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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch I. Quellen. Kap. IV. Quellen des heutigen R. R.
len gehört (§ 17). Indessen ist diese Ausschließung ganz
unerheblich, da jene Stelle doch nur die griechische Ab-
fassung der unmittelbar vorhergehenden (L. 2 eod.) ist,
also keinen eigenen, von dieser verschiedenen Inhalt hat.

Ein Theil der Stellen nun, welche man hierher zu
rechnen pflegt, muß ohne allen Zweifel als entscheidend
anerkannt werden; ich meyne diejenigen Verordnungen Ju-
stinians, worin er sich über die Bestimmung seiner Rechts-
bücher und ihrer einzelnen Bestandtheile ausspricht. Wenn
er z. B. sagt, die Stellen der Juristen in den Digesten,
und die Rescripte im Codex, sollten nicht als bloße Be-
lehrungen, sondern als wahre, von ihm selbst ausgehende
Gesetze angesehen werden, so ist das weniger eine Ausle-
gungsregel, als vielmehr Stück des Publicationspatentes;
denn es betrifft nicht eigentlich das was wir zu thun ha-
ben, sondern den Sinn dessen was er selbst thut. Etwas
ähnliches freylich, nur in viel entfernterer Weise, ließe
sich auch von den eigentlichen Auslegungsregeln sagen,
da dieselben in der That folgenden Sinn haben: "alle
Stellen der Digesten und des Codex sollen verstanden wer-
den nach den hier gegebenen Auslegungsregeln, denn un-
ter Voraussetzung dieser Regeln habe ich die Stellen selbst
aufgenommen. Eben so sollen verstanden werden meine
künftigen Gesetze, und die Gesetze meiner Nachfolger, da
wir unsre gesetzgebende Gewalt stets in dieser Voraus-
setzung ausüben werden." Dann wären die Auslegungs-
regeln in Beziehung auf jede einzelne Stelle gewisserma-

Buch I. Quellen. Kap. IV. Quellen des heutigen R. R.
len gehört (§ 17). Indeſſen iſt dieſe Ausſchließung ganz
unerheblich, da jene Stelle doch nur die griechiſche Ab-
faſſung der unmittelbar vorhergehenden (L. 2 eod.) iſt,
alſo keinen eigenen, von dieſer verſchiedenen Inhalt hat.

Ein Theil der Stellen nun, welche man hierher zu
rechnen pflegt, muß ohne allen Zweifel als entſcheidend
anerkannt werden; ich meyne diejenigen Verordnungen Ju-
ſtinians, worin er ſich über die Beſtimmung ſeiner Rechts-
bücher und ihrer einzelnen Beſtandtheile ausſpricht. Wenn
er z. B. ſagt, die Stellen der Juriſten in den Digeſten,
und die Reſcripte im Codex, ſollten nicht als bloße Be-
lehrungen, ſondern als wahre, von ihm ſelbſt ausgehende
Geſetze angeſehen werden, ſo iſt das weniger eine Ausle-
gungsregel, als vielmehr Stück des Publicationspatentes;
denn es betrifft nicht eigentlich das was wir zu thun ha-
ben, ſondern den Sinn deſſen was er ſelbſt thut. Etwas
ähnliches freylich, nur in viel entfernterer Weiſe, ließe
ſich auch von den eigentlichen Auslegungsregeln ſagen,
da dieſelben in der That folgenden Sinn haben: „alle
Stellen der Digeſten und des Codex ſollen verſtanden wer-
den nach den hier gegebenen Auslegungsregeln, denn un-
ter Vorausſetzung dieſer Regeln habe ich die Stellen ſelbſt
aufgenommen. Eben ſo ſollen verſtanden werden meine
künftigen Geſetze, und die Geſetze meiner Nachfolger, da
wir unſre geſetzgebende Gewalt ſtets in dieſer Voraus-
ſetzung ausüben werden.“ Dann wären die Auslegungs-
regeln in Beziehung auf jede einzelne Stelle gewiſſerma-

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[312/0368] Buch I. Quellen. Kap. IV. Quellen des heutigen R. R. len gehört (§ 17). Indeſſen iſt dieſe Ausſchließung ganz unerheblich, da jene Stelle doch nur die griechiſche Ab- faſſung der unmittelbar vorhergehenden (L. 2 eod.) iſt, alſo keinen eigenen, von dieſer verſchiedenen Inhalt hat. Ein Theil der Stellen nun, welche man hierher zu rechnen pflegt, muß ohne allen Zweifel als entſcheidend anerkannt werden; ich meyne diejenigen Verordnungen Ju- ſtinians, worin er ſich über die Beſtimmung ſeiner Rechts- bücher und ihrer einzelnen Beſtandtheile ausſpricht. Wenn er z. B. ſagt, die Stellen der Juriſten in den Digeſten, und die Reſcripte im Codex, ſollten nicht als bloße Be- lehrungen, ſondern als wahre, von ihm ſelbſt ausgehende Geſetze angeſehen werden, ſo iſt das weniger eine Ausle- gungsregel, als vielmehr Stück des Publicationspatentes; denn es betrifft nicht eigentlich das was wir zu thun ha- ben, ſondern den Sinn deſſen was er ſelbſt thut. Etwas ähnliches freylich, nur in viel entfernterer Weiſe, ließe ſich auch von den eigentlichen Auslegungsregeln ſagen, da dieſelben in der That folgenden Sinn haben: „alle Stellen der Digeſten und des Codex ſollen verſtanden wer- den nach den hier gegebenen Auslegungsregeln, denn un- ter Vorausſetzung dieſer Regeln habe ich die Stellen ſelbſt aufgenommen. Eben ſo ſollen verſtanden werden meine künftigen Geſetze, und die Geſetze meiner Nachfolger, da wir unſre geſetzgebende Gewalt ſtets in dieſer Voraus- ſetzung ausüben werden.“ Dann wären die Auslegungs- regeln in Beziehung auf jede einzelne Stelle gewiſſerma-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/368>, abgerufen am 28.11.2024.