Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Gesetze. es das Principium allerdings für die Decrete, wenn sieEndurtheile sind, vorschreibt: vergleicht man beide Theile der Stelle mit einander, so kann man über die gänzliche Verschiedenheit des Ausdrucks, wie der Gründe der Be- handlung beider Fälle, nicht zweifelhaft seyn. Die zweyte Verordnung Justinians über die Auslegung §. 48. Aussprüche des Römischen Rechts über die Auslegung. (Fortsetzung.) Beide übereinstimmende Gesetze sind von so schroffem (p) "Si quid vero ... ambi- guum fuerit visum" etc. Das darf keinesweges blos von zwey- deutigen Ausdrücken eines Ge- setzes verstanden werden, die ja von Justinians Standpunkt aus unmöglich als etwas Besonderes angesehen werden konnten, son- dern es bezeichnet Zweifel und Schwierigkeiten jeder Art, also alles Auslegungsbedürfniß über- haupt, gerade wie die omnes ambiguitates judicum in L. 12 § 1 cit. (q) "Cui soli concessum est le-
ges et condere et interpretari." Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze. es das Principium allerdings für die Decrete, wenn ſieEndurtheile ſind, vorſchreibt: vergleicht man beide Theile der Stelle mit einander, ſo kann man über die gänzliche Verſchiedenheit des Ausdrucks, wie der Gründe der Be- handlung beider Fälle, nicht zweifelhaft ſeyn. Die zweyte Verordnung Juſtinians über die Auslegung §. 48. Ausſprüche des Römiſchen Rechts über die Auslegung. (Fortſetzung.) Beide übereinſtimmende Geſetze ſind von ſo ſchroffem (p) „Si quid vero … ambi- guum fuerit visum“ etc. Das darf keinesweges blos von zwey- deutigen Ausdrücken eines Ge- ſetzes verſtanden werden, die ja von Juſtinians Standpunkt aus unmöglich als etwas Beſonderes angeſehen werden konnten, ſon- dern es bezeichnet Zweifel und Schwierigkeiten jeder Art, alſo alles Auslegungsbedürfniß über- haupt, gerade wie die omnes ambiguitates judicum in L. 12 § 1 cit. (q) „Cui soli concessum est le-
ges et condere et interpretari.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0360" n="304"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Auslegung der Geſetze.</fw><lb/> es das Principium allerdings für die Decrete, wenn ſie<lb/> Endurtheile ſind, vorſchreibt: vergleicht man beide Theile<lb/> der Stelle mit einander, ſo kann man über die gänzliche<lb/> Verſchiedenheit des Ausdrucks, wie der Gründe der Be-<lb/> handlung beider Fälle, nicht zweifelhaft ſeyn.</p><lb/> <p>Die zweyte Verordnung Juſtinians über die Auslegung<lb/> findet ſich mitten in dem Publicationspatent über die Di-<lb/> geſten vom J. 533, d. h. in <hi rendition="#aq">L. 2 § 21 C. de vet. jure<lb/> enucl.</hi> (1. 17.). Sie ſteht in Verbindung mit dem Ver-<lb/> bot, juriſtiſche Bücher zu ſchreiben (§ 26), und ergänzt<lb/> daſſelbe auf folgende Weiſe: „Eigentliche Bücher, ins-<lb/> beſondere Commentare über die Geſetze, werden verboten.<lb/> Findet ſich aber irgend ein Zweifel über den Sinn eines<lb/> Geſetzes <note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq">„Si quid vero … <hi rendition="#i">ambi-<lb/> guum</hi> fuerit visum“ etc.</hi> Das<lb/> darf keinesweges blos von zwey-<lb/> deutigen Ausdrücken eines Ge-<lb/> ſetzes verſtanden werden, die ja<lb/> von Juſtinians Standpunkt aus<lb/> unmöglich als etwas Beſonderes<lb/> angeſehen werden konnten, ſon-<lb/> dern es bezeichnet Zweifel und<lb/> Schwierigkeiten jeder Art, alſo<lb/> alles Auslegungsbedürfniß über-<lb/> haupt, gerade wie die <hi rendition="#aq">omnes<lb/> ambiguitates judicum</hi> in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 12<lb/> § 1 <hi rendition="#i">cit.</hi></hi></note>, ſo ſollen dieſen die Richter dem Kaiſer zur<lb/> Entſcheidung vortragen, denn dieſer iſt, wie der einzige<lb/> Geſetzgeber, ſo auch der einzige rechtmäßige Interpret <note place="foot" n="(q)"><hi rendition="#aq">„Cui soli concessum est le-<lb/> ges <hi rendition="#i">et condere et interpretari.“</hi></hi></note>.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 48.<lb/><hi rendition="#g">Ausſprüche des Römiſchen Rechts über die Auslegung.<lb/> (Fortſetzung.)</hi></head><lb/> <p>Beide übereinſtimmende Geſetze ſind von ſo ſchroffem<lb/> Inhalt, daß man augenblicklich Bedenken haben könnte,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [304/0360]
Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
es das Principium allerdings für die Decrete, wenn ſie
Endurtheile ſind, vorſchreibt: vergleicht man beide Theile
der Stelle mit einander, ſo kann man über die gänzliche
Verſchiedenheit des Ausdrucks, wie der Gründe der Be-
handlung beider Fälle, nicht zweifelhaft ſeyn.
Die zweyte Verordnung Juſtinians über die Auslegung
findet ſich mitten in dem Publicationspatent über die Di-
geſten vom J. 533, d. h. in L. 2 § 21 C. de vet. jure
enucl. (1. 17.). Sie ſteht in Verbindung mit dem Ver-
bot, juriſtiſche Bücher zu ſchreiben (§ 26), und ergänzt
daſſelbe auf folgende Weiſe: „Eigentliche Bücher, ins-
beſondere Commentare über die Geſetze, werden verboten.
Findet ſich aber irgend ein Zweifel über den Sinn eines
Geſetzes (p), ſo ſollen dieſen die Richter dem Kaiſer zur
Entſcheidung vortragen, denn dieſer iſt, wie der einzige
Geſetzgeber, ſo auch der einzige rechtmäßige Interpret (q).
§. 48.
Ausſprüche des Römiſchen Rechts über die Auslegung.
(Fortſetzung.)
Beide übereinſtimmende Geſetze ſind von ſo ſchroffem
Inhalt, daß man augenblicklich Bedenken haben könnte,
(p) „Si quid vero … ambi-
guum fuerit visum“ etc. Das
darf keinesweges blos von zwey-
deutigen Ausdrücken eines Ge-
ſetzes verſtanden werden, die ja
von Juſtinians Standpunkt aus
unmöglich als etwas Beſonderes
angeſehen werden konnten, ſon-
dern es bezeichnet Zweifel und
Schwierigkeiten jeder Art, alſo
alles Auslegungsbedürfniß über-
haupt, gerade wie die omnes
ambiguitates judicum in L. 12
§ 1 cit.
(q) „Cui soli concessum est le-
ges et condere et interpretari.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |