Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§ 50. Ansichten der Neueren. keit von Mittelgliedern in der Gedankenreihe (§ 34), wo-durch der Gesetzgeber ohne Inconsequenz bestimmt werden konnte, dem Gesetze ein weiteres oder engeres Gebiet an- zuweisen, als worauf der Grund des Gesetzes zu führen schien. Man muß daher vorsichtig seyn gegen den täu- schenden Schein logischer Sicherheit, womit dieses Ver- fahren angewendet zu werden pflegt (h). Nur wo diese materielle Bedenken durch gründliche Forschung gehoben werden können, darf eine solche Ausdehnung oder Ein- schränkung nach dem Grund des Gesetzes als consequente Fortbildung des Rechts (nicht als Auslegung) für zulässig und räthlich gehalten werden. Einer solchen Fortbildung aber steht auch selbst die Natur eines anomalischen Rechts nicht im Wege, obgleich dadurch die Anwendung der Ana- logie für den Richter ausgeschlossen werden mußte (§ 46). Daß dennoch bey den neueren Schriftstellern dieses potest. -- Et ideo rationes eo- rum, quae constituuntur, inquiri non oportet: alioquin multa ex his, quae certa sunt, subver- tuntur." -- Das inquiri non oportet ist nicht zu verstehen als Einspruch gegen die Erforschung des Grundes an sich, sondern nur insoferne sie dazu angewendet wer- den soll, den wirklichen Inhalt zu modificiren. (h) Treffende Bemerkungen hierüber finden sich bey Stahl Rechtsphilosophie II. S. 177. 21*
§ 50. Anſichten der Neueren. keit von Mittelgliedern in der Gedankenreihe (§ 34), wo-durch der Geſetzgeber ohne Inconſequenz beſtimmt werden konnte, dem Geſetze ein weiteres oder engeres Gebiet an- zuweiſen, als worauf der Grund des Geſetzes zu führen ſchien. Man muß daher vorſichtig ſeyn gegen den täu- ſchenden Schein logiſcher Sicherheit, womit dieſes Ver- fahren angewendet zu werden pflegt (h). Nur wo dieſe materielle Bedenken durch gründliche Forſchung gehoben werden können, darf eine ſolche Ausdehnung oder Ein- ſchränkung nach dem Grund des Geſetzes als conſequente Fortbildung des Rechts (nicht als Auslegung) für zuläſſig und räthlich gehalten werden. Einer ſolchen Fortbildung aber ſteht auch ſelbſt die Natur eines anomaliſchen Rechts nicht im Wege, obgleich dadurch die Anwendung der Ana- logie für den Richter ausgeſchloſſen werden mußte (§ 46). Daß dennoch bey den neueren Schriftſtellern dieſes potest. — Et ideo rationes eo- rum, quae constituuntur, inquiri non oportet: alioquin multa ex his, quae certa sunt, subver- tuntur.” — Das inquiri non oportet iſt nicht zu verſtehen als Einſpruch gegen die Erforſchung des Grundes an ſich, ſondern nur inſoferne ſie dazu angewendet wer- den ſoll, den wirklichen Inhalt zu modificiren. (h) Treffende Bemerkungen hierüber finden ſich bey Stahl Rechtsphiloſophie II. S. 177. 21*
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§ 50. Anſichten der Neueren.
keit von Mittelgliedern in der Gedankenreihe (§ 34), wo-
durch der Geſetzgeber ohne Inconſequenz beſtimmt werden
konnte, dem Geſetze ein weiteres oder engeres Gebiet an-
zuweiſen, als worauf der Grund des Geſetzes zu führen
ſchien. Man muß daher vorſichtig ſeyn gegen den täu-
ſchenden Schein logiſcher Sicherheit, womit dieſes Ver-
fahren angewendet zu werden pflegt (h). Nur wo dieſe
materielle Bedenken durch gründliche Forſchung gehoben
werden können, darf eine ſolche Ausdehnung oder Ein-
ſchränkung nach dem Grund des Geſetzes als conſequente
Fortbildung des Rechts (nicht als Auslegung) für zuläſſig
und räthlich gehalten werden. Einer ſolchen Fortbildung
aber ſteht auch ſelbſt die Natur eines anomaliſchen Rechts
nicht im Wege, obgleich dadurch die Anwendung der Ana-
logie für den Richter ausgeſchloſſen werden mußte (§ 46).
Daß dennoch bey den neueren Schriftſtellern dieſes
Verfahren als eine wahre Auslegung, und daher (mit
mehr oder weniger Beſchränkungen) als zuläſſig für den
Richter angenommen zu werden pflegt, erklärt ſich aus
der ſehr gewöhnlichen Verwechslung dieſes Falles mit
ſolchen ſcheinbar ähnlichen Fällen, worin ein freyeres Ver-
fahren allerdings erlaubt und nothwendig iſt. Dahin ge-
(g)
(h) Treffende Bemerkungen
hierüber finden ſich bey Stahl
Rechtsphiloſophie II. S. 177.
(g) potest. — Et ideo rationes eo-
rum, quae constituuntur, inquiri
non oportet: alioquin multa ex
his, quae certa sunt, subver-
tuntur.” — Das inquiri non
oportet iſt nicht zu verſtehen als
Einſpruch gegen die Erforſchung
des Grundes an ſich, ſondern nur
inſoferne ſie dazu angewendet wer-
den ſoll, den wirklichen Inhalt
zu modificiren.
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