angewieſen iſt, in welchem er unabhängig von jedem frem-<lb/> den Willen zu herrſchen hat.</p><lb/> <p>Daher laſſen ſich in jedem Rechtsverhältniß zwey<lb/> Stücke unterſcheiden: erſtlich ein Stoff, das heißt jene Be-<lb/> ziehung an ſich, und zweytens die rechtliche Beſtimmung<lb/> dieſes Stoffs. Das erſte Stück können wir als das ma-<lb/> terielle Element der Rechtsverhältniſſe, oder als die bloße<lb/> Thatſache in denſelben bezeichnen: das zweyte als ihr<lb/> formelles Element, das heißt als dasjenige, wodurch die<lb/> thatſächliche Beziehung zur Rechtsform erhoben wird.</p><lb/> <p>Allein nicht alle Beziehungen des Menſchen zum Men-<lb/> ſchen gehören dem Rechtsgebiet an, indem ſie einer ſol-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [333/0389]
§. 52. Weſen.
welche allein der natürlichen Neigung der Menſchen zu
gegenſeitiger Zerſtörung Einhalt thun könne. Indem ſie
auf dieſe Weiſe das Negative an die Spitze ſtellen, ver-
fahren ſie ſo, als ob wir vom Zuſtand der Krankheit
ausgehen wollten, um die Geſetze des Lebens zu erkennen.
Der Staat erſcheint ihnen als eine Nothwehr, die unter
Vorausſetzung einer verbreiteten gerechten Geſinnung als
überflüſſig verſchwinden könnte, anſtatt daß er hier nach
unſrer Anſicht nur um ſo herrlicher und kräftiger hervor-
treten würde.
Von dem nunmehr gewonnenen Standpunkt aus er-
ſcheint uns jedes einzelne Rechtsverhältniß als eine Bezie-
hung zwiſchen Perſon und Perſon, durch eine Rechtsregel
beſtimmt. Dieſe Beſtimmung durch eine Rechtsregel be-
ſteht aber darin, daß dem individuellen Willen ein Gebiet
angewieſen iſt, in welchem er unabhängig von jedem frem-
den Willen zu herrſchen hat.
Daher laſſen ſich in jedem Rechtsverhältniß zwey
Stücke unterſcheiden: erſtlich ein Stoff, das heißt jene Be-
ziehung an ſich, und zweytens die rechtliche Beſtimmung
dieſes Stoffs. Das erſte Stück können wir als das ma-
terielle Element der Rechtsverhältniſſe, oder als die bloße
Thatſache in denſelben bezeichnen: das zweyte als ihr
formelles Element, das heißt als dasjenige, wodurch die
thatſächliche Beziehung zur Rechtsform erhoben wird.
Allein nicht alle Beziehungen des Menſchen zum Men-
ſchen gehören dem Rechtsgebiet an, indem ſie einer ſol-
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