Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Gesetze. gender Grund jedoch für diese Unterscheidung möchte schwer-lich angegeben werden können. Indem nun bey diesem Verfahren der Ausleger nicht in zwey verschiedenen Fällen, nach Grund und nach Absicht; die Ein- schränkung nur allein nach der Ab- sicht. -- Er nennt überhaupt Ab- sicht das was ich als den wirkli- chen Gedanken des Gesetzes be- zeichne. (f) Die Wahrnehmung dieses unbefugten Verfahrens schlug dann bey Manchen zu der wie- derum einseitigen Absicht um, nach welcher alle Auslegung überhaupt nicht dem Richter, sondern dem Gesetzgeber zustehe, der sie aber freylich delegiren könne. S. o. § 32 Note d. (g) Das ist der wahre Sinn
von L. 20. 21 de leg. (1. 3.). "Non omnium, quae a majori- bus constituta sunt, ratio reddi Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze. gender Grund jedoch für dieſe Unterſcheidung möchte ſchwer-lich angegeben werden können. Indem nun bey dieſem Verfahren der Ausleger nicht in zwey verſchiedenen Fällen, nach Grund und nach Abſicht; die Ein- ſchränkung nur allein nach der Ab- ſicht. — Er nennt überhaupt Ab- ſicht das was ich als den wirkli- chen Gedanken des Geſetzes be- zeichne. (f) Die Wahrnehmung dieſes unbefugten Verfahrens ſchlug dann bey Manchen zu der wie- derum einſeitigen Abſicht um, nach welcher alle Auslegung überhaupt nicht dem Richter, ſondern dem Geſetzgeber zuſtehe, der ſie aber freylich delegiren könne. S. o. § 32 Note d. (g) Das iſt der wahre Sinn
von L. 20. 21 de leg. (1. 3.). „Non omnium, quae a majori- bus constituta sunt, ratio reddi <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0378" n="322"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Auslegung der Geſetze.</fw><lb/> gender Grund jedoch für dieſe Unterſcheidung möchte ſchwer-<lb/> lich angegeben werden können.</p><lb/> <p>Indem nun bey dieſem Verfahren der Ausleger nicht<lb/> den bloßen Buchſtaben, alſo den Schein des Geſetzes, ſon-<lb/> dern den wirklichen Inhalt deſſelben zu verbeſſern unter-<lb/> nimmt, ſtellt er ſich über den Geſetzgeber, und verkennt<lb/> alſo die Gränzen des eigenen Berufs; es iſt nicht mehr<lb/> Auslegung die er übt, ſondern wirkliche Fortbildung des<lb/> Rechts <note place="foot" n="(f)">Die Wahrnehmung dieſes<lb/> unbefugten Verfahrens ſchlug<lb/> dann bey Manchen zu der wie-<lb/> derum einſeitigen Abſicht um, nach<lb/> welcher alle Auslegung überhaupt<lb/> nicht dem Richter, ſondern dem<lb/> Geſetzgeber zuſtehe, der ſie aber<lb/> freylich delegiren könne. S. o.<lb/> § 32 Note <hi rendition="#aq">d.</hi></note>. Eine ſolche Gränzverwirrung zwiſchen we-<lb/> ſentlich verſchiedenen Thätigkeiten iſt ein hinreichender for-<lb/> meller Grund, dieſe Art der Auslegung gänzlich zu ver-<lb/> werfen, und dem Richter, nach dem reinen Begriff ſeines<lb/> Amtes, die Befugniß dazu abzuſprechen. Dazu kommen<lb/> aber noch zwey in die Sache ſelbſt eingehende Bedenken.<lb/> Das erſte liegt in der häufigen Ungewißheit des Geſetz-<lb/> grundes (§ 34); wo nun über deſſen Natur ein Irrthum<lb/> leicht möglich iſt, da muß jenes Verfahren in gänzliche<lb/> Willkühr ausarten, und alle Rechtsſicherheit, wodurch au-<lb/> ßerdem die Geſetze ſo wohlthätig werden können, zerſtört<lb/> werden <note xml:id="seg2pn_43_1" next="#seg2pn_43_2" place="foot" n="(g)">Das iſt der wahre Sinn<lb/> von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 20. 21 <hi rendition="#i">de leg.</hi> (1. 3.).<lb/> „Non omnium, quae a majori-<lb/> bus constituta sunt, ratio reddi</hi></note>. Das zweyte Bedenken liegt in der Möglich-<lb/><note xml:id="seg2pn_42_2" prev="#seg2pn_42_1" place="foot" n="(e)">in zwey verſchiedenen Fällen, nach<lb/> Grund und nach Abſicht; die Ein-<lb/> ſchränkung nur allein nach der Ab-<lb/> ſicht. — Er nennt überhaupt Ab-<lb/> ſicht das was ich als den wirkli-<lb/> chen Gedanken des Geſetzes be-<lb/> zeichne.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [322/0378]
Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
gender Grund jedoch für dieſe Unterſcheidung möchte ſchwer-
lich angegeben werden können.
Indem nun bey dieſem Verfahren der Ausleger nicht
den bloßen Buchſtaben, alſo den Schein des Geſetzes, ſon-
dern den wirklichen Inhalt deſſelben zu verbeſſern unter-
nimmt, ſtellt er ſich über den Geſetzgeber, und verkennt
alſo die Gränzen des eigenen Berufs; es iſt nicht mehr
Auslegung die er übt, ſondern wirkliche Fortbildung des
Rechts (f). Eine ſolche Gränzverwirrung zwiſchen we-
ſentlich verſchiedenen Thätigkeiten iſt ein hinreichender for-
meller Grund, dieſe Art der Auslegung gänzlich zu ver-
werfen, und dem Richter, nach dem reinen Begriff ſeines
Amtes, die Befugniß dazu abzuſprechen. Dazu kommen
aber noch zwey in die Sache ſelbſt eingehende Bedenken.
Das erſte liegt in der häufigen Ungewißheit des Geſetz-
grundes (§ 34); wo nun über deſſen Natur ein Irrthum
leicht möglich iſt, da muß jenes Verfahren in gänzliche
Willkühr ausarten, und alle Rechtsſicherheit, wodurch au-
ßerdem die Geſetze ſo wohlthätig werden können, zerſtört
werden (g). Das zweyte Bedenken liegt in der Möglich-
(e)
(f) Die Wahrnehmung dieſes
unbefugten Verfahrens ſchlug
dann bey Manchen zu der wie-
derum einſeitigen Abſicht um, nach
welcher alle Auslegung überhaupt
nicht dem Richter, ſondern dem
Geſetzgeber zuſtehe, der ſie aber
freylich delegiren könne. S. o.
§ 32 Note d.
(g) Das iſt der wahre Sinn
von L. 20. 21 de leg. (1. 3.).
„Non omnium, quae a majori-
bus constituta sunt, ratio reddi
(e) in zwey verſchiedenen Fällen, nach
Grund und nach Abſicht; die Ein-
ſchränkung nur allein nach der Ab-
ſicht. — Er nennt überhaupt Ab-
ſicht das was ich als den wirkli-
chen Gedanken des Geſetzes be-
zeichne.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |