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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Gesetze.
doch konnte davon bald schon deswegen nicht mehr die
Rede seyn, weil die Rechtswissenschaft nur noch in den
Büchern der alten Juristen fortlebte, persönliche Nachfol-
ger derselben aber kaum noch vorhanden waren. Nun
wäre höchstens noch eine Auslegung der Richter möglich
gewesen, und es kann weniger auffallen, wenn selbst diese
unter ganz neue und willkührliche Bestimmungen gestellt
wurde. Vollendet wurden diese erst durch Justinian aber
der Anfang dazu findet sich schon weit früher. -- So
verordnet Constantin (g): Inter aequitatem jusque in-
terpositam interpretationem nobis solis et oportet et
licet inspicere.
Das heißt: "wenn durch Auslegung irgend
ein Satz der aequitas gegen das strenge Recht neu einge-
führt werden soll, so darf das nur vom Kaiser selbst ge-
schehen." Offenbar ist hier nicht von reiner Auslegung,
sondern von Fortbildung, und zwar von einer Eroberung
der aequitas in dem Gebiet des bisher geltenden strengen
Rechts die Rede. Dieses Verfahren, welches sonst regel-
mäßig vom prätorischen Edict, sehr oft auch von den
Juristen, ausgegangen war, wird jetzt dem Kaiser vorbe-
halten. Darin liegt Nichts, was man nicht nach der
veränderten Verfassung ohnehin schon erwarten möchte. --
Eine Verordnung von Valentinian und Martian sagt,
der Kaiser habe in den Gesetzen Dunkelheiten zu entfernen,
und Härten zu mildern. Theils wird aber hier dieser

(g) L. 1 C. de leg. (1. 14.), oder
L. 3 C. Th. de div. rescr. (1. 2.)
(neu entdeckt). -- Vgl. oben
§ 36 Note f.

Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
doch konnte davon bald ſchon deswegen nicht mehr die
Rede ſeyn, weil die Rechtswiſſenſchaft nur noch in den
Büchern der alten Juriſten fortlebte, perſönliche Nachfol-
ger derſelben aber kaum noch vorhanden waren. Nun
wäre höchſtens noch eine Auslegung der Richter möglich
geweſen, und es kann weniger auffallen, wenn ſelbſt dieſe
unter ganz neue und willkührliche Beſtimmungen geſtellt
wurde. Vollendet wurden dieſe erſt durch Juſtinian aber
der Anfang dazu findet ſich ſchon weit früher. — So
verordnet Conſtantin (g): Inter aequitatem jusque in-
terpositam interpretationem nobis solis et oportet et
licet inspicere.
Das heißt: „wenn durch Auslegung irgend
ein Satz der aequitas gegen das ſtrenge Recht neu einge-
führt werden ſoll, ſo darf das nur vom Kaiſer ſelbſt ge-
ſchehen.“ Offenbar iſt hier nicht von reiner Auslegung,
ſondern von Fortbildung, und zwar von einer Eroberung
der aequitas in dem Gebiet des bisher geltenden ſtrengen
Rechts die Rede. Dieſes Verfahren, welches ſonſt regel-
mäßig vom prätoriſchen Edict, ſehr oft auch von den
Juriſten, ausgegangen war, wird jetzt dem Kaiſer vorbe-
halten. Darin liegt Nichts, was man nicht nach der
veränderten Verfaſſung ohnehin ſchon erwarten möchte. —
Eine Verordnung von Valentinian und Martian ſagt,
der Kaiſer habe in den Geſetzen Dunkelheiten zu entfernen,
und Härten zu mildern. Theils wird aber hier dieſer

(g) L. 1 C. de leg. (1. 14.), oder
L. 3 C. Th. de div. rescr. (1. 2.)
(neu entdeckt). — Vgl. oben
§ 36 Note f.
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[300/0356] Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze. doch konnte davon bald ſchon deswegen nicht mehr die Rede ſeyn, weil die Rechtswiſſenſchaft nur noch in den Büchern der alten Juriſten fortlebte, perſönliche Nachfol- ger derſelben aber kaum noch vorhanden waren. Nun wäre höchſtens noch eine Auslegung der Richter möglich geweſen, und es kann weniger auffallen, wenn ſelbſt dieſe unter ganz neue und willkührliche Beſtimmungen geſtellt wurde. Vollendet wurden dieſe erſt durch Juſtinian aber der Anfang dazu findet ſich ſchon weit früher. — So verordnet Conſtantin (g): Inter aequitatem jusque in- terpositam interpretationem nobis solis et oportet et licet inspicere. Das heißt: „wenn durch Auslegung irgend ein Satz der aequitas gegen das ſtrenge Recht neu einge- führt werden ſoll, ſo darf das nur vom Kaiſer ſelbſt ge- ſchehen.“ Offenbar iſt hier nicht von reiner Auslegung, ſondern von Fortbildung, und zwar von einer Eroberung der aequitas in dem Gebiet des bisher geltenden ſtrengen Rechts die Rede. Dieſes Verfahren, welches ſonſt regel- mäßig vom prätoriſchen Edict, ſehr oft auch von den Juriſten, ausgegangen war, wird jetzt dem Kaiſer vorbe- halten. Darin liegt Nichts, was man nicht nach der veränderten Verfaſſung ohnehin ſchon erwarten möchte. — Eine Verordnung von Valentinian und Martian ſagt, der Kaiſer habe in den Geſetzen Dunkelheiten zu entfernen, und Härten zu mildern. Theils wird aber hier dieſer (g) L. 1 C. de leg. (1. 14.), oder L. 3 C. Th. de div. rescr. (1. 2.) (neu entdeckt). — Vgl. oben § 36 Note f.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/356>, abgerufen am 24.11.2024.