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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch I. Quellen. Kap. IV. Quellen des heutigen R. R.
thümlichen Stellung der Römischen Juristen, welche aller-
dings auch die Fortbildung des Rechts unmittelbarer in
ihre Hände legte, als dieses bey uns angenommen wer-
den kann (§ 19). So heißt denn auch bey ihnen Inter-
pretatio
keinesweges blos eigentliche Auslegung, sondern
überhaupt Lehre, Überlieferung, also Alles was oben als
wissenschaftliches Recht bezeichnet worden ist (§ 14. 19.
20.), und zwar in der freyeren Vehandlung, wie sie ge-
rade in Rom angenommen werden konnte (d). Indessen
mögen auch schon die alten Juristen selbst die unsichere
Gränze erkannt haben, die dadurch zwischen ihrem eigenen
Beruf, und den Befugnissen des Prätors oder gar des
Kaisers entstehen mußte; so scheint es zu erklären, wenn
sie es in manchen Stellen unbestimmt lassen, ob eine Er-
weiterung des Rechts durch sie selbst, oder vielmehr durch
den Prätor oder Kaiser zu bewirken sey (e). -- Aber selbst
abgesehen von dieser größeren Freyheit, die den Römi-
schen Juristen, in Vergleichung mit den unsrigen, einge-
räumt war, hatten sie auch ausgedehntere Mittel der Aus-
legung, indem sie der Entstehung ihrer Rechtsquellen so
nahe standen, also unmittelbar wissen konnten, wie man-
cher an sich nicht hinreichend bestimmte Ausdruck gemeynt

Ehefrau. L. 20 de re jud. (42.
1.). -- In diesen drey Fällen ist
es ein Jus singulare, welches
erweitert wird.
(d) Über diese Bedeutung von
Interpretatio vgl. L. 2 § 5 de
O. J.
(1. 2.). Hugo Rechtsge-
schichte S. 441 der 11. Ausg.
Puchta Gewohnheitsr. I. S. 16 fg.
(e) L. 11 de leg. (1. 3.) "aut
interpretatione aut constitu-
tione optimi principis" ... L. 13
eod. "vel interpretatione vel
certe
jurisdictione suppleri."

Buch I. Quellen. Kap. IV. Quellen des heutigen R. R.
thümlichen Stellung der Römiſchen Juriſten, welche aller-
dings auch die Fortbildung des Rechts unmittelbarer in
ihre Hände legte, als dieſes bey uns angenommen wer-
den kann (§ 19). So heißt denn auch bey ihnen Inter-
pretatio
keinesweges blos eigentliche Auslegung, ſondern
überhaupt Lehre, Überlieferung, alſo Alles was oben als
wiſſenſchaftliches Recht bezeichnet worden iſt (§ 14. 19.
20.), und zwar in der freyeren Vehandlung, wie ſie ge-
rade in Rom angenommen werden konnte (d). Indeſſen
mögen auch ſchon die alten Juriſten ſelbſt die unſichere
Gränze erkannt haben, die dadurch zwiſchen ihrem eigenen
Beruf, und den Befugniſſen des Prätors oder gar des
Kaiſers entſtehen mußte; ſo ſcheint es zu erklären, wenn
ſie es in manchen Stellen unbeſtimmt laſſen, ob eine Er-
weiterung des Rechts durch ſie ſelbſt, oder vielmehr durch
den Prätor oder Kaiſer zu bewirken ſey (e). — Aber ſelbſt
abgeſehen von dieſer größeren Freyheit, die den Römi-
ſchen Juriſten, in Vergleichung mit den unſrigen, einge-
räumt war, hatten ſie auch ausgedehntere Mittel der Aus-
legung, indem ſie der Entſtehung ihrer Rechtsquellen ſo
nahe ſtanden, alſo unmittelbar wiſſen konnten, wie man-
cher an ſich nicht hinreichend beſtimmte Ausdruck gemeynt

Ehefrau. L. 20 de re jud. (42.
1.). — In dieſen drey Fällen iſt
es ein Jus singulare, welches
erweitert wird.
(d) Über dieſe Bedeutung von
Interpretatio vgl. L. 2 § 5 de
O. J.
(1. 2.). Hugo Rechtsge-
ſchichte S. 441 der 11. Ausg.
Puchta Gewohnheitsr. I. S. 16 fg.
(e) L. 11 de leg. (1. 3.) „aut
interpretatione aut constitu-
tione optimi principis“ … L. 13
eod. „vel interpretatione vel
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jurisdictione suppleri.“
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[298/0354] Buch I. Quellen. Kap. IV. Quellen des heutigen R. R. thümlichen Stellung der Römiſchen Juriſten, welche aller- dings auch die Fortbildung des Rechts unmittelbarer in ihre Hände legte, als dieſes bey uns angenommen wer- den kann (§ 19). So heißt denn auch bey ihnen Inter- pretatio keinesweges blos eigentliche Auslegung, ſondern überhaupt Lehre, Überlieferung, alſo Alles was oben als wiſſenſchaftliches Recht bezeichnet worden iſt (§ 14. 19. 20.), und zwar in der freyeren Vehandlung, wie ſie ge- rade in Rom angenommen werden konnte (d). Indeſſen mögen auch ſchon die alten Juriſten ſelbſt die unſichere Gränze erkannt haben, die dadurch zwiſchen ihrem eigenen Beruf, und den Befugniſſen des Prätors oder gar des Kaiſers entſtehen mußte; ſo ſcheint es zu erklären, wenn ſie es in manchen Stellen unbeſtimmt laſſen, ob eine Er- weiterung des Rechts durch ſie ſelbſt, oder vielmehr durch den Prätor oder Kaiſer zu bewirken ſey (e). — Aber ſelbſt abgeſehen von dieſer größeren Freyheit, die den Römi- ſchen Juriſten, in Vergleichung mit den unſrigen, einge- räumt war, hatten ſie auch ausgedehntere Mittel der Aus- legung, indem ſie der Entſtehung ihrer Rechtsquellen ſo nahe ſtanden, alſo unmittelbar wiſſen konnten, wie man- cher an ſich nicht hinreichend beſtimmte Ausdruck gemeynt (c) (d) Über dieſe Bedeutung von Interpretatio vgl. L. 2 § 5 de O. J. (1. 2.). Hugo Rechtsge- ſchichte S. 441 der 11. Ausg. Puchta Gewohnheitsr. I. S. 16 fg. (e) L. 11 de leg. (1. 3.) „aut interpretatione aut constitu- tione optimi principis“ … L. 13 eod. „vel interpretatione vel certe jurisdictione suppleri.“ (c) Ehefrau. L. 20 de re jud. (42. 1.). — In dieſen drey Fällen iſt es ein Jus singulare, welches erweitert wird.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/354>, abgerufen am 23.07.2024.